Neuer Markstein für ein Quartier ohne richtige Infrastruktur

Mit dem Hauptsitz der Fossil Group Europe erhält das Erlenmatt-Areal einen neuen Markstein. Aber während fast alle neuen Wohnungen bezogen sind und rundherum Arbeitsplätze entstehen, hinkt die Bereitstellung der Quartier-Infrastruktur hinterher.

Die Wohnungen sind zum grossen Teil belegt, die neuen Arbeitsplätze bei der Fossil GmbH (vorne links) ebenfalls. Die öffentlichen Quartierplätze präsentieren sich aber noch als wüste Brachen.

(Bild: BVD)

Mit dem Hauptsitz der Fossil Group Europe erhält das Erlenmatt-Areal einen neuen Markstein. Aber während fast alle neuen Wohnungen bezogen sind und rundherum Arbeitsplätze entstehen, hinkt die Bereitstellung der Quartier-Infrastruktur hinterher.

Die Eröffnung der Uhren- und Schmuckmesse Baselworld war Deadline für den neuen Hauptsitz der Fossil Group Europe. Das ist nicht weiter erstaunlich, hat das US-Unternehmen, das neben Taschen und Mode-Accessoires zahlreiche Uhrenmarken vertreibt, sich nicht zufällig in der Nähe des Messegeländes angesiedelt. 

Am 15. März, zwei Tage vor Beginn der Baselworld, wurde das neue Gebäude, das die Architekten Steinmann & Schmid in Windeseile errichtet haben, feierlich eröffnet.



Unaufdringliche Eleganz: Der neue Europa-Hauptsitz von Fossil.

Unaufdringliche Eleganz: Der neue Europa-Hauptsitz von Fossil. (Bild: Ruedi Walti)

Der 28 Meter hohe Neubau besticht durch seine unaufdringliche Eleganz. Hinter der locker gerasterten Fassade mit horizontalen und vertikalen Betonstreifen befindet sich ein Glaskubus, der den Eindruck vermittelt, als sei er schwebend hinter dem Fassadengerüst aufgehängt. In den unteren drei Stockwerken befinden sich die Schauräume für die verschiedenen Uhrenmarken und Mode-Accessoires, die Fossil selber herstellt oder vertreibt. Darüber ist Platz für rund 300 Büroarbeitsplätze und ein ausgedehntes Auditorium.

Quartier ohne Seele

Ein paar Tage vor Eröffnung schreitet der Europachef von Fossil, Martin Frey, entspannt und gut gelaunt durch das Eingangsfoyer. «Das Gebäude hat bereits eine Seele», sagt er mit einem entspannten Lächeln zum Architekten Peter Steinmann.



Lichte Innenräume im neuen Fossil-Hauptsitz

Lichte Innenräume im neuen Fossil-Hauptsitz. (Bild: Ruedi Walti)

Für das Gebäude mag dies zutreffen, die unmittelbare Umgebung präsentiert sich aber noch ausgesprochen unbeseelt. In nördlicher Richtung erstreckt sich eine wüste Schotterfläche. Zwischen parkierten Autos füllen sich Bodenvertiefungen mit Regenwasser, während sich im Hintergrund die Autokolonnen vom Nordtangenten-Untergrund auf die schwebende Autobahnverbindung zur Osttangente wälzen.

Wüste Brachen statt Quartierplätze

Auf diesem Areal soll ein Tummelplatz für Jugendliche entstehen. Im Sommer 2015 hat der Grosse Rat einen Kredit von 20 Millionen Franken für die Gestaltung eines «Stadtterminals» genehmigt. Konkret passiert ist bislang aber noch nichts, ausser dass die freie Fläche bereits auf den Namen Erlenmattplatz getauft wurde.

Wie aus dem entsprechenden Ratschlag der Regierung hervorgeht, wird das Gelände noch einige Zeit brachliegen. Mit der Inbetriebnahme sei frühestens 2018 zu rechnen, heisst es. Bis dann werden wohl manche Jugendliche aus den vielen bereits fertiggestellten Wohnungen aus dem Zielgruppenalter hinausgewachsen sein.

Nach den ursprünglichen Plänen sollte der Erlenmattplatz eigentlich bereits fertiggestellt sein. Ebenso der Max-Kämpf-Platz, dem als einer Art Dorfplatz im Zentrum eine wichtige Rolle zusteht. Doch auch er präsentiert sich im Moment noch als unwirtliche freie Fläche. Wann der Kanton mit der Gestaltung loslegen wird, ist noch offen.

Verzögerung aus Spargründen

Die Gründe für die zeitliche Verzögerung der Platzgestaltung sind finanzieller Natur. «Das Projekt für den Stadtplatz (Max-Kämpf-Platz) konnte aufgrund der Sparvorgaben nicht im Sinne des Wettbewerbsprojektes weiterverfolgt werden», heisst es im Ratschlag der Regierung «zur Erstellung des öffentlichen Platzes ‹Stadtterminal› auf der Erlenmatt» vom November 2014.

In diesem Ratschlag wurde in Aussicht gestellt, dass dem Grossen Rat bis Sommer 2015 ein überarbeitetes Projekt für den zentralen Platz vorgelegt werde. Bis heute ist dies aber nicht der Fall gewesen. Vor Mitte 2017 wird der neue Max-Kämpf-Platz also sicher nicht zur Verfügung stehen.

Fast alle Wohnungen sind bezogen

Dadurch entstand ein Ungleichgewicht in der Quartierentwicklung. In den Gebäuden rund um den Platz herrscht nämlich bereits reges Leben. Nach Auskunft von Carol Villiger, Sprecherin des Totalunternehmens Losinger Marazzi, das für die Entwicklung eines grossen Teils des neuen Quartiers zuständig ist, sind fast alle der 574 Wohnungen der langgezogenen Überbauung Erlenmatt West an der Nordseite des Platzes bezogen. Das gilt auch für die 235 Wohnungen der Z-förmigen Überbauung Erlentor auf der Ostseite. Und auch das Seniorenzentrum im Süden füllt sich.

Auf die Frage, ob sich die Mieterinnen und Mieter durch die unberührten Brachen beeinträchtig fühlen, mochte sich Villiger nicht äussern. «Losinger Marazzi ist für die Realisierung der öffentlichen Plätze nicht zuständig. Reklamationen gibt es unseres Wissens keine», teilt sie auf Anfrage mit.

Lücken in der Quartier-Infrastruktur

Auch sonst klaffen in der Quartierinfrastruktur noch grosse Lücken. Ausser der «Bahnkantine», einem Relikt aus vergangenen Zeiten, gibt es auf dem Areal noch kein Restaurant. Das neue Primarschulhaus befindet sich im Bau, wird aber erst 2017 fertiggestellt.

Und auch Einkaufsmöglichkeiten fehlen. Nachdem der Verzicht auf das ursprünglich geplante Shopping-Center Erlenmatt-Galerie bekannt wurde, herrschte lange Zeit Ungewissheit, was auf dem Baufeld an der Südgrenze des Erlenmattareals entstehen wird. Zwischenzeitlich war unter anderem von einem Hotel die Rede, das mittlerweile aber wieder aus der Planung gestrichen wurde. Aktuell sind Büroräume und Mietwohnungen vorgesehen. Und ein Supermarkt. Losinger Marazzi rechnet mit dem Baubeginn im Sommer 2016.

Im Osten beginnt die Entwicklung erst

Während die meisten Gebäude im Westen des Areals bereits fertiggestellt und belebt sind, befindet sich die Entwicklung des Ostteils erst in der Anfangsphase. Nachdem sich für diesen Teil des Erlenmattareals, der an die stark befahrene Osttangente grenzt, lange kein Investor finden liess, sprang vor wenigen Jahren erst die Stiftung Habitat in die Bresche mit der Absicht, das neue Quartier mit gemischten Nutzungen zu beleben.

 

Ein gutes Dutzend Baufelder hat die Stiftung inzwischen an Baurechtnehmer vergeben oder mit eigenen Neubauplänen belegt. Die Palette der Nutzungen reicht von betreutem Wohnen über eine Kindertagesstätte und Räumen für Gewerbebetriebe und Künstler bis zum öffentlichen Wohnzimmer für das Quartier im 104 Jahre alten Silobau.

Erster Bau im ersten Halbjahr 2017

Im April 2015 wurde der Grundstein für den ersten Neubau auf dem Areal gelegt. Im Moment befinden sich drei Objekte im Bau: Ein Gebäude, in dem Angebote für betreutes Wohnen und Arbeiten sowie eine Kindertagesstätte Platz finden werden, die zentrale Einstellhalle für rund 350 Velos und 70 Autos sowie ein Wohnhaus der AG für sozialen Wohnungsbau (Sowag). Laut Auskunft von Urs Buomberger, Leiter des Projektbüros der Stiftung, soll der erste Bau im ersten Halbjahr 2017 fertiggestellt sein.

Bereits in den nächsten Wochen will die Stiftung die Weichen für die zukünftige Nutzung des mächtigen Silos stellen. Im Sommer 2015 hat die Stiftung mit einer öffentlichen Ausschreibung die Suche nach Personen und Gruppierungen mit Nutzungsideen für dieses Industriedenkmal gestartet. Im Moment befinden sich noch zwei Gruppen im Rennen. Im April wird die Stiftung Habitat mit neuen Informationen an die Öffentlichkeit treten.

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