«Mit Flip-Flops steigt mir niemand auf die Leiter»

Kirschenpflücken ist kein gefahrloser Job. Der Baselbieter Bauer Arnold Bitterlin weiss das aus eigener Erfahrung.

Arnold Bitterlin pflegt mit dem Kirschenanbau eine Norwestschweizer Tradition. (Bild: Nils Fisch)

Kirschenpflücken ist kein gefahrloser Job. Der Baselbieter Bauer Arnold Bitterlin weiss das aus eigener Erfahrung.

Seit letzter Woche sind die Bitterlins aus Rünenberg am Kirschenpflücken, um einiges später als sonst. Wäre das Wetter dieses Jahr nicht so mies gewesen, wäre die Hälfte ihres Kirschbaumbestandes schon abgelesen. Neunzig Bäume sind es, schätzt Arnold Bitterlin. Viel mehr Sorgen als die zwei, drei Wochen Verspätung bereitet ihm aber die Ernte selbst.

Der Ertrag sei viel kleiner und qualitativ schlechter als sonst, sagt er. «In besseren Jahren haben wir etwa 1500 Kilo Tafel- und 3000 Kilo Brennchirsi», heuer müssten sie sich wohl mit etwa einem Drittel begnügen. Zudem seien viele Tafelkirschen so angeschlagen, dass man sie nur noch zum Schnapsbrennen verwenden könne.

Ein grosses Geschäft sind die Kirschen aber auch in besseren Jahren nicht. Für ein Kilo bester Tafelkirschen erhält er vom Händler 3 Franken 50, für ein Kilo Brennkirschen 70 Rappen. Angesichts des Arbeitsaufwandes eher ein symbolischer Preis. Die Früchte werden von Hand gepflückt und verlesen, die Bäume müssen gepflegt werden. Weshalb hat er denn die Kirschen nicht schon längst aufgegeben? Die Nordwestschweiz, sagt er, sei doch seit jeher ein Anbaugebiet für Kirschen, und dieser Tradition fühle er sich eben verpflichtet.

Immer am Baum angebunden

Aber: «Wenn ich Leute fürs Pflücken entlöhnen müsste, ginge es nicht.» Er kann sich auf die Hilfe von Freiwilligen – Verwandte und Bekannte – verlassen. Für viele ist «beim Arnold Chirsi günne» schon fast ein Ritual. Ihnen muss Bitterlin nicht mehr einschärfen, dass Kirschenpflücken seine Gefahren hat. Vergangene Woche ist in Diegten ein 69-Jähriger von einem Kirschbaum gestürzt. «Es kommt fast jedes Jahr zu einem Unfall», so Bitterlin.

Er selbst, der beim Chirsipflücken dabei ist, seit er laufen kann, ist auch schon mal heruntergefallen – im Winter beim Bäumeschneiden, glücklicherweise ohne Folgen. Seither achtet er noch mehr ­darauf, dass gewisse Regeln eingehalten werden, dass man zum Beispiel stabile Schuhe trägt. «Mit Flip-Flops steigt mir niemand auf die Leiter.» Ebenso wenig, bevor er sich persönlich vergewissert hat, dass die Leiter einen guten Stand hat und am Baum angebunden wurde. «Auf Arnold kann man sich verlassen», ruft eine Pflückerin aus luftiger Höhe herunter.

Der nächste Sturz liess nicht lange auf sich warten: In Ziefen stürzte eine Frau am 16. Juli beim Kirschenpflücken von der Leiter. Die 59-jährige Frau fiel rund drei Meter in die Tiefe und verletzte sich. Die Rega flog sie ins Spital, wie die Baselbieter Polizei mitteilte.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 12.07.13

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