Menschliche Abgründe

Im Streit zwischen Komiker Massimo Rocchi und Musiker David Klein geht es im Kern nicht um juristische Dinge. Sondern darum, wie böse Menschen sein können.

Massimo Rocchi und sein Kritiker David Klein: Unbedacht geäusserte Worte machen nun die Staatsanwaltschaft hellhörig. (Bild: Nils Fisch)

Im Streit zwischen Komiker Massimo Rocchi und Musiker David Klein geht es im Kern nicht um juristische Dinge. Sondern darum, wie böse Menschen sein können.

Mani Matter hat zur Causa Rocchi/Klein bereits 1972 alles gesagt, was es zu sagen gibt. In «Schimpfwörter sy Glückssach» sang der Berner Troubadour:

«E Löu, e blöde Siech, e Glünggi un e Sürmu
hei einisch zäme Krach gha, es risegrosses Gstürm, wüu
dr Glünggi het zum Löu gseit, är syg e blöde Siech
und dä isch sofort zum Sürmu, was ja o nid jede miech.»

Der Song endet blutig. Und passt auch darum so gut zum Streit zwischen dem Komiker Massimo Rocchi und dem Basler Musiker David Klein im Jahr 2014. Was in den 70er-Jahren die gepflegte Wirtshausschlägerei war, wird heute mit Vorliebe vor Gericht ausgetragen.

Dass die von Matter gewählten Bezeichnungen der streitenden Protagonisten dabei eher noch vornehm sind, wird klar, wenn man sich noch einmal vor Augen führt, was Rocchi und Klein tatsächlich gesagt und geschrieben haben. 

Bei Rocchi dauert der Aussetzer exakt 21 Sekunden. In der Sendung «Sternstunde Philosophie» vom März 2013 sagte er wörtlich (und genau so wirr): «Das ist also bei Freud sehr nah … Ich entschuldige mich, aber ich sage das, an jüdischem Humor gibt es immer Zinsen, die verdienen will. Der Jude macht oft Humor, um zu zeigen, dass er Jude ist und dass er Humor hat und dass er nah Gott ist. Der Komiker nicht. Der Komiker will nicht gewinnen, der Komiker.»

 

Juden als geldgierige Zinseintreiber. Fehlt nur noch die Weltverschwörung. In der gleichen Sendung freut sich Rocchi, dass ausgerechnet Hitler ebenfalls Fan von Clown Grock war, Rocchis grossem Vorbild. Die beiden Passagen lassen erahnen, wie tief ­Rocchis Abgründe sein könnten.

Die Aussetzer des Wahlbaslers wurden von der Form des Gesprächs ­begünstigt. Die «Sternstunde Philosophie» will per se gescheit sein. Wer in diese Sendung (von der BaZ böse «Sternstunde Idiotie» genannt) eingeladen wird, der muss schlau und eloquent und ganz, ganz tiefgründig wirken – koste es, was es wolle. Wer diesen Anforderungen nicht genügt, der redet sich um Kopf und Kragen. Schwebt mit seinen Sätzen irgendwo, wo er nicht sein sollte. Und dort oben, mit der eigenen Überforderung konfrontiert, fallen jene Grenzen, die im Normalfall dafür sorgen, dass man ohne Scherereien durch den Alltag kommt.

Rocchi sah man in der Sendung an, wie schlau er wirken wollte. Er war nicht in seiner Rolle als Komiker im Fernsehen, sondern in seiner Rolle als Intellektueller. Wahrscheinlich merkte er selber gar nicht, wie viel er da von sich offenbarte, das er lieber für sich behalten hätte.

Origineller Beleidiger

Bei Rocchis Antagonisten, dem Jazz-Musiker David Klein, ist der Fall viel einfacher. Klein macht sich gar nicht erst die Mühe, seinen Hass mit irgendwelchen gesellschaftlichen Konventionen zu verbergen. Klein teilt seine Abgründe mit jedem, der sie hören möchte. Und entwickelt dabei eine beinahe originelle Fantasie, wenn es um Beleidigungen geht.

Nachdem ein älterer Musiker, ein Freund der Familie notabene, einen Artikel von BaZ-Reporter Michael Bahnerth gelobt hatte, schrieb ihm Klein via Facebook: «Naja, du bist nicht mal ein guter Saxofonspieler, sondern lediglich ein alter dementer Trottel, der ausser ­niveaulosen Beleidigungen und Schleimschmeicheleien in Richtung Bahnerth überhaupt nichts zu melden hat. Wenn du deinen Kopf aus Bahnerths Arsch gezogen hast, kannst du dir ja mal überlegen, welcher Durchfall als nächstes aus deiner runzligen Fresse kommen soll.»

Das ist etwa der Ton, den David Klein anschlägt. Noch vergangenen Sonntag wurde Klein als Held gefeiert, als mutiger Ankläger eines mutmasslichen Antisemiten. Jeder, der zu diesem Zeitpunkt bereits einmal mit dem Basler Musiker zu tun hatte (und die Redaktion der TagesWoche gehört auch dazu), der wusste: Lange wird das nicht gut gehen.

«Muslime, die Nazis von heute»

Prompt wurde in den Kommentaren auf tageswoche.ch auf die Facebook-Seite von Klein hingewiesen, danach sahen sich «20 Minuten» und Tele Züri die Seite an und erschraken. Wenn Klein nicht über befreundete Saxofonspieler herzieht, lässt er sich am liebsten über Muslime und Araber im Allgemeinen aus. «Muslime sind die Nazis von heute», schrieb Klein auf seiner Facebook-Seite, die in der Zwischenzeit nicht mehr erreichbar ist. Und das war nur ein Bruchteil seines offenen Hasses gegen alles Arabische (und das meiste Deutsche). Seitenlange rassistische Tiraden, in der Essenz nicht besser als die antisemitischen Äusserungen von Rocchi in der «Sternstunde».

In der Zwischenzeit hat auch David Klein ein Strafverfahren am Hals. Die Basler Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts auf Rassendiskriminierung, ein Offizialdelikt. Klein zeigt Rocchi an, die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Klein, alle schön im Kreis.

«U dr Sürmu u dr Glünggi u dr Löu u dr blöd Siech
hei di ganzi Nacht lang gschleglet
bis am andere morge früech.»

Dann sind sie aufgewacht. Verprügelt oder verklagt. Und waren immer noch e Sürmu, e Glünggi, e Löu und e blöde Siech.

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Was bisher geschah in der Humordebatte: Hier und auf Storify.

Quellen

Eine Zusammenfassung der bisherigen Ereignisse auf Storify

Artikelgeschichte

Erschienen in der Wochenausgabe der TagesWoche vom 24.01.14

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