Natürlich und doch mit Spitzenmedizin – bald bietet auch das Unispital Hebammengeburten

Das Basler Unispital plant ein neues Angebot: Gebärzimmer, in denen Hebammen die Geburt leiten, keine Ärzte. Für Frau und Kind ist das super, für die Gesundheitskosten naja.

Unsere Hebamme gib uns heute. (Bild: Nils Fisch)

Über die richtige Art des Gebärens können Frauen sich fast so intensiv streiten wie Christen über Kondome. Die einen schwören auf ein möglichst natürliches Kinderkriegen, die anderen wollen so viel moderne Medizin, wie sie nur bekommen können.

Bislang liess sich das eine mit dem anderen schlecht vereinen, frau musste sich entscheiden: Wollte sie natürlich gebären, ging sie ins Geburtshaus. Dort gibt es keine Ärzte, keine medizinischen Einrichtungen, dafür unterstützt eine Hebamme die Frau beim Gebären. Frauen, welche Sicherheit und für den Notfall gerüstet sein wollten, gingen lieber ins Spital.

Fünfer und Weggli

Bald gibt es noch eine dritte und vierte Möglichkeit: Gleich zwei Spitäler weiten ihr Angebot aus, wie die «Schweiz am Wochenende» und die «bz Basel» berichteten. Das private Bethesda Spital plant, 2019 ein Geburtshaus auf dem Spitalareal zu bauen.

Und das Universitätsspital will im Jahr 2018 Geburtszimmer einrichten, in denen Frauen ohne ärztliche Aufsicht, nur von Hebammen begleitet, gebären können – und dabei doch nur ein paar Schritte von Ärzten und Bluttransfusionen entfernt sind. Da hat man also den Fünfer und das Weggli: Eine natürliche Geburt und die Gewissheit, einen Operationssaal in unmittelbarer Nähe zu wissen.

Weniger Dammschnitte und Saugglocken

Beim Bethesda-Geburtshaus kommt noch eine weitere Möglichkeit hinzu: Dort kann man, wie schon bisher, seine «eigene» Hebamme zum Gebären mitbringen, eine sogenannte Beleghebamme. Das sind häufig freischaffende Hebammen, welche die Schwangere schon während den Vorsorgeuntersuchungen begleiten, bei der Geburt im Spital dabei sind und die Mutter nachher im Wochenbett betreuen.

Dieses System hat handfeste Vorteile: Es gibt vielen Frauen Sicherheit, wenn sie wissen, wer sie im Geburtshaus erwartet. Ausserdem können Beleghebammen die Bedürfnisse der Gebärenden besser einschätzen.

Das wirkt sich auf die Gesundheit von Mutter und Kind aus, wie eine Übersichtsstudie des unabhängigen Ärztenetzwerks Cochrane im Jahr 2016 ergeben hat. Frauen, welche während der Schwangerschaft und bei der Geburt dieselbe Hebamme hatten, erlitten weniger Frühgeburten und verloren seltener das Kind. Ausserdem wurde ihnen seltener der Unterleib mittels Epidural-Anästhesie betäubt, sie bekamen seltener Dammschnitte und das Kind wurde seltener mit einer Saugglocke oder Zange rausgezogen.

Geburten werden günstiger, …

Im Unispital wird es weiterhin Zufall sein, welche Hebamme bei der Geburt dabei ist – nämlich diejenige, die gerade Dienst hat. Vorläufig zumindest. Längerfristig überlegt sich auch das Unispital, ein Beleghebammen-System einzuführen, das sagte Sprecherin Monica Terragni gegenüber der «bz Basel».

Gemäss den Cochrane-Ärzten macht es aus medizinischer Sicht Sinn, die Hebammen im Gebärsaal zu stärken. Die neuen Angebote könnten sich aber auch auf die Kosten auswirken, wie Gesundheitsökonomen schätzen. Oliver Reich ist Leiter von sante24, der telefonischen Gesundheitsberatung der Krankenversicherung Swica und hat an einer Studie über die Hebammenbetreuung nach der Geburt mitgearbeitet. Er sagt: «Ich kann mir vorstellen, dass hebammengeleitete Geburten günstiger sind.»

Diese Einschätzung teilt auch Gesundheitsökonom Heinz Locher. Die Gründe sind klar: Hebammen verdienen weniger als Ärzte. Und sie brauchen, darauf weist die erwähnte Cochrane-Studie hin, wohl weniger teure Medikamente.

Das kommt allerdings nicht zwingend der Prämienzahlerin zugute. Das Spital erhält pro Geburt eine Pauschale von Kanton und Krankenkasse. «Kostet die Geburt weniger, bleibt dem Spital wahrscheinlich einfach mehr Geld übrig», sagt Reich.

… aber Prämienzahlerinnen haben nichts davon

Für die Geburtshäuser in Basel könnte es aber eng werden. SP-Landrätin Regula Meschberger macht sich Sorgen, dass die Geburtshäuser bald verschwinden könnten. Das wiederum könnte dann die Krankenkassenprämien leicht nach oben treiben, wie Heinz Locher bestätigt. Wenn plötzlich viel mehr Baslerinnen lieber im Unispital als im Geburtshaus oder im Bethesda Spital gebären, erhöht das den Betrag, den Kanton und Krankenkassen ans Unispital bezahlen müssen.

Der Grund ist der sogenannte Basisfallwert. Jedes Spital bekommt von Kanton und Krankenkassen für seine Leistungen einen Grundbetrag. Dieser Betrag ist im Unispital höher als im Geburtshaus oder in privaten Spitälern. Mit diesem höheren Betrag möchte man die Leistungen in der Spitzenmedizin abdecken.

Die Frauen selber merken das nicht direkt, bei Geburten gibt es keinen Selbstbehalt, die Kassen und Kantone müssen alle Kosten übernehmen. Wenn die Krankenkassen die erhöhten Kosten allerdings auf die Patientinnen überwälzen, könnte es eine Prämienerhöhung geben.

Hauptsache gut betreut

Gesundheitsökonom Heinz Locher möchte allerdings ausnahmsweise nicht in erster Linie über die Finanzen reden: «Viel wichtiger ist, was die Frauen wollen und dass sie eine gute Betreuung erhalten.»

Und vielleicht gibt es auch in Zukunft Frauen, die eine solche Betreuung im Geburtshaus suchen. Davon geht zumindest Ursula Lüscher vom Hebammenverband beider Basel aus: «Ins Geburtshaus gehen Frauen, die etwas Distanz zum Spital wollen.»

Man darf nicht vergessen: Es gibt verschiedene richtige Arten zu gebären und davon sind Frauen nicht so schnell abzubringen.

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