Mit dem Velo über den Gotthard

Der Weg geht in die Beine, aber auf der anderen Seite des Passes wartet ein Wochenende im Süden mit all seinen Freuden.

Das schüttelt den Bizeps: Kopfsteinpflaster auf der alten Passstrasse.

Auf der alten Steinbrücke von Giornico begegnen sich zwei Welten. Wer zurück nach Norden blickt, sieht Granitfelsen, Nadelwälder, am Horizont das Gotthard-Massiv.

Ganz anders in Richtung Süden: Zwar ist der Lago Maggiore noch 40 Kilometer entfernt, doch Weinreben, Kastanienbäume und Oleander zeugen davon, dass hier das mediterrane Tessin beginnt.

Noch eine Stunde vorher haben wir als Hobby-Radler am Gotthard geschwitzt. Die 600 Höhenmeter von Andermatt bis zur Passhöhe sind kein Zuckerschlecken, doch seit mir ein Freund von einem Lehrer erzählt hatte, der die Überfahrt mit 13-jährigen Schülern bewältigte, gab es für mich keine Ausrede mehr.

Siegerfoto beim Hospiz

Ob die Schulklasse wohl auch auf der alten Passstrasse unterwegs war, auf der das Kopfsteinpflaster gnadenlos den Bizeps schlottern lässt? So schnell wie möglich kehren wir zurück auf die gut ausgebaute neue Strasse, erdulden Wohnmobile und Motorräder, und geniessen nach dem obligaten Siegerfoto beim Hospiz die Abfahrt auf den Serpentinen hinunter in die Leventina.

Acht Stunden soll das erste Automobil gebraucht haben, um von der Passhöhe heil ins Tal zu kommen (die Bremsbeläge waren nach wenigen Minuten verbrannt). Wir sind in 30 Minuten unten, die Bremsen halten.

Kurz nach Giornico kreuzen wir das gigantische Biaschina-Viadukt, mit seinen 100 Meter hohen Betonpfeilern das markanteste Bauwerk der Gotthard-Autobahn. 20’000 Fahrzeuge donnern jeden Tag über diese Brücke, wenn sich der Verkehr nicht gerade staut. Um nichts in der Welt würden wir tauschen.

Imposant: das gigantische Biaschina-Viadukt.

Das Endorphin ist unser Rückenwind: Bis Bellinzona geht es nun stets leicht bergab, während die Vorfreude auf drei Tage «italianità» mit jeder Pedalumdrehung steigt.

Unser Ziel erreichen wir am nächsten Tag. Da wir den Lago Maggiore im Uhrzeigersinn umrunden, liegt das funkelnde Wasser direkt zu unserer Rechten. Einen Velostreifen gibt es auf der schmalen Küstenstrasse nicht, doch allen Prognosen zum Trotz bleiben die Automobilisti brav auf Distanz.

Orte wie Maccagno, Luino oder Laveno locken mit schattigen Uferpromenaden, netten Cafés und prächtigen Villen, von deren terrakottafarbenen Fassaden der Verputz bröckelt. Herz, was willst du mehr?

Die Belohnung: das funkelnde Wasser des Südens.

Vielleicht geistige Erbauung. Die finden wir am dritten Reisetag im Kloster Santa Caterina del Sasso, das sich spektakulär an einen schroffen Felsen am Seeufer schmiegt. Erreichbar ist der Wallfahrtsort nur per Schiff oder über 168 Treppenstufen – jetzt spüren wir die Beine, und der Lift hoch zur Strasse ist uns den verlangten Euro wert.

Auch den südlichsten Seezipfel schenken wir uns – viel netter ist es, mit der Fähre von Angera nach Arona überzusetzen und dort bei einem Gelato auf der Piazza del Popolo das bunte Treiben zu beobachten.

Von nun an geht es in Richtung Norden, den glitzernden See weiterhin direkt zur Rechten. Die Strecke ist fast flach; wer trotzdem genug hat, steigt im Kurort Stresa in den Zug und ist via Brig in gut drei Stunden in Basel. Wir folgen dem Langensee bis nach Locarno, wo wir die Tour nach 240 Kilometern mit einem Espresso unter den Arkaden der Piazza Grande abschliessen.

Baden:
 Kleine (Kies-) Strände findet man am  Lago Maggiore fast überall, z.B. vor Cannero.
Beten:: Wallfahrtskirche Santa Caterina del Sasso.
Bleiben:  L’Angolo Dei Pescatori ist ein nettes Hotel am Hafen von Cerro.

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