Ob der «Mohrenkopf» mal rassistisch gemeint war oder nicht, ist heute völlig schnurz!

Wenn schon die NZZ anfängt, sich über die aktuelle «Mohrenkopf»-Debatte aufzuregen, ist es womöglich Zeit für ein paar schlichte und einfache Gedanken.

Gezuckerter Eiweissschaum im Schokoladenmantel schmeckt auch, wenn man das Ding «Schokokuss» nennt. (Bild: Hans-Jörg Walter)

Mit Gutmensch müssen Sie mir nicht kommen. Ich war ein überzeugter «Mohrenkopf»-Besteller, eine Zeit lang sogar täglich. Denn immerhin haben die Dinger – Achtung: Argument! – schon immer so geheissen, und andererseits finde ich sie einfach saumässig gut. Trotzdem bestelle ich heute am Kiosk einen «Schokokuss». Es hat mich kein «Sprachpolizist» dazu gezwungen.

Wie der Wirbel um die lancierte Anti-«Mohrenkopf»-Petition zeigt, tut sich die Schweiz wahnsinnig schwer mit dieser Umstellung. Warum eigentlich?

Schwierig. Das fängt schon mit den Wortwurzeln an, die jetzt alle sofort ausgraben. Sowohl die «Sprachpolizisten» wie auch die «Mohrenkopf»-Besteller berufen sich gerne auf die Herkunft. «Mohr» sei im Prinzip das Gleiche wie «Neger», sagen dann die einen, «Mohr» sei etwas ganz anderes, behaupten die anderen.

Telebasel kommt unter anderem zum Schluss: der Baselbieter «Mohrenkopf»-Hersteller Richterich stehe «gut da», weil das Wort «Mohr» auch die Bewohner von Laufen bezeichne. Haben Sie auch schon vorher gewusst, nicht?

Fühlen Sie sich wohl, wenn Sie, sagen wir, neben Breel Embolo am Kiosk stehen und einen «Mohrenkopf» bestellen?

Es ist doch offensichtlich: Wer diese Süssigkeit mit dem umstrittenen Namen anschaut, der weiss genau, welche Assoziation Wortschöpfer und Wort-Weiterträger ursprünglich erzeugen wollten. Ob das rassistisch gemeint war oder nicht, ist heute völlig schnurz. Es geht um die Haltung zum Thema, weit über 100 Jahre nach dem ersten Wortbeleg.

Man könnte dazu natürlich Leute befragen, deren Haut nicht so bleich ist wie der Zuckerguss einer Cremeschnitte. Es würden sich bestimmt welche finden, die sich überhaupt nicht darüber aufregen, wenn wir «Mohrenkopf» sagen. Aber das muss man gar nicht. Es reicht, wenn man einfach mal nachdenkt und für sich einen Entscheid fällt. Fühlen Sie sich wohl, wenn Sie, sagen wir, neben Breel Embolo am Kiosk stehen und einen «Mohrenkopf» bestellen?

Wunderbar. Dann sind die Würfel für Sie ja gefallen.

Tut ja nicht weh

Ich für meinen Teil habe mich für einen solidarischen Ansatz entschieden. Solidarisch mit meinen Vorfahren. Was hat meine Generation doch unseren Eltern und Grosseltern eingehämmert, dass es nicht okay ist, «Neger» zu sagen, auch wenn es «gar nicht beleidigend» gemeint sein mag!

War es falsch von uns? Nein. Hat es das Rassismusproblem im Allgemeinen gelöst? Wo denken Sie hin!

Aber sehen Sie, da können wir uns vom Sprachgebrauch unserer Grosseltern wiederum auch eine Scheibe abschneiden, von Sätzen wie: «Wir sind damals vor der Schule noch in den Stall gegangen», und dann – Achtung: Satz! – «Hat es uns geschadet?»

«Schokokuss» – Schon nach zwei, drei Mal an der Kasse laut ausgesprochen, fand ich es gar nicht mehr so schlimm.

Die NZZ bemängelt: «Wenn gar Süssspeisen ‹rassistisch› sein können, dann ist jeder und jede, dann ist alles und nichts ‹rassistisch›.» Weiter heisst es: «Sprachkosmetik» ändere nichts an den realen Verhältnissen (wer sagt das?) und der «Kampf für eine angeblich politisch korrekte Sprache» werde «nie ein Ende finden».

Interessant. Erstens, dass sich die NZZ trotzdem nicht für den sprachkosmetischen Eingriff «jeder und jede» zu schade ist. Und zweitens diese Erwartungshaltung! Ich meine: Auch wenn ein «Schokokuss» megasaumässig gut ist, das Ende des Rassismus sollte man sich jetzt auch nicht grad von ihm erhoffen.

Zum Schluss verrate ich Ihnen noch etwas: Ich sage seit ein paar Wochen «Schokokuss». Am Anfang war es in der Tat ungewohnt. Es fühlte sich irgendwie falsch an. Aber schon nach zwei, drei Mal an der Kasse laut ausgesprochen, fand ich es gar nicht mehr so schlimm. Versuchen Sies doch auch mal.

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