Nasser Frühsommer vermieste die Saison

Es gibt immer mehr Sommerbeizen am Basler Rheinufer. Das belebt die Stadt, hat aber auch seine Tücken: Die Wirte und das Personal müssen mit vielen Schwankungen leben.

So sieht das «Veronica» an sonnigen Tagen aus.

(Bild: Stefan Bohrer)

Es gibt immer mehr Sommerbeizen am Basler Rheinufer. Das belebt die Stadt, hat aber auch seine Tücken: Die Wirte und das Personal müssen mit vielen Schwankungen leben.

Nach ein paar sonnigen August-Wochen haben wir Konsumenten das kalte Mai- und Juni-Wetter vergessen. Saison-Gastronomen haben da ein besseres Langzeitgedächtnis: Ihnen sitzt der schlechte Frühsommer noch in den Knochen. Das spürt auch Hugo Buser, der Wirt des Restaurants Veronica im Rhybadhüsli Breite, er ist mit der laufenden Saison unzufrieden. «Im Vergleich zum Vorjahr und auch zu anderen Jahren läuft es viel schlechter!»

Das liebe Wetter ist «leider ein sehr unzuverlässiger Geschäftspartner», wie Buser sagt. Das «Veronica» ist von der Sonne noch abhängiger als andere Lokale. Es befindet sich auf einer Holz-Metallplattform direkt über dem Wasser. «Bei uns ist es windiger als am Ufer, wir sind der Witterung ausgesetzt.» Zudem werde das Veronica als Rhybadhüsli automatisch mit Badewetter assoziiert.

Von wegen Mediterranisierung

Zwar wurde das Wetter im Juli und im August schöner, doch auch Maurus Ebneter vom Basler Wirteverband bestätigt: «Nach einem so verpatzten Saisonstart ist es für Sommerbeizen schwierig, noch aufzuholen.» Und Buser fügt an: «Selbst wenn der Betrieb bis Saisonende noch auf Hochtouren läuft, erzielen wir höchstens eine mittelmässige Geschäftsbilanz.

Eigentlich wäre ein schlechtes Jahr noch keine Katastrophe. «Ich wirtschafte immer über drei Jahre hinweg, allfällige Defizite dieses Jahres kann ich mit den Überschüssen vom Vorjahr wettmachen», sagt Buser. Ganz gelassen wirkt er aber trotzdem nicht, denn es ist bereits das zweite Krisenjahr innerhalb von drei Jahren –  das Jahr 2014 war noch schlechter als der Sommer 2016. «Ich habe manchmal das Gefühl, die Mediterranisierung findet nur in den Köpfen der Leute statt, aber gar nicht im Wetter», sagt Buser.

Über Wetterprobleme klagt auch Gabriel Pellicano, der erst im vergangenen Jahr seine «Veranda Pellicano» am Birsköpfli eröffnet hat. Im Jahr 2015 lief das Geschäft sonnig: «Unser Eröffnungsjahr fiel auf einen Jahrhundert-Sommer», sagt er. Das Leitungsteam beschloss daher optimistisch, dieses Jahr bereits Mitte April zu öffnen und wurde enttäuscht: «Die ersten Monate waren wetterbedingt richtig schlecht, das hat uns Angst gemacht.»

Wetter oder Überangebot?

Hugo Busers «Veronica» ist sozusagen die Urmutter der Lokale am Rhein, sie war lange Zeit das einzige Restaurant weit und breit. Vor etwa 15 Jahren war Buser massgeblich daran beteiligt, dass sich das Ufer für ein breiteres Publikum öffnete, neben der Veronica stellte er damals gemeinsam mit Tino Krattiger das Musikfloss auf die Beine, «vorher verkehrten am Rhein vor allem Junkies und Alkoholiker.»

Doch mittlerweile verstreicht kaum ein Jahr, ohne dass neue Buvetten und Lokale aufgehen, dadurch steigt auch die Konkurrenz für bestehende Betriebe. Buser sagt: «Das Angebot wächst schneller als der Kuchen, so einfach ist das!»

«Das Angebot wächst schneller, als der Kuchen grösser wird.»
 Hugo Buser, Wirt der Veronica

Gabriel Pellicano dagegen ist überzeugt, dass sich die beiden Restaurants gegenseitig bereichern. «Durch unsere zwei Angebote wird der Standort als Ganzes attraktiver». Gerade das sonst eher ruhige Breite-Quartier könne dies brauchen.

Der Standort «Rhein» reicht schon lange nicht mehr als Alleinstellungsmerkmal. «Um sich im Konkurrenzkampf zu behaupten, muss man authentisch sein», sagt Buser. Entgegen des zunehmenden Fastfood-Trends setzt die Veronica deshalb noch immer auf raffinierte, nicht ganz preiswerte Küche.

Verschiebung im Apéro-Geschäft

Zum eigenen Stil stehen ist auch das Erfolgsrezept der Gastronomin Claudia Granacher. Ihr «Rostiger Anker» befindet sich ein paar Kilometer flussabwärts, auf der anderen Seite des Ufers. Im Kleinbasler Hafengelände hinter dem Ostquai liegt das Lokal etwas abseits des trendigen Gastrotreibens an der Uferstrasse. Die Dekoration versprüht mehr Herz als Design, im Aussenbereich stehen Kräuterbeete. «Hierher kommen eher Leute, die ein gemütliches Lokal mit guter Küche suchen, abseits vom Trubel», sagt die 38-Jährige.

Bei schlechtem Wetter hat auch sie weniger Gäste, trotzdem beklagt sich Granacher kaum über den schlechten Mai und Juni. Das mag daran liegen, dass der «Rostige Anker» nicht nur vom Sommerbetrieb abhängig ist; die Saison dauert bis Ende Dezember, dann macht Granacher zwei Monate Betriebsferien. Im Innenraum finden 35 Leute Platz. Die Konkurrenz durch Buvetten, Restaurants und Bars im Hafengebiet spürt sie höchstens ein bisschen: «Früher hatten wir häufiger Leute, die nur zum Apéro kamen, da hat eine Verschiebung stattgefunden.»

Mittlerweile ist die gelernte Köchin im Service und in der Administration tätig. Sie koche zwar gerne, aber als Wirtin sei Kundenkontakt wichtig, ein schöner Standort und eine gute Küche genügten nicht: «Basel hat so eine spannende Gastrolandschaft. Da sind Freundlichkeit und Kundennähe ein entscheidender Pluspunkt.» Gäste, die einmal unbegründet angeschnauzt wurden, kämen vielleicht nicht wieder – «denn Alternativen hat es in dieser Stadt genug.»

Zwischenstation Saisongastronomie

In Saisonbetrieben ist es allerdings schwierig, eine Beziehung zu Stammkunden aufzubauen. Buser vom Restaurant Veronica sagt: «Wir haben fast jedes Jahr ein neues Team, das beansprucht die Nerven enorm.» Selten bleibe jemand länger als eine Saison dabei.

Denn auch für die Mitarbeitenden hat eine saisonale Anstellung Nachteile: Laura Rediger (Name geändert) arbeitet seit mehreren Jahre in Sommerbetrieben, sie erzählt: «Bei schlechtem Wetter muss ich herumsitzen, da ich nicht gebraucht wurde.» Doch dann, wenn sie gerne mit ihren Freunden in der Sonne sitzen würde, muss sie arbeiten. Der grösste Nachteil: Auch der Lohn hängt vom Wetter ab, ein festes Einkommen hat Rediger nicht. Viele Serviceangestellte sehen Sommerbetriebe deshalb höchstens als Zwischenstation zu einer festen Jahresstelle.

Hugo Buser denkt aber nicht daran, aufzuhören. Seine Schmerzensgrenze ist erst erreicht, wenn er aus der eigenen Tasche draufzahlen muss. «Die Beiz muss sich zumindest selbst tragen, das war bei mir schon immer die Regel.»

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