Nach der Besetzung: Empörung auf allen Seiten

Dürfen leer stehende Häuser besetzt werden? Nach der Räumung an der Türkheimerstrasse ist in Basel ein politischer Streit entbrannt. Ausserdem zeigt sich: Das betroffene Haus ist mit Asbest verseucht.

Pragmatismus versus Prinzipien: SP und FDP streiten über den Umgang mit Hausbesetzungen.

(Bild: Hans-Jörg Walter)

Dürfen leer stehende Häuser besetzt werden? Nach der Räumung an der Türkheimerstrasse ist in Basel ein politischer Streit entbrannt. Ausserdem zeigt sich: Das betroffene Haus ist mit Asbest verseucht.

Als die Räumung vollzogen schien, als die letzten Besetzer ernüchtert ihre Habseligkeiten aus dem Haus trugen, machte sich unter den zahlreichen Polizisten auf der Türkheimerstrasse Betriebsamkeit bemerkbar. Einer der rundum gepanzerten Polizisten holte den Vorschlaghammer aus einem Fahrzeug und marschierte in Begleitung nicht weniger gut geschützter Kollegen in das geräumte Einfamilienhaus. 

Was es zu diesem Zeitpunkt wegzuhämmern gab, lässt sich nicht eruieren. Dem Vernehmen nach wurde ein Durchgang zum Nebengebäude in die Wand geschlagen. Gerade, als sich der Trupp an die Arbeit machen wollte, ertönte ein Warnruf: «Achtung, Asbest!»

Nicht militante Hausbesetzer fürchtete die Kantonspolizei bei ihrem Einsatz, sondern einen krebserregenden, längst verbotenen Baustoff.

Fassade betroffen

Die Warnung und die damit verbundene Vorsicht seien ein übliches Vorgehen, erklärte danach Polizeisprecher Martin Schütz. Man habe keine konkreten Kenntnisse gehabt. Tatsächlich sind Teile des Hauses mit Asbest verseucht, wie die Eigentümerschaft auf Anfrage erklärt:

«Die Kontamination ist geringfügig und betrifft die Fassade. Beim Abbruch wird diesem Umstand selbstverständlich Rechnung getragen, indem entsprechende Schutzmassnahmen getroffen werden.»

Nicht nur die Polizei wusste nichts davon, auch die fleissigen Besetzer, die munter umgestalteten und während gut einer Woche einen kleinen Nachbarschaftstreff im Haus betrieben, wussten nichts von den karzinogenen Fasern, die so lange unbedenklich sind, wie man sie in Ruhe lässt, aber zum Risiko werden, sobald sie in der Luft herumschwirren.

Zürcher Vorbild

Doch das ist nur eine Randnotiz zur kurzen Besetzungsgeschichte der Türkheimerstrasse 71 bis 75. Die bedeutendere Debatte läuft auf dem garantiert asbestfreien politischen Parkett. SP-Grossrätin Salome Hofer fordert im Nachgang der Ereignisse in einem Anzug die Regierung auf, die Übernahme des sogenannten Zürcher Modells zu prüfen.

In der Stadt Zürich beendet die Polizei Hausbesetzungen nur, wenn

  • eine rechtskräftige Abbruchbewilligung vorliegt und die unverzügliche Aufnahme der Abbrucharbeiten belegt werden kann,
  • oder eine Neunutzung nach der Räumung vertraglich belegt werden kann
  • oder die Sicherheit von Personen oder denkmalgeschützten Bauteilen gefährdet ist.

In Basel dagegen reicht es aus, wenn der betroffene Hauseigentümer glaubhaft machen kann, nach der Räumung alles dafür zu tun, dass es zu keiner weiteren Besetzung kommt. Folglich greift die Polizei in Basel deutlich rascher und deutlich häufiger ein bei Hausbesetzungen.

Regierung desinteressiert

Hofers Chancen auf Erfolg dürften gering sein: Die rot-grüne Basler Regierung hat bereits vor einem halben Jahr erklärt, am Zürcher Modell kein Interesse zu haben. Damals drehte sich die Debatte um eine ähnlich gelagerte Besetzung im Gellert.
 
Eine ähnliche Stossrichtung wie Salome Hofer verfolgt Beat Leuthardt, Co-Geschäftsführer des Mieterverbands und Grossrat der linken BastA!. In seiner Interpellation stellt er den Polizeieinsatz infrage. Leuthardt will wissen, ob ein unterschriebener Räumungsbefehl vorlag, ob der Eigentümer die Kosten tragen muss und welche Gefahr von den Besetzern ausging, die ein Einschreiten gerechtfertigt habe. 
 
Zudem fordert Leuthardt die Regierung auf, in Zeiten der Wohnungsnot auf die polizeiliche Verteidigung des Leerstandes zu verzichten. 

FDP schäumt

All dies bringt wiederum den Kreislauf des politischen Gegners in Schwung. Die FDP teilt postwendend mit, dass man empört sei über die Prioritäten der SP: «Die SP will die Bleiberechte von Besetzern leer stehender Liegenschaften höher gewichten als die Eigentumsrechte der Liegenschaftseigentümer.»

Würde Basel das Zürcher Modell übernehmen, würde das zu einer «temporären Enteignung» der Hausbesitzer führen: «Die Hausbesetzung ist und bleibt eine illegale, gesetzeswidrige Aktion, für die es keine Rechtfertigungsgründe gibt.»

Nächster Artikel