Luis Palomino gewinnt Gold ohne Gift

Der Kolumbianer erfüllt damit bereits die neuen Auflagen gegen Quecksilber.

(Bild: Oliver Schmieg)

Der Kolumbianer erfüllt damit bereits die neuen Auflagen gegen Quecksilber.

Der kolumbianische Goldschürfer Luis Palomino lebt zurück­gezogen im unzugänglichen Chocó-Urwald in dem kleinen Dorf Playa de Oro. Im Gegensatz zu seinen Kollegen in den umliegenden Gemeinden weigert er sich, in seiner Goldmine das umweltschädliche Quecksilber zu verwenden. Von der Quecksilberkonvention, welche auch die Schweizer ­Umweltministerin Doris Leuthard nächsten Monat in Japan unterzeichnen wird, hat er noch nichts gehört.

Und dennoch könnte Palomino schon bald als Trendsetter für die 147 Nationen gelten, deren Vertreter sich am 10. und 11. Oktober in Kumamoto (Japan) zur Unterzeichnung der Quecksilberkonvention treffen werden.
«Schon vor 50 Jahren habe ich meine Mutter täglich in unsere Mine begleitet. Morgens, kaum angekommen, suchte sie immer erst diese riesigen Balsabaum-Blätter im Urwald», erinnert sich der Goldschürfer.

Zerkleinert und mit Wasser vermischt, wird aus den Blättern eine zähflüssige Masse. Obwohl Palominos Pflanzenextrakt im Gegensatz zu Quecksilber nicht den feinen Goldstaub bindet, sondern stattdessen den feinen Flusssand, ist das Resultat dasselbe: Gold und Sand werden voneinander getrennt.

Wissenschaftlich ist der Pflanzenextrakt bislang noch nicht untersucht worden. Sicher aber ist: Die Methode, die Luis Palomino in seiner Goldmine am San-Juan-Fluss anwendet, belastet die Umwelt nicht. Ohne es zu wissen, erfüllt er somit bereits vor seinem Inkrafttreten das Minamata-Übereinkommen, das die weltweite Verringerung von Quecksilber garantieren soll.

13 Euro pro Tag

Palomino und seine Nachbarn stammen von afrikanischen Sklaven ab, die während des 17. Jahrhunderts von spanischen Konquistadoren gewaltsam nach Südamerika gebracht worden waren. Den Pflanzensaft, der den Einsatz von Quecksilber überflüssig macht, kannten bereits ihre Vorfahren. Allesamt betreiben sie Kleinbergbau, selten schürfen sie pro Tag mehr als ein paar Gramm des Edelmetalles. «An guten Tagen verdiene ich vielleicht 30 000 Pesos (13 Euro)», erklärt Palomino.

Vor Kurzem hat Palomino eine Nachbarschaftsinitiative ins Leben gerufen. Während der Wochenenden wechseln sich der Goldschürfer und einige seiner Kollegen aus Playa de Oro ab, um in den nahegelegenen Dörfern über die schädlichen und gefährlichen Auswirkungen von Quecksilber aufzuklären. Ihr Anliegen ist es, anderen Goldgräbern die Herstellung des Pflanzenextraktes beizubringen, da die meisten ihrer jungen Kollegen die Vorzüge nicht kennen.

Palominos Bemühungen sind bereits erfolgreich: Codechoco, die regionale autonome Genossenschaft für die nachhaltige Entwicklung Chocós, ist sich mittlerweile der Konsequenzen bewusst geworden, die der Einsatz von Quecksilber in Hunderten Goldminen im Bundesland Chocó mit sich bringt. Codechoco und die Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung (Unido) entwickeln für die örtlichen Goldschürfer im Augenblick ein Programm, welches künftig für einen Bergbau ohne Quecksilber werben soll.

Palomino hofft, dass sein uraltes Wissen nicht verloren geht.

Sollte es Codechoco und Unido gelingen, die Verwendung von Quecksilber in den örtlichen Minen zu reduzieren, so könnte Chocós Gold langfristig als Fairtrade-Produkt angeboten werden. Das Edelmetall aus einer der ärmsten Regionen Kolumbiens würde dann zu einem Preis gehandelt werden, der rund 15 Prozent über den Werten der internationalen Edelmetall-Börsen liegt.

Für Luis Palomino ist das gemeinschaftliche Vorgehen von Codechoco und Unido ein positiver Anfang. Darüber hinaus hofft der Goldschürfer jedoch auch, dass sein jahrhundertealtes Wissen nicht verloren geht. Seine eigenen Kinder haben dem Bergbau schon vor Jahren den Rücken gekehrt. Allesamt haben sie auf Lehramt studiert und arbeiten heute an verschiedenen Schulen in Bogotá, Pereira und Cali.

Dass aber ausgerechnet ihr rühriger Vater, der in seinem eigenen Leben nicht die Möglichkeit zum Studieren hatte, einst zum Vorreiter internationaler Umweltschutz-Abkommen werden könnte, damit haben sie sicherlich nicht gerechnet.

Die Schweiz ist führend im Kampf gegen QuecksilbermissbrauchUmweltministerin Doris Leuthard unterzeichnet dieser Tage in Kumamoto (Japan) die internationale Quecksilber-Konvention, welche die Freisetzung des hochgiftigen Schwermetalls weltweit verringern soll. Die Schweiz wird das vorläufige Sekretariat der Konvention mit einer Million Franken unterstützen, damit diese rasch umgesetzt werden ­könne, so der Bundesrat.Die Schweiz hatte sich – zusammen mit Norwegen – massgeblich für das Zustandekommen der Konvention eingesetzt. Die Verhandlungen konnten im vergangenen Januar in Genf erfolgreich abgeschlossen werden. Rund 147 Staaten werden die Minamata-Konvention unterzeichnen.Benannt ist die Quecksilber-Konvention nach der japanischen Stadt ­Minamata, wo ab den 1940er-Jahren eine schwere Quecksilberkontamination zahlreiche Opfer forderte.Quecksilber, das vor allem auch im Goldabbau verwendet wird, ist ein hochgiftiges, gesundheits- und umweltschädigendes Schwermetall. Es reichert sich im Organismus an und kann insbesondere das Nerven- und das Immunsystem schädigen und die Fortpflanzung stören. Die Minamata-Konvention schränkt die Produktion von Quecksilber und dessen Verwendung bei der Herstellung von Produkten und in industriellen Prozessen ein. Die Unterzeichnerstaaten dürfen keine neuen Quecksilberminen in Betrieb nehmen. Quecksilberhaltige Produkte werden verboten, sofern eine Alternative zur Verfügung steht. Weiter regelt die Konvention die Lagerung und Behandlung von quecksilber­haltigen Abfällen.

Artikelgeschichte

Erschienen in der Wochenausgabe der TagesWoche vom 11.10.13

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