Oh Tannenbaum!

Ein hoch dotiertes Podium diskutierte am Seminar für Medienwissenschaften der Universität über Qualitätsjournalismus und die Zukunft der Medien. Die Teilnehmenden trumpften kaum mit Fakten auf, dafür mit umso mehr Gefühlen: Hoffnung und Ratlosigkeit.

Verleger Peter Wanner... (Bild: Hansjörg Walter)

Ein hoch dotiertes Podium diskutierte am Seminar für Medienwissenschaften der Universität über Qualitätsjournalismus und die Zukunft der Medien. Die Teilnehmenden trumpften kaum mit Fakten auf, dafür mit umso mehr Gefühlen: Hoffnung und Ratlosigkeit.

Allem vorweg: Die TagesWoche war mit Co-Chefredaktor Urs Buess auch auf dem Podium vertreten. Besser macht das die Sache nicht. Es bleibt alles, wie es vor der Diskussion «Basler Medienlandschaft – Quo vadis?» am Montag war. Ziemlich ratlos. Trotzdem voller zur Schau gestellter Hoffnung. Begeisterung. Beschwichtigung. Und der Erkenntnis, dass sich ganz schnell ganz viel ändert in der Medienlandschaft und -nutzung. Und sich manche Fragen auch in knapp zwei Stunden nicht beantworten lassen. Etwa diese: Was genau ist dieser Qualitätsjournalismus, von dem viel berichtet wird, vor allem von jenen Medien, die meinen, deren Vertreter zu sein?

Und: Falls ja, warum? Oder so ähnlich. Geld bringt er jedenfalls kaum, dieser hochstehende Journalismus, dessen war man sich einig. Wie sonst wäre zu erklären, dass ausgerechnet die Gratiszeitung 20 Minuten, die kaum je mit Analysen auffällt, die «Cashcow» im Medienmarkt ist? Soviel zur Ausgangslage.

Nun zur Besetzung. Alle waren da, fast alle – es fehlten Peter Knechtli von Onlinereports, ein Vertreter des Privatsenders Energy Basel und ironischerweise jemand von 20 Minuten Basel. Mit acht Vertretern war das Podium dennoch grosszügig besetzt. Zum allseits erwarteten Eklat zwischen den Verleger-Gladiatoren Peter Wanner von der AZ Medien AG und Rolf Bollmann von der Basler Zeitung kam es trotzdem oder deswegen nicht. Zu viele Alphatiere verwässern die Diskussion. Die Frage nach der aktuellen BaZ-Auflage blieb ungeklärt. Hauptthema war das Basler Leitmedium, das inzwischen eher als Leidmedium bezeichnet werden könnte, dennoch. Grund: Christoph Blocher.

Basler Zapfenstreich

Da dieser aber nicht Anlass der Runde war, sondern zwei Buchpublikationen zur «Basler Zeitung», erhielt nicht BaZ-CEO Rolf Bollmann als erster das Wort, sondern nach dem ehemaligen Radio-DRS-Direktor Walter Rüegg («Herausgefordert: Die Geschichte der Basler Zeitung») Christian Mensch. Er ist Journalist bei der «Schweiz am Sonntag» und war bis 2011 BaZ-Redaktor. Im Buch «Enteignete Zeitung?» hat er die Geschichte der «Basler Zeitung» akribisch und dicht nachgezeichnet. In der Diskussion zeigte der langjährige Medienjournalist, dass sein gesprochenes Wort alles andere als trocken ist: Er verglich die Basler Medienlandschaft mit einem Tannenbaum, der zu viele Zapfen trägt. Und sagte, die Vielfalt sei Zeichen der Krise, in der sich die Medien befänden.

Was für ein Steilpass, dieser Tannenbaum! Jeder griff das Bild auf, doch nicht jeder ging mit Christian Mensch einig, der sagte, zu viele Zapfen seien ungesund für den Baum, der sie tragen muss. Walter Rüegg zeigte sich zuversichtlich, dass sich jeder Baum irgendwann erhole. Urs Buess relativierte, in dem er sagte: «Sooo viele Tannenzapfen sind wir auch wieder nicht.» Moritz Conzelmann, Chefredaktor von Radio Basilisk, wies darauf hin, dass das Schmücken des Baumes relevant sei. Und Bollmann bezeichnete seine BaZ als «den immer noch grössten Zapfen, zwar mit sinkender Auflage, aber nicht in dem Masse, wie Wanner sagt».

Das war es dann auch zum Thema Auflage, zu universitär war das Gespräch unter der Leitung des Professors für Medienwissenschaften Klaus Neumann-Braun, als dass es dazu hätte kommen können, dass sich die Beteiligten die Köpfe einschlagen. Und Medienwissenschafter Neumann-Braun war der Einzige, der aussprach, was alle wissen: Wir leben in einer Gratis-Mentalität. Und: Online ist die Zukunft, vergesst Papier!

Puzzle-Mediennutzung

So krass sagte es Braun natürlich nicht, aber darauf lief es hinaus. Wohl kaum hätte (Papier-)Zeitungsverleger Wanner sonst zugegeben: Die Zukunft ist Online, tägliches Papier wird bald Geschichte sein. Und die elektronischen Medien? Wunderbar das Puzzle-Teil, das SRF-Regionaljournal-Basel-Leiter Dieter Kohler und Telebasel-Chefredaktorin Mirjam Jauslin einwarfen. Sie sprachen von «Patchwork-Medien-Konsum»: Der Konsument entscheidet selber, was er wann konsumieren will. Und wo tut er das immer häufiger? Im Internet.

Das wäre alles gut und recht. Wäre da nicht diese eine Frage, die gar nicht erst gestellt wurde – wohlwissend, dass deren Antwort im besten Fall die Götter wissen: Wie verdienen Medien online Geld? «20 Minuten» schafft das mit der Printausgabe auch nur deshalb, weil alle dieses Blatt in die Hand nehmen, auch gutverdienende Menschen, auch Führungskräfte, wie eine kürzlich veröffentlichte Untersuchung ergab. Also die Traum-Zielgruppe der Werbeindustrie. Denn: Diese «interessiert sich nicht für die Qualität des Mediums, sondern für dessen Zielgruppe». Das sagte Bollmann, der vor noch nicht so langer Zeit «20 Minuten» aufgebaut hat. Und die Anzeigenmärkte – die sind futsch! Konsequenz für die BaZ: Sie muss die Kosten dieses Jahr um 30 Millionen Franken senken, die Preise für Abos erhöhen. Die Frage, wie das in die Gratis-Generation passt, blieb ebenfalls unbeantwortet.

Partei- oder Forumsmedien?

Immer gehe es nur um die SVP und um die Politik, weil der Name Blocher bei der BaZ drin stecke, sagte Bollmann bedauernd. Und Christian Mensch sprach aus, was alle dachten: «Wir müssen entscheiden, welche Art Medien wir wollen.» Wollen wir die gefärbten «Partei-Zeitungen», die wir bis vor 30 Jahren hatten und nicht mehr wollten? Wollen wir das «Forum», das ebenfalls ständig kritisiert wird? Oder wollen wir Journalisten einfach unsere Arbeit machen – und die Welt abbilden? Den Grundstein zur gesellschaftlichen Diskussion liefern?

Die Zuversicht, dass in fünf Jahren jeder weiterhin das tun wird, was er jetzt tut, war jedenfalls gross: Die Frage, ob es das betreffende Medium in fünf Jahren noch gäbe, beantworteten alle Vertreter mit: Ja! Eigentlich wäre zu diesem Zeitpunkt das Thema «Finanzierung» aktuell geworden, doch die Zeit war um – und es war schön, darüber geredet zu haben. Die Worte von Wissenschaftler Klaus Neumann-Braun über den Medienkosum der jungen und demzufolge zukünftigen Generation aber bleiben: «Vieles ist umsonst geworden – und das zu ändern, ist schwierig.» Löhne müssten dennoch bezahlt werden. «Quo vadis also, Basler Medienlandschaft?» Eine wichtige Frage wurde immerhin einmal öffentlich gestellt. Beantwortet wurde sie nicht. Ehrlicherweise könnte sie auch niemand beantworten.

Nächster Artikel