Sie wollten schon immer mal an einer Weinprobe teilnehmen, haben aber von Wein keine Ahnung? Wir haben uns von einer Sommelière erklären lassen, wie degustieren geht. Gute Tipps zum guten Tropfen gab es obendrauf.
Um einen Wein zu beurteilen, muss man bei einer Degustation eigentlich nur drei Dinge tun. Das Prädikat «gut» spiele erst einmal keine Rolle, sagt die Sommelière – zu Deutsch: Weinkellnerin – Faye Koehler und entkorkt die erste Flasche.
Als Teil der Schweizer Weintage hielt Koehler in der neu eingerichteten «Kochnische» der Markthalle am Freitag einen Crashkurs zum Degustieren. Weine degustieren ist gar nicht so schwer, das will sie auch Laien nahebringen. Ein Dutzend Teilnehmer durften mit ihr ins Glas schauen und sich zeigen lassen, wie Degustieren geht.
Viel Einleitung brauchte es dazu nicht. Zunächst gab es einen Apéro-Wein, dann ging es los mit Schauen, Schwenken, Schnuppern, Schlürfen. Gute Tipps gab es nebenher auch.
Lektion eins: Schauen
Getrunken wird bei einer Degustation erst einmal gar nicht viel. Dafür wird geschaut. Wie sieht der Wein aus? Hell? Wässrig? Ölig? Jede Degustation beginnt mit Augenschein. Dazu hält man das Glas leicht schräg und am besten gegen eine helle Fläche wie das Tischtuch. Das verrät schon einmal einiges über den Wein. Wichtig ist die durchscheinende Flüssigkeit am Rande des Glases. Anhand des Farbtons kann man zum Beispiel einschätzen, wie alt ein Wein ist.
Das Glas schräg und gegen eine helle Oberfläche halten: so stellt man fest, welche Farbe ein Wein hat. (Bild: Daniela Gschweng)
«Junger Wein ist meist wässriger und durchscheinender. Junger Rotwein hat einen eher violetten bis bläulichen Farbton», erklärt Koehler. Der Ton wird gelblicher, wenn der Wein altert. Reifer Wein ist Granat- oder Ziegelrot und wird mit zunehmendem Alter bräunlich. «Natürlich gibt es auch Unterschiede in den Sorten», erklärt die Sommelière: «ein Merlot hat eine kräftige Farbe, ein Pinot Noir ist heller».
Weisswein ist anfangs blassgelb mit einem Stich ins Graue oder Grüne und wird dann zunehmend Goldgelb bis Orange. Rosé ist anfangs hellrosa, später lachsrot. Trüb oder bräunlich sollte der Wein, von ein paar speziellen Ausnahmen abgesehen, nicht sein.
Lektion zwei: Schwenken und Schnuppern
Soweit zum Aussehen, als nächstes ist die Nase dran. Guter Wein riecht gut. Allerdings nicht so, wie man sich «gut» sonst so vorstellt. Um den Geruch richtig wahrzunehmen, wird das Glas geschwenkt. Nicht nur ein wenig, sondern so, dass das es von innen richtig benetzt wird. Ungeübte stellen das Glas dazu am besten ab und machen ein paar Kreiselbewegungen. Dadurch verbinden sich die Weinmoleküle mit der Luft und man kann die Nase anschliessend buchstäblich tief ins Glas stecken.
Normalerweise kommen in einem Bouquet mehrere Geruchsnoten zusammen, erklärt Koehler. Die Hauptgeruchstypen sind holzig, fruchtig und erdig. Dabei gebe es durchaus exotische Komponenten. Riesling zum Beispiel rieche charakteristisch nach Petroleum.
Eine wichtige Rolle bei der Degustation spielt die Nase. Die darf man da schon mal tief ins Glas stecken. (Bild: Daniela Gschweng)
Das Bouquet eines Weines ist das, was Anfängern am meisten Schwierigkeiten macht. Es stellt sich als unerwartet knifflig heraus, es festzustellen. Der junge Weisse im Glas, sind sich die Laien-Koster nach Schwenken und Schnüffeln einig, riecht fruchtig. Aber wie genau fruchtig? Und nur fruchtig?
Das, so Faye Koehler, sei ganz normal. Pfeffer, Zitrone und noch ein paar andere Noten stellt sie fest und erklärt, warum das so schwierig ist. «Wenn die Riechzentren im Gehirn aktiv sind, sind die für Sprache inaktiv». Sommeliers müssten lange üben, bis sie einem Geruch unter anderen erkennen und die passende Bezeichnung zuordnen können. Sie demonstriert das mit einigen Riechkonzentraten, mit denen Sommeliers das lernen. Den Geruch kennt man, aber was ist das nochmal? Pfirsich? Erdbeer? Bubble-Gum? Oder doch irgendein Blütenduft? Hilfreich ist dabei ein kleines «Periodensystem der Wein-Aromen», das Faye Koehler mitgebracht hat.
Wo der Wein gewachsen ist, kann man schmecken
Begleitet wird jeder Wein von einer Beschreibung der Rebsorte und des Anbaugebiets. Das ist wichtig, denn es hat Einfluss auf den Geschmack. Falls man nicht unbedingt Hobbygeologe ist oder eben Sommelier, sollte man zuhören. «Chardonnay ist nicht gleich Chardonnay», sagt die Fachfrau. «Den Boden, auf dem ein Wein gewachsen ist, kann man schmecken». Lehmböden zum Beispiel schmecken leicht mineralisch.
Währenddessen geht die zweite Flasche an den Start, ein Kerner aus dem Fricktal. «Ein Kellnerkorkenzieher reicht zum Öffnen vollkommen aus», sagt die Sommelière. Nur ein Messer sollte dran sein, um das Plastik am Flaschenhals zu entfernen, wenn nicht ohnehin ein Bändchen dran ist. «Korkenzieher mit Flügelchen, Pressluft und ähnliche Spielereien sind nur Show.»
Tipps von der Fachfrau: «Ein Kellnerkorkenzieher reicht vollkommen aus», sagt Faye Koehler. (Bild: Daniela Gschweng)
«Wie viel vom Plastik man entfernt, ist Geschmackssache», kommentiert Koehler und gibt dazu einen Profi-Tipp: «Legt man den ganzen Flaschenhals frei, sollte man ein Handtuch zur Hand haben.» Der Flaschenhals unter der Hülle sei nämlich meistens schmutzig. Und beim Öffnen bitte den Korkenzieher drehen, nicht die Flasche.
Plastik- oder Drehverschlüsse, fügt sie hinzu, seien übrigens kein Zeichen für einen minderwertigen Wein. Bei einem jungen Wein, der ungefähr zwei bis drei Jahre alt sei und nicht gelagert werden solle, spiele das keine Rolle.
Lektion drei: Geschmack, Aroma und Mundgefühl
Anschliessend wird doch endlich getrunken, oder besser: geschlürft. Das seltsame Geräusch, das dabei entsteht, ist meistens das erste, was einem zum Thema Degustation einfällt.
«Wir Sommeliers machen das nicht, weil es besonders cool wirkt», so Koehler. Das Schlürfen habe den gleichen Zweck wie das Schwenken im Glas. Die Aromen werden besser wahrgenommen.
Und so geht es: Man nimmt einen kleinen Schluck aus dem Weinglas, formt mit der Zungenspitze ein kleines «V» und saugt etwas Luft ein. Das schlürfende Geräusch, das dadurch entsteht, mutet schon etwas seltsam an. Aber man schmeckt tatsächlich viel besser. Die Melone, von der eben die Rede war, zum Beispiel. Und war das andere nicht so etwas wie Zitronengras?
Schmecken tut man mit der Nase
Schmecken, erklärt die Fachfrau, könne man vor allem mit der Nase. Mehr als süss, salzig, bitter, sauer und umami (fleischig) schmeckt man mit der Zunge nicht. Was man auch mit einer heftigen Erkältung noch mitbekommt, wie metallisch, samtig, süss heisst bei den Sommeliers Mundgefühl. Alles andere heisst Aroma. Eine Kopf- und Basisnote wie bei Parfüm gibt es beim Wein nicht.
Schwer hätten es beim Schmecken die Raucher, weiss Koehler zu berichten. Schlimmer als eine Schachtel Zigaretten sei für das Geschmacksempfinden aber eine Dose Red Bull. «Das hat so viel Säure, dass es den Geschmack nachhaltig beschädigen kann», sagt sie. Es gebe aber, sagt sie, Sommeliers, die rauchen.
Spucken erlaubt
Einen Wein ausspucken oder den Rest im Glas wegschütten darf bei einer Degustation übrigens jeder. «Die meisten Leute genieren sich anfangs», sagt Faye Koehler. «Täte ich selbst das nicht, wäre ich nach einem Arbeitstag mit 25 Weinen hinüber».
Ausspucken hat sich von den Teilnehmern bisher noch keiner getraut. Mit dem Resultat, dass der Kopf nach dem dritten Weissen auch bei winzigen Schlucken langsam etwas leichter wird. Dabei kommen die schweren Weine erst noch. So zumindest ist eine Degustation normalerweise aufgebaut. Sie beginnt mit den leichten Weinen und endet mit den schweren. Zu Beginn zum Beispiel die leichten Weissen, zum Schluss die üppigen Roten.
Keine Angst vor der Weinkarte
Als nächstes gibt es Rosé – womit wir beim Essen sind. Dass Rosé zu nichts passe, sei Blödsinn, sagt die ehemalige Köchin. Dass man zu Fisch und Käse nur Weisswein trinken soll, ebenfalls. Als Faustregel gelte: kräftiger Wein zu kräftigen Gerichten und umgekehrt. Da passe also auch ein Bordeaux zum Raclette.
Ein guter Rat sei es, zum Essen einen Wein aus der passenden Region zu bestellen, also italienischen Wein zu italienischem Essen. Und keine Scheu vor der Karte zu haben. «Mit einer dreissigseitigen Weinkarte ist auch ein Sommelier überfordert», versichert sie. «Wer nicht weiss, was er bestellen soll, fragt einfach das Personal. Jeder gute Koch sollte seine Weine kennen und wissen, was wozu passt».
Einen Tipp aus der Praxis gibt die ehemalige Köchin auch: «Bestellen Sie nie den zweitgünstigste Wein auf der Karte. Das ist in der Regel derjenige, auf dem die grösste Marge ist», sagt sie und grinst. «Und achten Sie darauf, ob die Jahrgänge in der Karte auch die auf der Flasche sind.» Dass man einen Wein, der einem nicht schmeckt, zurückgehen lassen könne, sei übrigens selbstverständlich.
«Schlechten Wein gibt es nicht»
Alles schön und gut, aber was ist denn nun ein «guter» Wein? Darauf will sich die Fachfrau nicht festlegen. «Schlechten Wein gibt es nicht», ist ihre Devise. Wer im Laden einen Wein mit den Herkunftsbezeichnungen DOC, IGT oder AOP kaufe habe auf jeden Fall schon mal einen Qualitätswein in der Hand und mache nichts falsch, sagt sie dann aber doch. Umgekehrt heisse das aber nicht, dass ein Landwein nicht gut sein könne.
Mit dem Preis habe Qualität nicht unbedingt zu tun. «Ich habe in meiner Karriere schon sehr teure Weine getrunken, die ich nicht besonders fand», gibt sie zu. Entscheidend sei, was einem schmeckt.
Verbrauchern rät sie zu mehr Selbstbewusstsein. Manches, was bei Messen und gesellschaftlichen Anlässen zum Thema Wein geäussert werde, sei nur Aufschneiderei. «Da verdrehen wir Sommeliers schon mal innerlich die Augen», sagt sie. «Wenn ihr Lieblingswein ein Discounterwein für 5 Franken ist, freuen Sie sich und geniessen Sie ihn.» Wie Sie ihn fachmännisch kosten können, wissen Sie nun ja.