Landhof: Basel sucht den Superpark

Nach dem Volksentscheid, dass der Landhof grün bleiben soll, dreht sich die nächste Auseinandersetzung um seine Neugestaltung. Rund 50 Gestaltungsentwürfe liegen bei der Stadtgärtnerei auf dem Tisch. Im Mai kürt die Jury das Siegerprojekt.

Der Landhof heute. Wie er 2017 aussehen wird, entscheidet sich in den nächsten Wochen und Monaten. (Bild: Patrik Tschudin)

Nach dem Volksentscheid, dass der Landhof grün bleiben soll, dreht sich die nächste Auseinandersetzung um seine Neugestaltung. Rund 50 Gestaltungsentwürfe liegen bei der Stadtgärtnerei auf dem Tisch. Im Mai kürt die Jury das Siegerprojekt.

Der Abstimmungskampf Anfang 2010 um die Initiative «Der Landhof bleibt grün!» tobte laut und zum Teil gehässig. Hier Gesamtregierung, FDP, LDP, SP und der Verband der Wohngenossenschaften, die knapp die Hälfte des Areals überbauen wollten. Dort BastA!, Grüne, CVP, SVP, ein paar Abweichler aus der SP, viele Anwohner und FCB-Fans, die per Initiative das Projekt stoppen wollten. Das Resultat vom 7. März 2010 ist bekannt: Die Initiative gewann, der Landhof bleibt grün.

Wie er grün bleiben soll, das diskutierte eine 25-köpfige von der Stadtgärtnerei ins Leben gerufene Begleitgruppe. Vertreterinnen und Vertreter von Verwaltung, Nachbarschaft, Jugendarbeit, FCB-Umfeld und Initiativkomitee formulierten nicht weniger als 61 Grob-, Haupt- und Teilziele, die der «neue Landhof» erfüllen soll.

Die Ausschreibung für einen ­Projektwettbewerb (siehe Dokument auf der Rückseite dieses Artikels) ging an mehrere Hundert Interessierte. Bis zum Einsendeschluss am 1. März flatterten der Stadtgärtnerei 49 Projekte auf den Tisch. Deren plakatgrosse Präsentationen hängen seit Anfang März an Stellwänden in einer Lagerhalle auf dem Erlenmatt-Areal. Dort wird im Mai – exakte Termine fehlen noch – die 11-köpfige Jury öffentlich jene rund zehn Projekte beurteilen, die die erste, interne Selektion überstehen.

Jurierung als Schauspiel

Dass eine Jury vor Publikum Bauprojekte begutachtet, das gabs in ­Basel noch nie. Zürich kennt die Methode schon länger. Die Stadtgärtnerei hat sich darum von dort entsprechendes Wissen geholt. Die öffentliche Jurierung gleiche «einem Schauspiel. Das Publikum kann zuschauen. Es gibt aber keine Interaktionen», sagt Juryvorsitzender Emanuel Trueb, Leiter der Stadtgärtnerei.

«Wir hatten eine sehr intensive Zeit in der Begleitgruppe, auch mit Auseinandersetzungen», sagt rück­blickend Mirko Ulbl, Jugendarbeiter auf dem Landhof. Aus der Landhof-Nachbarschaft höre er, man solle das Areal doch am besten so lassen, wie es ist, sagt Ulbl. Heinz Käppeli, Präsident des rund 100 Mitglieder zählenden Vereins Landhof, hätte sich mehr Autonomie gewünscht. «Nicht grad wie die Rosenau», präzisiert er, aber mit mehr Selbst­bestimmung und Raum für Eigeninitiative der Bevölkerung.

In der Begleitgruppe sei klar herausgekommen, «dass wir uns von einem Fussballfeld in Normgrösse verabschieden», erinnert sich Urs Leugger, Projektverantwortlicher bei der Stadtgärtnerei. «Es war klar, dass dies kein Ligafeld werden soll», doppelt Jost Müller, Geschäftsführer des WWF Region Basel und Mitglied des Initiativ­komitees «Der Landhof bleibt grün!», nach.

Tribüne abreissen oder nicht?

Das Bau- und Verkehrsdepartement (BVD) favorisiert seit Frühling 2011 die Option «Abriss Tribüne». Als Begründung wird eine Studie des Basler Architekten Michael von Arx vom März 2011 angeführt. Ihr Fazit ist allerdings weniger eindeutig, als der Abriss­entscheid des BVD auf den ersten Blick vermuten lässt. Unter «kurz und bündig» steht am Schluss der Studie zu lesen, Um- oder Neubau der Tribüne sei «mit dem heutigen Informationsstand als kostenneutral» zu bezeichnen. Beide Varianten benötigten also gleich viel Geld. Der Entscheid über «Sanierung, Transformation oder Neubau» sei «aus einer übergeordneten Betrachtungsweise zu fällen».

Emanuel Trueb relativiert den Abbruchantrag an Wessels. Er erklärt ihn damit, dass die Projektleitungsgruppe sich vom BVD das Einverständnis habe holen wollen dafür, dass sowohl ein Abriss, als auch ein Erhalt möglich sei. Der Abriss ist für Trueb­ «naheliegend», er schliesst aber nicht aus, dass er sich von einer anderen Idee überzeugen lassen könnte.

«Unverzichtbares Merkmal»

Für Marco Bretscher, Präsident des Vereins «Vision Landhof», FCB-Fan und Aktiver der Muttenzer Kurve, sind der Abriss der Tribüne und die massive Verkleinerung des Fussballfeldes bestenfalls die zweitbeste ­Lösung. Sein Verein fordert, das Areal des heutigen Fussballstadions Landhof solle weiterhin seinen Charakter behalten, «zu dem die Zuschauer­tribüne als unverzichtbares Merkmal» gehöre.

Prominente Unterstützung erhält diese Position von FCB-Präsident Bernhard Heusler, FCB-Legende Karl Odermatt, unseriliga.ch-Präsident Patrick Frey, SVP-Grossrat Heinrich Ueberwasser, rund 50 weiteren Personen sowie vom Nordwestschweizer Fussballverband, der Muttenzer Kurve und dem Sportmuseum Schweiz.

«Wir geben uns nicht so schnell geschlagen.»
Heinz Käppeli, Verein Landhof

Gregor Dill, Leiter des Sportmuseums Schweiz, würde, wenn er könnte, den ganzen Landhof am liebsten als Ausstellungsstück in seine Sammlung aufnehmen. «Wir engagieren uns für die Dokumentation von Sportkultur in der Schweiz. Der Landhof ist ein sportkulturelles Objekt erster Güte», urteilt Dill. Er würde sich wünschen, «dass ein beträchtlicher Teil erhalten bleibt».

«Dieses Anliegen steht quer zu dem Beschluss, den wir in der Begleitgruppe fassten», gibt WWF-Geschäftsführer Jost Müller zu bedenken. Auch Emanuel Trueb bringt spontan wenig Empathie für den Wunsch nach grösstmöglicher Konservierung des Ist-Zustandes auf. Er leitet den Auftrag für seine Stadtgärtnerei vom Resultat der Volksabstimmung und von der vom Grossen Rat 2011 beschlossenen Umzonung des Gebiets in die Grünzone ab. «Damit haben Volk und Parlament die Richtung vorgegeben.»

Mike Gosteli, Leiter Historische Dienste beim Sportmuseum, kennt die Geschichte des Landhofs wie vermutlich wenig andere. Er arbeitet gerade am dritten Teil einer Art Landhof-Saga für das FCB-Fanzine «FussBâle». «Ich fänds toll, wenn ein Fussballplatz erhalten bliebe, der den Fifa-Normen entspricht. Und es wäre grossartig, wenn es Räume gäbe, in denen die ­Geschichte des Landhofs dokumentiert wird», wünscht sich Gosteli.

Neuer Landhof bis 2017?

Wenn alles nach Plan verläuft, soll der neue Landhof 2017 fertig­gestellt sein, schätzt die Stadtgärtnerei. Emanuel Trueb hofft, dass dereinst die Nachbarschaft den Landhof als «ihren Park und ihren Garten» wahrnimmt und nutzt. «Ich sehe Grosseltern mit ihren Enkeln. Ich sehe abends Sportler ihr Training absolvieren. Ich sehe Teile des Areals, die gemeinschaftlich gestaltet und genutzt werden.»

«Wir schauen mal, was rauskommt», formuliert Heinz Käppeli seine weiterhin wache Skepsis. «Je nachdem müssen wir halt wieder den politischen Weg einschlagen und ­gegen ein Projekt das Referendum ergreifen. Wir geben uns nicht so schnell geschlagen. Wir wollen eine tolle Anlage fürs Kleinbasel!» Fest steht: Die kommenden Wochen und Monate werden entscheidend für das weitere Schicksal des Landhofs.

Mythos Landhof

Die Wurzeln des «Mythos Landhof» reichen mindestens 200 Jahre zurück. Am Ende des 18. Jahrhunderts diente er als Sommerresidenz des konservativen Basler Stadtschreibers Andreas Merian-Iselin. In den Jahrzehnten danach ist der Landhof ein ruhiger Ort an der Stadtgrenze.

Bis zum 12. November 1893. An diesem Tag ruft Roland Geldner per Inserat in der «National-Zeitung» zur Gründung eines Fussballclubs auf. «Drei Tage später gründen elf Fussballverrückte in der Schuhmachern-Zunft den Football-Club ­Basel», schreibt Gosteli im ersten Teil seiner Landhof-Geschichte. Am 26. November 1893 findet bereits ein erster Match auf dem Landhof statt, ermöglicht durch Katharina ­Ehrler-Wittich, die als Besitzerin des Landhofs das Areal zur Verfügung gestellt hatte. Der FCB dankte es ­ihr später mit einer lebenslangen Ehrenmitgliedschaft.

Deutschlands erstes Länderspiel
Am 5. April 1908 spielt die Schweiz gegen Deutschland bei lausigem Wetter auf dem eigens dafür zum «National-Stadion» aufgehübschten Landhof ihr drittes Länderspiel. Für Deutschland ist es das erste überhaupt. Die Schweizer arrangieren sich mit dem plötzlichen Hagelschauer besser als ihre Gegner und gewinnen 5:3.

1916, mitten im Ersten Weltkrieg, ­erlebt der Landhof gar Olympische Spiele. Offiziell waren sie in Berlin geplant. Der Krieg durchkreuzt ­diese Pläne. Stattdessen finden in verschiedenen Ländern dezentrale Anlässe unter dem Titel statt. In ­Basel auf dem Landhof wetteifern am 30. Juli mehr als 130 Athleten vor rund 3000 Zuschauern miteinander.

Demarmels’ Einstandstreffer
Der FCB hielt dem Landhof die Treue bis in die 60er-Jahre. Sein letztes Ligaspiel bestritt er dort am 16. September 1967 gegen «Young Fellows». Otto Demarmels schoss mit einem Fallrückzieher in der 47. Minute sein erstes Goal für den FCB und das Einzige der Begegnung. Das war damit auch der letzte Treffer für den FCB im Landhof.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 29.03.13

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