Messeturm hat als Wahrzeichen ausgedient

Auf dem Messeplatz sieht man nur noch wenig vom Messeturm. Jetzt dominiert der Neubau.

Einzige Lichtquelle unter dem noch unfertigen Mittelteil des Messezentrums am Messeplatz ist derzeit noch der Lichthof. (Bild: Nils Fisch)

Auf dem Messeplatz sieht man nur noch wenig vom Messeturm. Jetzt dominiert der Neubau.

Über Baulärm kann sich derzeit niemand mehr beklagen: Die erste Bauetappe des Neubaus am Messeplatz ist abgeschlossen, die Bagger sind abgezogen – und erstmals seit Baubeginn wird das Ausmass sichtbar. Erstmals kann man sich wirklich vorstellen, wie es wird, wenn das Messezentrum dann mal steht.

Zwar befindet sich die Fassade des neuen Gebäudes noch im Rohbau und die Hallen links und rechts wurden noch nicht abgerissen und neu gebaut. Doch das umstrittene Mittelstück des künftigen Messezentrums, eben dieser Passerellen-Neubau auf dem Platz, steht jetzt. In voller Grösse, in voller Wucht. Das passt nicht allen.

«Koloss und Barriere»

«Ich habe vor Baubeginn allen gesagt, sie sollen sich den Messeplatz nochmals anschauen, bevor die Barriere kommt», sagt Hans-Peter Ebneter vom Neutralen Quartierverein Oberes Kleinbasel. Die Bezeichnung «Barriere» stammt von den einstigen Gegnern des Neubaus. Sie kämpften gegen das Projekt, indem sie argumentierten, der geplante «Koloss» würde die Stadt entzweien und die Achse zwischen Claraplatz und Badischem Bahnhof durchbrechen.

Das Stimmvolk konnten sie nicht überzeugen: Über sechzig Prozent der Basler sprachen sich 2008 für das 430-Millionen-Messeprojekt aus.

Turm verschwindet immer mehr

Die Messe Schweiz betonte stets die Wichtigkeit des Standortes Basel. Diese wurde erkannt, das Geld gesprochen. Im Frühling kommenden Jahres soll das Messezentrum fertig sein. Hell, modern, urban. Einen Eindruck von dieser Modernität gibt jetzt schon der Lichthof mit dreissig Metern Durchmesser in der Mitte des Gebäudes. Der Rest aber, der ist düster.

«Unfreundlich», wie etliche Passanten finden. Und «unheimlich». Es herrscht Tiefgaragenstimmung unter dem Bau. Noch. Wenn das Lichtkonzept dann aber zur Anwendung kommt und die Fassade in Aluminum gekleidet ist, kann sich die Stadt mit einem weiteren Werk ihrer Stars Herzog & de Meuron schmücken – so das Ziel der Verantwortlichen.

Etwas aber wird sich nie mehr ändern: Der Messeturm, das seit bald zehn Jahren vielbeschworene zweite Wahrzeichen neben dem Münster, hat in dieser Funktion ausgedient. Von weitem her ragt der Turm zwar noch aus dem Stadtbild heraus; im Umfeld der Messe aber, da geht er unter. Kommt man vom Claraplatz her, verschwindet er mit jedem Schritt zur Messe hin mehr und mehr. Am Ende sind noch das Parterre und die obersten Stockwerke sichtbar.

Neues Wahrzeichen Claraturm

Besonders weh tut das dem Architekten Meinrad Morger. Er hat den Turm seinerzeit gemeinsam mit zwei anderen Architekten gebaut – und lange vor der Volksabstimmung zum Messezentrum zu bedenken gegeben, dass der Messeplatz und der Blick auf den Turm durch den Neubau zerstört würden. Morger sprach von einer Katastrophe. Jetzt, einige Jahre und eine Bauetappe später, hat er sich mit dem Volkswillen und dem Neubau abgefunden.

Zwar sei es schade, dass der Messeturm nicht mehr die «städtebauliche Brillanz» aufweise, aber: «Jetzt gilt es vorauszuschauen.» Zum Vorausschauen gehört ein weiteres Projekt von Morgers Architekturbüro: der Claraturm, der am Riehenring gebaut und zu einem neuen Wahrzeichen werden soll.

Aber nicht alle früheren Gegner des Neubaus haben sich durch die Tatsache, dass dieser nicht verhindert werden konnte, besänftigen lassen. Grossrätin Brigitta Gerber (Grünes Bündnis) etwa fühlt sich in ihren Befürchtungen bestätigt: «Ich habe damals gesagt: Es ist eine städtebauliche Absurdität, mitten in der Stadt einen Riegel zu bauen – und ich sage das auch heute noch.» Mit der Bahnbrücke beim Badischen Bahnhof seien Riehen und das Basler Hirzbrunnen-Quartier ohnehin schon von der Stadt abgeschnitten – jetzt seien sie es gleich doppelt. «Und das für ein Gebäude, das längst nicht das ganze Jahr ausgelastet sein wird, sondern nur während den grossen Messen.»

Fassade als Spiegel für Himmel

Eine dieser Messen ist die Uhren- und Schmuckmesse Baselworld, die im März stattfinden wird und zusammen mit der bereits beendeten Swissbau der Grund dafür ist, dass Bagger und Krane vor knapp einem Monat vom Messeplatz verschwunden sind.

Die treuen Baselworld-Besucher werden den neu bebauten Platz auf den ersten Blick vielleicht nicht wiedererkennen. Noch bietet sich ihnen mit dem roten Kopfbau der Halle 1 nebst der grossen Uhr und dem Messeturm ein anderer vertrauter Fixpunkt – allerdings zum letzten Mal: Nach der Schmuckmesse wird der rote Bau zugunsten des Messezentrums abgebrochen. Dasselbe gilt für die Halle 3 auf der anderen Seite des Platzes. Die Urbanität ruft.

Noch ist es also längst nicht so, wie es sein wird. Das sagen auch Passanten und Anwohner, die hoffen, dass das Messezentrum mit zunehmender Bauzeit an Charme gewinnen wird. Von Charme kann bisher keine Rede sein. Peter Winiker, Präsident IG Kleinbasel, ist überzeugt, dass sich das ändern wird. «Wenn sich der Himmel dann in der Fassade spiegelt, hat der Bau nicht mehr eine solche Dominanz.»

Die Verantwortlichen haben ein Jahr Zeit, um die auf den Modellbildern versprochene Leichtigkeit hinzubekommen. Im April fahren erneut die Bagger auf – dann ist der Ort wieder, wonach er aussieht: eine Baustelle.

Quellen

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 03.02.12

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