Am Feierabend spielte der Monstermacher im Pub Klavier: Als der vor vier Tagen verstorbene Hansruedi Giger in den Shepperton Studios in London seine Aufgabe bei den Dreharbeiten zu «Alien» 1978 antrat, war die Filmcrew perplex.
Dieser unscheinbare Schweizer mit Wohnsitz Zürich-Oerlikon und einer Vorliebe für Blues und Boogie-Woogie sollte der Schöpfer der «Biomechanoiden» sein, dieser pervers ineinander verkeilten Gebär- und Tötungsmaschinen?
Jemand, der diesen Herren gut kannte, dessen Auftreten so gar nicht auf das seiner Kreaturen schliessen liess, ist Christian Ragni. Er leitet seit 17 Jahren die Galerie Hilt und hat in dieser Zeit mehrere Ausstellungen mit und über H.R. Giger gemacht, die letzte im vergangenen Herbst.
Ultimative Gruseltour
«Er war liebenswert und zurückhaltend», sagt Ragni in einem Gespräch, «fast schüchtern. Bevor ich ihn kennenlernte fragte ich mich: Was muss das für ein Typ sein, der solche Sachen malt? Aber Giger kam ganz in Schwarz und nicht etwa ausgeflippt. Er inszenierte sich nicht. Er war normal und ruhig, dazu sehr professionell in der Vorbereitung der Ausstellung.»
Der grösste Bubentraum des 1940 geborenen Apothekersohns war eine eigene Geisterbahn. Schon als Kind führte er einen Totenkopf auf Rädern durch die Innenstadt Churs spazieren. Mit 38 Jahren ging Gigers Wunsch in Erfüllung: Der britische Regisseur Ridley Scott plante mit «Alien» die ultimative Gruseltour durchs All, und Giger entwarf dazu ein Monster, das nicht schon auf den ersten Blick als Schauspieler in einem Gummianzug zu erkennen sein sollte.
Giger, der Industriedesign studiert hatte und in seinen Airbrush-Bildern selbst die Rückansicht eines Ochsner-Müllwagens ins Freudianisch-Unheimliche verfremden konnte, war dafür genau der Richtige. Seine Kreatur, von Scott als dunkler Schemen gefilmt, war so tödlich und elegant konstruiert wie eine Waffe. Diesem Alien war alles Menschliche fremd, und dennoch trug er humanoide Züge – durch den transparenten Kopf des Monsters grinste ein Schädel.
Ein Symbol seiner Zeit
Giger hat das Vertraute mit dem Fremden zusammengeführt. Und wo seine Kreaturen widerwärtig sind, sind sie zugleich schön und nicht selten erotisch. Dazu kommt die Kreuzung von biologischen und technischen Körperteilen. «All das ist unser Zeitalter», sagt Ragni, «Giger ist ein Symbol für die Zeit seit dem Zweiten Weltkrieg».
Die Alien-Figur war so erfolgreich, dass sie Giger auch anhaftete. Doch er blieb freundlich. Als er davon erfuhr, dass sich jemand sein Konterfei auf den Arm tätowiert hatte, wies er Christian Ragni verschmitzt darauf hin. «Dahinter steckte keine Eitelkeit», sagt Ragni, «er staunte einfach, dass jemand so etwas macht.»