Als offizielle Staatsgäste noch nicht im Flugzeug, sondern per Zug in die Schweiz reisten, kam es hin und wieder vor, dass ihnen die militärischen Ehren im Basler Bahnhof zuteil wurden.
Ein Staatsgast auf Staatsbesuch – eigentlich immer das Gleiche. Nur die Funktionsträger und die Fahnen wechseln. Auch die Musik, die man hier allerdings weder sehen noch hören kann, ist ebenfalls stets die gleiche: der Fahnenmarsch, eine Endlosmelodie, die man jederzeit abbrechen kann, wenn Gast und Gastgeber das Ende des Spaliers erreicht haben.
Nur die Ausrüstung bleibt, sofern man keine historische Truppe in entsprechendem Kostüm hat, nicht die gleiche. Heute geht es ohne die famosen Patronentaschen, ohne zu Hochglanz polierte Nagelschuhe und ohne aus Nussbaum gefertigten Karabiner. Die Schweiz hat keine Gardetruppe für solche Anlässe. Also muss sie ganz gewöhnliche Wehrmänner in ihrer ganz gewöhnlichen Uniform (heute dem «Kämpfer») einsetzen.
Hier ist der griechische König Paul I. mit seinem Sohn, dem Kronprinzen Konstantin, zu Besuch. Das Protokoll sieht vor, dass der Gast beim Betreten des Gastlandterritoriums formell begrüsst wird. In diesem Fall kam der Gast per Eisenbahn und nicht mit Flugzeug, darum fielen Zürich und Bern ausser Betracht und wurde der Basler Bahnhof zum Empfangsort. Übrigens: Beinahe ein halbes Jahrhundert zuvor, 1912, war es im gleichen Bahnhof beim Besuch von Kaiser Wilhelm II. zur gleichen Situation gekommen. Dazu ist ein nicht ganz gleiches, aber sehr ähnliches Bild überliefert, aber aus der gleichen Fotografenfamilie, nämlich von Kurt Wyss’ Grossvater Wilhelm Dirks.
Wir haben das Jahr 1958: Bundesrat Max Petitpierre übernahm in seiner Eigenschaft als Aussenminister den Empfang an der Landesgrenze. In Bern wartete derweil der Bundespräsident (für ein Jahr das rotierende Gegenstück der Staatschefs) und leistete dort sicher eine weitere Begrüssung. Während König und Prinz selbstverständlich eine schöne Kopfbedeckung trugen, hielt der schweizerische Landesvater den Hut in der Hand. Das hätte er nicht tun müssen – nicht mehr. Im 17. Jahrhundert dagegen mussten die Vertreter der Eidgenössischen Republik dem französischen König Louis XIV barhäuptig begegnen, wie der berühmte Allianzteppich im Schweizerischen Nationalmuseum Zürich zeigt.
Für den schweizerischen Landesvater Moritz Leuenberger wäre das ohnehin kein Problem gewesen, denn er trug nie einen Hut. Aber er hatte keine Freude an der militärischen Dimension solcher Empfänge. Während seines ersten Bundespräsidiums im Jahr 2001 wollte er einiges davon abschaffen. Er bewirkte jedoch nur, dass die Truppe auf die aufgepflanzten Bajonette verzichten musste und eine andere Melodie – vielleicht Mozart – gespielt wurde. Seine Nachfolger liessen den Fahnenmarsch wieder zu, die Bajonette aber blieben weiterhin unaufgepflanzt. Also doch leichte Änderungen im immer Gleichen.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 23.03.12