Neulich sass ich im Postauto und fragte mich, ob meine innere Unruhe wohl von Trumps neuestem Tweet kam oder vielleicht doch vom vielen Gluten, das ich durch regelmässigen Pasta-Abusus in mich hineinstopfe. Das Zeug soll ja alles verkleben. Ganz zu schweigen von Zucker. Der wirkt auf Ratten wie Koks.
In Fribourg wollen sie echtes Koks an Affen ausprobieren, kam mir in den Sinn, als es am Bahnhof Wiggen einen Fahrerwechsel gab. Dann dachte ich, dass ich ein paar von diesen Affen am Abend zuvor in einem Club in Zürich gesehen hatte. Ich war mir aber nicht sicher.
Allgemein ist man sich ja nicht mehr so sicher. In Wiggen war Fasnacht. Erhängte Narren baumelten von den Laternen. Menschen sind Bananen. Erstaunlich wenig sexy Hexen oder Teufelinnen dieses Jahr. Auf der anderen Strassenseite verschwanden gerade zwei Skelette im spukenden Spunten.
Dia de los Muertos im Entlebuch. In Mexiko feiern sie den Tod. Ich hatte am Vorabend im Gonzo Mexikaner getrunken. Hab mir auf den weissen Hipster-Faserpelz gekleckert. Sah aus wie ein erschossenes Schaf. Ein Mexikaner ist im Gonzo Mescal mit Tabasco. Einer lallte mir rechtes Gedankengut ins linke Ohr. Ich lächelte milde und meinte damit: «Verpiss di us mire Chuchi du Grusel-Troll.»
Vielleicht war er auch ein Linker, es klang aber rechts. Auf jeden Fall schräg. Es gäbe keine Wahrheit, keine Fakten, man müsse allem misstrauen, sabberte er. Ich erwähnte die Millionen Opfer des Holocaust und hoffte, das sei eine Knacknuss. Nicht für diesen Irren. Ich floh ins Raucherabteil, mit dem schleichenden Gefühl, dass mich Verschwörungs-Fans verfolgen. Ich war fasziniert davon, wie sich dieser Gedanke in den Schwanz beisst und nahm einen Zug von meiner Muratti extra. Aber das war gestern Abend.
«Frösch verheiratet», stand auf einer Tafel in schönstem Lozärner-Dialekt. Ich quakte vor Lachen.
Heute war heute Morgen. Der Schädel brummte vibrierend an der Postautoscheibe. Draussen zogen Geburtstags- und Baby-Gratulations-Tafeln vorbei. Das machen die hier so. Ein riesiges selbstgebasteltes Plakat in die Landschaft scheissen, weil Joy 16 geworden oder der kleine Justin-Kosimo auf die Welt gekommen ist. Im Entlebuch, die arme Sau. Wegen dem Namen meine ich. Oder Hochzeiten. An einer Scheune prangte ein hochroter Tinu mit seiner Döne. «Frösch verheiratet», stand da in schönstem Lozärner-Düütsch. Ich quakte vor Lachen.
Früher, wenn ich meinen Kumpel aus Pfäffike per S-Bahn besuchen wollte, musste ich immer vor Lachen aussteigen. Aber das ist im Zürcher Oberland oder so. Hier war das Entlebuch. Hier war der Hades. Hier soll es einen Hexer geben, der dir eine 1a Schneesuppe kredenzt und dafür, noch bevor der Schnee geschmolzen ist, etliche Gault-Millau Punkte absahnt. Paul Bocuse ist tot. Das nur so als Beilage.
Telepathie mit dem Postauto-Chauffeur
Ich hatte das Gefühl, der Postauto-Chauffeur blinzle mir durch den Rückspiegel ins Tiefste meiner Seele. Dabei hatten sie mir gestern im Gonzo gesagt, in diesem CBD habe es keine Halluzinogene. Pah! Ich starrte zurück und versuchte, ihn per Telepathie zu fragen, ob er auch in diesen Postauto-Skandal verwickelt sei und ob er dementsprechend nicht auch finde, dass dieser Gewinn-Maximierungs-Zwang langsam absurde Blüten treibe?
«Du bist sicher auch einer dieser NoNoBillag-Vögel», blinzelte er zurück. Ich versuchte mich daran zu erinnern, in welchem Song sie «I say No No No No No, I say Yeah Yeah Yeah Yeah Yeah» singen. «NoDiggity» von Blackstreet ist es nicht. Der neue Wagenführer hörte Radio. Nachrichten. Der Sprecher sprach «Pyeongchang» so akkurat aus, dass ich nicht ausschloss, dass er mal einen Sprachaufenthalt in Korea gemacht hatte.
Ich wusste jetzt, was Fonds sind und dass da überall Nestlé drin ist. Wie im Coop.
Kim Jong Un ging als Teenie bei mir in der Nähe zur Schule. Freunde von mir wollen bei ihm zu Hause gegamet haben. World of Warcraft. Sie hätten ihn gefragt, ob er Knackeboul kenne. «Äuä!», habe er gesagt.
Der Bus hielt in Marbach. Die Sonne riss den Nebel auf, als würde sich Gott dieses Jammertals erbarmen. Es ist ein schönes Jammertal, dieses Entlebuch. Eine Biosphäre, wie ich auf verschiedenen Schildern gelesen hatte. Wobei dieses Wort wohl von Menschen erfunden worden war. Allgemein waren Menschen wohl ein Problem.
In Marbach hievte ich mein Snowboard, das den letzten Service vor einem Jahrzehnt gesehen hatte, umständlich in dieses Aussending der Gondel und war dann eingesperrt – alleine. Das Handy hatte keinen Akku mehr.
Oben wartete der Göttibub. Aber wo? Ich dachte übers Nachdenken nach. Darüber, dass ich mich vor ein paar Tagen hatte finanzberaten lassen und wie spiessig das war und wie surreal. Ich wusste jetzt, was Fonds sind und dass da überall Nestlé drin ist. Wie im Coop. Wie im Coop gab es auch Bio-Produkte für alternative Familien des mittleren und oberen Mittelstandes. Nachhaltige Fonds, die gezielt in umweltfreundliche und fortschrittliche Firmen investierten.
Ab 30 fängt es an, dass einen Anlage-Möglichkeiten interessieren und die Knie nach drei Abfahrten schmerzen.
Was sind wir nur für niederträchtige Kreaturen. Da verdienen wir dreckiges Geld und speisen es in ein dreckiges Bankensystem, sind dann aber empört, wenn in diesen Fonds ein Lebensmittel-Multi sein Unwesen treibt.
Ich stellte mir den armen Berater vor, der all diese Gespräche mit diesen Fair-Trade-Pärchen führen muss, die gemeinsam an die 20’000 monatlich verdienen aber dann wegen Nestlé eine Szene machen. Aus Mitleid sagte ich meinem Berater, ich interessiere mich für den Fond Nummer IV, einer mit hohem Aktien-Anteil und viel Nestlé.
Auf dem Berg lernte ich, dass ein vierjähriges Kind 25-mal die rote Piste runter und mit dem Bügellift wieder rauf fahren kann und immer noch nicht müde ist. Und dass einen ab 30 nicht nur Anlage-Möglichkeiten zu interessieren anfangen, sondern auch die Knie nach drei Abfahrten zu schmerzen beginnen. Am Mittag investierte ich mein Geld in einen Kalbs-Fond. Die Sonne kitzelte meine Nase. Das Tal schien fern.