Eigentlich haben wir hierzulande alles, dennoch kann man uns noch mehr verkaufen; aber Sammeln hat eben Tradition.
Wer heutzutage hierzulande noch etwas verkaufen möchte, der muss ein Bedürfnis schaffen. Herausragendes Beispiel dafür: die Armbanduhr.
Früher gab es eine zur Konfirmation, damit man immer pünktlich kam, und das wars. Heute lassen sich die Leute nicht mehr unbedingt konfirmieren, Uhren haben sie aber trotzdem, und zwar jede Menge. Diese besitzen sie nicht, um von ihnen die Zeit abzulesen, denn dafür haben sie schliesslich ein Natel respektive Smartphone. (Und kommen dennoch zu spät, denn sie können ja anrufen und Bescheid geben.)
Trotzdem stützt die Armbanduhr die Schweizer Wirtschaft ganz ungemein. Es gibt zwei Ausrichtungen, die friedlich koexistieren, sich aber auch ein wenig anstacheln: Uhren dienen als modisches oder als Qualitätsstatussymbol, die im Falle eines Falles auch noch die Zeit anzeigen könnten, je nach Uhr auch noch das Datum und die Mondphase.
Während der einzige teure Zeitmesser gewissermassen mit dem Träger zu einer Einheit verschmolz, weil er sie wegen Mangel an Alternativen wie seine Nase jeden Tag tragen musste, zeigt die grüne Uhr, die am Montag das rote Outfit ergänzt: «Ich bin nicht zufällig hier, der Mensch, der mich trägt, hat Geschmack oder zieht sich zumindest mit Bedacht an!» Sobald die Uhr ihr modisches Eigenleben entwickelt hatte, konnte man sich zurücklehnen und die Sache einfach laufen lassen. Denn was mit Modemenschen funktioniert, funktioniert auch mit Anzugsträgern, auch wenn diese oftmals mehr auf Komplikationen als auf Farbe setzen.
Dinge in grosser Zahl zu besitzen ruft in uns Menschen anscheinend grosse Glücksgefühle hervor, umso mehr, wenn sie nicht nur schön anzusehen sind, sondern auch noch eine Funktion haben – ganz egal, ob man diese nun wirklich braucht oder nicht.
- Wunderbar farbige Zeitmesser von Swatch, 50 bis 200 Franken; www.swatch.ch
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Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 13.07.12