Auch wenn der Match FCB gegen Sion spannend war, die Fernsehzuschauer wurden während der Übertragung von zwei Nonnen im Stadion ganz schön abgelenkt. Die TagesWoche hat sie aufgespürt.
Es war in der 17. Spielminute, ein Tor war noch keines gefallen zwischen dem FCB und dem FC Sion, da schwenkte die Kamera des Schweizer Fernsehens vom Rasen in die Zuschauerreihen im Joggeli. Auf zwei Nonnen, die sich – mit Schal die eine, mit Käppi die andere – eindeutig als FCB-Fans zu erkennen gaben. «O, da gibts noch Unterstützung von oben», meinte Kommentator Sascha Ruefer verblüfft.
Die Defensive steht
Super League, 11. Runde
Lausanne-Sport–FC Basel
Samstag, 19.45 (Teleclub live)
Pontaise. – SR Stephan Klossner.
Mögliche FCB-Austellung: Sommer; P. Degen, Sauro, Dragovic, Voser; D. Degen, F. Frei, Cabral, Stocker; A. Frei, Streller.
Bemerkungen: FCB ohne Yapi und Vuleta (beide verletzt).
Nach dem 4:1-Sieg gegen den FC Sion geht Heiko Vogel davon aus, dass sich der lang ersehnte Erfolg positiv auf das Selbstvertrauen seiner Spieler auswirkt. Doch der Trainer des FC Basel glaubt nicht an eine Wunderheilung des Patienten: «Ich habe immer Zeit eingefordert. Und bloss weil wir eine furiose zweite Halbzeit gespielt haben, ist der Prozess, den wir durchmachen, noch nicht beendet.»
Trotzdem möchte Vogel beim Auswärtsspiel in Lausanne nicht wie gegen Sion in der Pause laut werden müssen: «Die erste Halbzeit war gar nicht zufriedenstellend.» Die Leidenschaft hatte er bei seinen Spielern erst wecken müssen: «Fussball ist ein Spiel aus Spiel und Zweikampf. Wenn ich mich auf bloss eines konzentriere, fehlt etwas.»
Kein Geheimnis macht Vogel darum, wer in Lausanne verteidigen wird. Die selben Vier, die das gegen Sion taten: «Es gibt keinen Grund, die Viererreihe zu ändern.» Gut möglich, dass es auf der Pontaise auf rechts eine reine Degen-Seite mit Philipp und Zwillingsbruder David geben wird: «Könnte sein, dass der doppelte Degen eine feine Klinge beweisen darf.»
Mit viel Respekt spricht Vogel von seinem Trainer-Antipoden Laurent Roussey: «Er hat mir schon als Trainer von Sion imponiert. Auch wegen ihm nehme ich Lausanne sehr, sehr ernst.» fra
Tatsächlich war der FCB auf jeden Beistand angewiesen. Drei Ligaspiele in Folge ohne Sieg, glücklos war der Meister auch aus der Champions League ausgeschieden. Dazu hackte nach dem vergangenen Sonntag, nach dem Spiel gegen die Berner Young Boys und zwei Fehlentscheiden des Schiris, die ganze Restschweiz auf dem FCB rum. In einer solchen Situation und besonders beim Spiel gegen den starken FC Sion – wer hätte da etwas gegen göttliche Unterstützung einzuwenden? Er musste ja nicht gleich mit seiner Hand wie einst bei Maradona eingreifen, zwei Nonnen im Stadion halfen vielleicht auch. Und wie sie halfen: Das 4 : 1 Endresultat beförderte den FCB und seine Anhänger direkt in den Fussballhimmel. Doch wer sind nun die beiden Schwestern, diese wunderbaren Glücksfeen?
Zum ersten Mal im Stadion
Die TagesWoche hat sie aufgespürt: Schwester Sabine und Schwester Martha vom Diakonissenhaus in Riehen. Nein, sagt Schwester Sabine am Telefon, sie habe keine Zeit für ein Treffen, ohnehin sei Schwester Martha der grössere Fan und vielleicht sei sie bereit. Sie war – Gott seis gedankt! Sie kommt mit dem Velo, den FCB-Schal in der Tasche.
Der FCB, sagt die 66-Jährige, sei ihr als eine, die in Basel aufgewachsen ist, natürlich immer schon ein Begriff gewesen. Aber so richtig dafür zu interessieren begann sie sich vor gut zehn Jahren. Seither schaut sie – «wenn ich Zeit habe»– fast jeden Match im Fernsehen. Eine Expertin sei sie nicht gerade, aber ein bisschen informiert schon. «Über Abseits, Eckball und solche Sachen.» Manche würden vielleicht denken, das Leben als Christ und insbesondere als Ordensschwester sei eng und langweilig, «aber ich erlebe das nicht so. Gott schenkt erfülltes Leben, so steht es auch in der Bibel, und so ist es meine Erfahrung». Zu dieser göttlichen Lebensfreude könne dann durchaus auch die Begeisterung an einem FCB-Match gehören.
Im Stadion war sie am Mittwochabend zum ersten Mal, eine Bekannte habe sie und Schwester Sabine eingeladen. Dass es ausgerechnet dieses Spiel sein sollte, «das war schon toll». Und sie wusste natürlich, wie wichtig es für den FCB war. «Nach diesem schwierigen Start in die Saison.» Selbstverständlich habe sie gebetet, sagt Schwester Martha, dass dem FCB die Wende gelingen würde. «Man kann mit Gott über alles reden, auch über Fussball.»
Fast wie in einem Gottesdienst
Nicht mit sich reden liessen die Eingangs-Kontrolleure im Joggeli. Flaschen im Stadion seien verboten. Ob sie eine im Rucksack habe, fragten sie die Schwester. Sie hatte. Drei Bierflaschen, für jede der drei Frauen eine. Selbstverständlich richtiges Bier, alkoholhaltiges, «wenn schon denn schon». Und ehrlich, wie sie sei, habe sie das natürlich sofort zu- und die Flaschen abgegeben. So sassen die drei Frauen auf dem Trockenen, hatten aber einen Riesenspass.
Beeindruckend sei es gewesen, sagt Schwester Martha, diese vielen Menschen. Und die Gesänge aus der Muttenzer-Kurve, «Choräle, fast wie in einem Gottesdienst». Man habe sie noch vorgewarnt, es werde schlimm geflucht in einem Fussballstadion, aber sie habe das nicht so empfunden. «Zwischendurch fluchte schon mal einer, aber ganz so schlimm, wie man mir vorher sagte, war es nicht.» Sie sei auch nicht so schnell schockiert, schliesslich habe sie über sechs Jahre in einer Fabrik gearbeitet und kenne auch die raueren Seiten des Lebens. «Und wenn jemand so flucht, dann spreche ich innerlich einen Segen für ihn.»
Mitgefühl für Sommer
Schwester Martha flucht natürlich nicht, aber Gefühle, die muss sie schon auch rauslassen, wenn einer der FCB-Spieler einen Fehlpass macht. Als Yann Sommer, den sie so mag, zum Beispiel den Ball dem Sion-Spieler direkt vor die Füsse kickte. «O, da hat mir Sommer so leid getan.» Umsomehr freute sie sich, dass sich daraus kein Tor für Sion ergeben hat. Im Jubeln über die vier Basler Tore standen die Schwestern dem Rest des Publikums jedenfalls in nichts nach. Dass eines davon Valentin Stocker gelang, zaubert noch jetzt – in Erinnerung an diesen Moment – ein Lächeln ins Gesicht von Schwester Martha. «Ihn finde ich eben auch sehr sympathisch», sagt sie.
Es sei wirklich ein tolles Erlebnis gewesen, einmal live dabei zu sein. Aber nein, nicht dass sie sich deswegen nun eine Saison-Karte wünschen würde. «Es gibt schon noch ein paar andere, wichtigere Dinge in meinem Leben als Fussball.» Dennoch, zählen auf die Unterstützung von Schwester Martha kann der FCB weiterhin. Die gelernte Krankenschwester hat zwar viel zu tun, unter anderem mit der Betreuung pflegebedürftiger Mitschwestern, aber wenn immer möglich, wird sie die Spiele am Fernsehen verfolgen. Und sei es nur für einem Moment zwischendurch, um zu wissen, wies steht.