Sie treffen sich eine Woche vor dem Morgestraich im Oberlichtsaal der Kunsthalle Basel. Mit dem Licht werde man kaum Probleme haben, mit der Akustik wohl eher, sagt einer.
Das liegt nicht nur an der prächtigen Halle selber, sondern auch an den Instrumenten, die an einer Wand am Boden aufgereiht sind. Piccolos und Trommeln der speziellen Art sind es. Entworfen und gebaut wurden sie vom Basler Künstler Johannes Willi, der 2015 mit selbstgebauten Instrumenten für ein Beethoven-Konzert der Lucerne Festival Academy im Luzerner KKL für humorvolle Furore gesorgt hatte.
Viel mehr dürfen wir hier und jetzt über die Fasnachtsinstrumente nicht verraten, denn eine der ungeschriebenen Regeln der Basler Fasnacht besagt, dass die Art und Weise, wie Cliquen ihre Sujets ausspielen, bis am Fasnachtsmontag geheim bleibt.
Ein paar Geheimnisse werden hier dennoch verraten, zumal die Clique – Die Unbaggene, heisst sie – das Tabu selber brechen wird. «Wir werden am Sonntag vor der Fasnacht in Kostümen, mit Piccolo und Trommeln auftreten», sagt Benedikt Wyss, Cliquenmitglied und freischaffender Kurator und Kunstjournalist. Auch Bilder der Kostümentwürfe sind im Internet bereits zu finden.
Also raus damit: «Ayahuasca la vista» heisst das Sujet. Die gut dreissigköpfige Clique wird als Wald durch die Basler Innenstadt gässeln. Nicht nur als künstlicher, sondern auch künstlerischer Wald. «Der Auftrag des Künstlers an jedes Cliquenmitglied ist der Versuch, sich nicht als Baum zu verkleiden, sondern als solcher zu fühlen», sagt Wyss. Diese Bewusstseinsverschiebung sei der Clou der Sache – und die übe man, unter anderem in der Performance in der Kunsthalle.
Dieser Wald fand über einen weiten Weg von Lateinamerika über den Atlantik nach Basel. Und als Begleitung werden zwei Künstler aus Kolumbien mit dabei sein.
Von Bogotá nach Basel
Südamerika? Kolumbien? In Bogotá fand die Zusammenarbeit des Künstlers Willi mit dem Kurator Wyss ihren Auftakt in der Ausstellung mit dem Titel «I like The Universe». Zusammen mit Wyss und Claudio Vogt, ebenfalls Cliquenmitglied sowie Leiter Presse und Rahmenprogramme der Kunsthalle Basel, entstand dann die Idee, den Fasnachtsauftritt von Willi entwerfen zu lassen. Und diesen als Kunstperformance unter dem Titel «Yypfyffe» in die von Kunsthalledirektorin Elena Filipovic und Renate Wagner kuratierte Ausstellung «New Swiss Performance Now» in der Kunsthalle einzubauen. «Als Abschluss der Ausstellung und Übergang in die grosse Dreitages-Performance namens Basler Fasnacht», wie Vogt sagt.
Das Besondere am Vorfasnachts- und Fasnachtsauftritt der Clique ist, dass sie die zeitgenössische Kunst nicht als Sujet auserkoren hat, sondern sich selber als Performance-Material für einen zeitgenössischen Künstler zur Verfügung stellt. Zurückhaltender ausgedrückt: dass die Fasnächtler mit einem zeitgenössischen Künstler zusammenarbeiten – mit Unterstützung durch mehrere Stiftungen, deren Namen sonst auf der Sponsorenliste von Kunstausstellungen zu lesen sind.
Dass Künstler sich an der Fasnacht betätigen, ist an und für sich nichts Neues. Zeitgenössische Kunst und Fasnacht waren früher ein enges Gespann.
Für die grossen Namen der lokalen Szene der 1920er- bis 1960er-Jahre wie Charles Hindelang, Niklaus Stoecklin, Otto Abt, Hans Weidmann, Irène Zurkinden oder Max Kämpf war die Fasnacht nicht nur beliebtes Motiv für ihre Bilder und Zeichnungen.
Die Mitglieder der antifaschistischen Basler Künstlergruppe 33 und die jüngeren Kollegen aus dem Künstlerkreis 48 malten selbstverständlich auch Laternen, verdienten als Maler in Larvenateliers Geld oder entwarfen Blaggedde.
Larvenwettbewerb des Kunstkredits
Auch die erste typische kaschierte Basler Fasnachtslarve war das Werk eines Künstlers, des Bühnenbildners und Malers Paul Rudin. Er wurde 1921 von der Clique Olympia mit dem Entwurf einer Larve beauftragt für das Sujet «Moderne Kunst», das die Vergabepolitik des Kunstkredits aufs Korn nahm. Zuvor waren die Fasnächtler vornehmlich mit Masken aus deutscher und italienischer Produktion unterwegs gewesen.
Die staatliche Institution zur Künstlerförderung war nicht nachtragend. Im Gegenteil: 1925 schrieb der Basler Kunstkredit in Zusammenarbeit mit dem Atelier Métraux-Bucherer einen Künstlerlarven-Wettbewerb aus. Diese Aktion, an der viele Basler Künstler teilnahmen, gilt als eigentliche Geburtsstunde der originären Basler Larven-Produktion, auf die man in dieser Stadt so stolz ist.
Auch aus den 1970er- bis 1980er-Jahren sind Kooperationen renommierter Künstler mit Fasnachtscliquen bekannt. So die Laternen, die Werner Ritter für die Stammclique Alti Richtig malte, etwa 1978, als die Clique den umstrittenen Ankauf der Installation «Feuerstätte» von Joseph Beuys durch das Kunstmuseum zum Sujet erkor.
Allerdings blieb hier nicht Ritter als Künstler in Erinnerung, sondern Beuys selber, der am Fasnachtsmittwoch in einer Performance aus Kostümen und Requisiten der Clique das Werk «Feuerstätte II» zusammenstellte, das ebenfalls in die Sammlung des Museums gelangte.
Kuttlebutzer und Tinguely
Wenn von Kunst an der Fasnacht die Rede ist, taucht aber vor allem ein Name ganz oben auf der Liste auf: Jean Tinguely, der als Vorträbler der legendären, 1999 aufgelösten Kuttlebutzer mehrere Züge für die nonkonformistische Clique entwarf. Berühmt und berüchtigt geblieben ist der erste gemeinsame Auftritt im Jahr 1974, als die Clique als Trauerzug mit einem Sarg aufmarschierte, der vor dem Comité mit viel schwarzem Rauch explodierte.
Die Kuttlebutzer galten als Künstlerclique schlechthin. Auch andere Kreative wie Ferdi Afflerbach, Robi Hiltbrand, Hanspeter Hort und Christoph Gloor haben ihre gestalterischen Spuren hinterlassen. Dem Vernehmen nach soll es unter ihnen immer wieder zu Streitigkeiten gekommen sein, wer nun das gestalterische Zepter in die Hand nehmen durfte.
Distanziertes Verhältnis
Tinguely war selber ein aktiver Fasnachnächtler und über persönliche Freundschaften aus seiner Militärdienstzeit als Maschinengewehrschütze zu den Kuttlebutzern gelangt. Solche Verbindungen scheint es mittlerweile nicht mehr zu geben. Das ist eine Erklärung dafür, dass die bildenden Kunstschaffenden von heute an der Fasnacht kaum mehr präsent sind.
Wenn man heute in der Szene nachfragt, bekommt man reihum zu hören, dass der Bezug zur Fasnacht fehle und sich nie eine Gelegenheit zur Zusammenarbeit ergeben habe. So äussert sich zum Beispiel Claudia Müller (*1964), die zusammen mit ihrer Schwester Julia (*1965) seit Jahren zu den international beachteten Aushängeschildern der Basler Kunstszene gehört. Gleich tönt es bei Silvia Bächli (*1956), die ebenfalls zu den international bekannten Vorzeigefiguren der Szene zählt.
Allerdings würden sich Bächlis filigranen Pinselzeichnungen wohl weniger gut machen auf einer Laterne, die doch in erster Linie illustrativ zu sein hat (auch wenn es immer wieder Beispiele von traditionellen Clique gibt, die hier ganz andere Wege gehen). Das Narrative, Figurative und Plakative, das eine Laterne letztlich haben muss, dürfte entsprechend ein weiterer wichtiger Grund sein, warum zeitgenössische Künstler keine grossen Spuren mehr an der Fasnacht hinterlassen. Viele von ihnen haben sich der abstrakten Kunst verschrieben oder schaffen installative Werke.
Laternen werden heute vornehmlich von Grafikern gemalt, was ihnen für Bächli aber nichts an Wert nimmt. Sie schaue sich die Laternenausstellung am Fasnachtsdienstag gerne an, sagt sie. Aber natürlich gebe es auch Ressentiments gegenüber der Volkskunst Fasnacht, sagen Szenenkenner, die nicht namentlich nicht genannt sein wollen. Die jungen Künstlerinnen und Künstler seien vermehrt international ausgerichtet und scheuten deshalb den klar lokalen Bezug zur Basler Fasnacht.
Auf ein unbekanntes Terrain
Hat Johannes Willi, der nun einen Fasnachtsauftritt als künstlerische Arbeit konzipiert, denn keine entsprechenden Berührungsängste? «Nein, überhaupt nicht», sagt er. «Ich begebe mich als Künstler sehr gerne auf unbekanntes Terrain, auf eine Reise mit ungewissem Ausgang.»
Willi weiss noch nicht, wie sich der Cliquen-Wald präsentieren wird, denn die Mitwirkenden müssen ihre Baum-Kostüme selber zusammenbauen. Auf unbekanntes Terrain begeben sich auch die Cliquenmitglieder, die noch nicht wissen, mit was für Instrumenten sie am Sonntag den Fasnachtsauftakt werden bestreiten müssen.
Er freue sich aber ausserordentlich auf den gemeinsamen Auftritt vom Sonntag, sagt Willi. Und auf die Fasnacht selber. Und auf den Sonntag danach, an dem er zusammen mit der Clique einen spektakulären Schlusspunkt unter die Performance setzen wird. Der ganze Wald soll dann im Rhein versenkt werden. Klingt sehr nach einer Reise in unbekanntes Terrain.
Johannes Willi: «Yypfyffe» am Sonntag, 18. Februar, 19.00 Uhr im Oberlichtsaal der Kunsthalle Basel.