Nach diesem Interview wissen Sie alles, was Sie über die Nacht wissen müssen

Die nächtliche Dunkelheit regt zum (Alb-)Träumen an. Aber sie hat ganz rationale Wurzeln, soweit das die Menschen wissenschaftlich erfassen können. Einer, der sich damit auskennt, ist Beat Fischer, Präsident des Astronomischen Vereins Basel. Er erklärt, weshalb die Nacht schwarz oder die Dämmerung blau ist.

In der Nacht werden Wünsche wahr. Oder auch nicht.

(Bild: KEYSTONE/SAMANTHA FELDMAN)

Wo ist der beste Ort in Basel, um in die Sterne zu schauen? 

 Beat Fischer.

In Basel selbst gibt es keinen wirklich guten Ort. Am besten ist es am südlichen Stadtrand, auf dem Margarethenhügel, wo sich auch die Sternwarte befindet. Das ist aber bereits Binninger Boden.

Was sehen wir momentan am Sternenhimmel?

Der Winterhimmel zeigt eine ganze Reihe heller Sterne. Unübersehbar steht im Süden der Orion, der grosse Himmelsjäger. Darum herum das Wintersechseck, gebildet aus den hellen Sternen Rigel, Aldebaran, Capella, Castor, Prokyon und Sirius. Oberhalb von Orion findet man die Tierkreis-Sternbilder Stier und Zwillinge, im Zenit den Fuhrmann.

Welcher Stern leuchtet am hellsten? 

Sirius im Sternbild Grosser Hund ist der hellste Fixstern am Himmel, erkennbar an einem leichten, strahlenden blauweissen Flackern, das die Luft verursacht. Heller als Sirius erscheinen nur Sonne, Mond und die Planeten Venus, Jupiter und teilweise der Mars oder ein heller Komet.  



Der grosse Hund (Canis Major) macht keinen Unterschied zwischen Gross- und Kleinbasel. Er zeigt uns allen seinen Po.
Der grosse Hund (Canis Major) macht keinen Unterschied zwischen Gross- und Kleinbasel. Er zeigt uns allen seinen Po.

Herrscht im All Tag oder Nacht?

Weder noch. Befinden sich dunkle Himmelskörper in der Nähe eines Sterns, werden sie von ihm beleuchtet. Nacht ist, wenn sich der Beobachter im Schattenkegel eines solchen Himmelskörpers befindet. Auf rotierenden Planeten, die von einer Sonne beleuchtet werden, wird es regelmässig Tag und Nacht, wie bei uns auf der Erde. Zeigt ein Planet seiner Sonne dagegen immer die gleiche Seite, so ist auf einer Hälfte dauernd Nacht und auf der anderen dauernd Tag.

Was ist die bürgerliche Dämmerung?

Die Dämmerung ist der fliessende Übergang von Tag zu Nacht oder umgekehrt. Sie fängt an, wenn die Sonne aus unserer Sicht hinter dem Horizont untergegangen ist. Es ist dann aber immer noch ein bisschen hell, da die Sonne noch Licht streut.

Und warum ist die Dämmerung bürgerlich?

Man unterscheidet drei Phasen: Während der bürgerlichen Dämmerung ist es noch so hell, dass man unter freiem Himmel lesen kann. Die Sonne ist dann noch nicht so weit «unter dem Horizont», der Winkel beträgt höchstens 6 Grad. Wenn die Sonne weiter untergeht, kommt die nautische Dämmerung, in welcher der Horizont noch sichtbar ist. Der Tiefenwinkel der Sonne beträgt bis 12 Grad. Als letztes kommt die astronomische Dämmerung mit einem Tiefenwinkel der Sonne bis 18 Grad.

Je tiefer die Sonne «sinkt», desto weniger Licht streut sie zu uns. Aber dank Geografie-Unterricht wissen wir natürlich: Die Sonne dreht sich nicht um uns, wir sind es, die sich bewegen müssen. (Bild: © timeanddate.de)

Warum ist der Himmel während der nautischen Dämmerung so schön blau?

Wenn die Sonne untergegangen ist, muss das Licht einen längeren Weg durch die Ozonschicht zurücklegen, bis es zu uns Beobachtern gelangt. Ozon absorbiert alle Farben ausser blau.

«Wir merken jede Nacht, dass das Universum einen Anfang hatte, den Urknall.»

Das heisst: Je weiter die Sonne unter dem Horizont verschwindet desto Nacht?

Ja, wenn die Sonne noch tiefer steht, streut sie kein Sonnenlicht mehr. Dass es deswegen bei uns in der Nacht dunkel wird, hat mit der Natur des Universums zu tun.

Oh, kennen wir die Natur des Universums?

1823 kam der Arzt und Amateur-Astronom Olbers aus Bremen zum Schluss, dass in einem unendlich grossen und unendlich alten Universum der Himmel taghell sein sollte. Denn in einem unendlichen Universum müsste an jeder Stelle ein Stern sein und das Licht hätte unendlich Zeit, so weit zu uns zu «wandern», dass wir es sehen. Das würde bedeuten, dass wir von der Erde aus immer Lichtstrahlen sehen, und es immer hell ist.

Aber?

Das Universum ist «nur» circa 13,8 Milliarden Jahre alt. Und wir können davon nur eine Kugel von etwa 13,8 Milliarden Lichtjahre Radius sehen. Zudem dehnt sich das Universum aus, so dass die andern Galaxien sich von uns wegbewegen. Deren Licht wird dann schwächer. Wir merken also jede Nacht, dass das Universum einen Anfang hatte, den Urknall. 

Das Video erklärt dieses sogenannte «Olberssche Paradoxon»:

Der Deutsche Gottfried Benn schrieb ein Gedicht mit dem Namen «Blaue Stunde», die amerikanische Autorin Joan Didion nannte ihr Buch über den Tod der Tochter «Blaue Stunden». Gibt es diese blaue Stunde astronomisch?

Ja, die blaue Stunde gehört zur nautischen Dämmerung. Bei klarer Witterung ist der Himmel dann ausgesprochen blau bis dunkelblau, anfangs begleitet von einem orange gefärbten Westhorizont. Während der blauen Stunde erscheinen die ersten hellen Sterne.

«Rote Katzen sind in der Nacht rot. Sofern wir sie unter einer Strassenlampe sehen.»

Warum sind in der Nacht alle Katzen grau?

Das menschliche Auge verfügt über zwei lichtempfindliche Zelltypen: die Zapfen für das Farbsehen bei hellem Licht und die Stäbchen für schwaches Licht. Mit Letzteren sehen wir nur schwarz-grau-weiss. Wenn wir in der Dunkelheit eine Katze sehen, schauen wir mit den Stäbchen – so dass wir die Katze grau sehen. Im Licht einer hellen Strassenlampe erscheint eine rote Katze rot, da wir dann mit den Zapfen sehen.

Unsere Nächte werden immer heller. Welche Auswirkung hat das auf uns?

Wir können den Sternenhimmel nur noch schlecht erkennen, und die Milchstrasse fast nicht mehr. Zudem werden wir kaum mehr genötigt, unsere Augen an die Dunkelheit anzupassen und mit den Stäbchen zu sehen. Die Anpassung der Augen an die Dunkelheit dauert etwa fünf Minuten.

Die Tiere haben bekanntlich auch keine Freude am künstlichen Licht.

Zwei Drittel der Zugvögel orientieren sich an den Sternen. Strahler wie Skybeamer, die in den Himmel leuchten, verwirren die Vögel, sodass sie die Orientierung verlieren. Wir sollten deshalb Licht in der Nacht nur nach unten richten.

_
Die TagesWoche bringt Licht ins Dunkel der Nacht mit einem Schwerpunkt. Bisher erschienen:

Nächster Artikel