Peter Gut zeichnet Gesichter der Macht

Gut? Besser selber schauen: Das Cartoonmuseum Basel zeigt die erste umfassende Retrospektive des Schweizer Künstlers Peter Gut.

«Es geht auch darum, ein anderes Leben zu haben.» Peter Gut. (Bild: Cartoonmuseum Basel)

Politische Karikatur, die etwas auf sich hält, ist nie auf derselben Linie mit den Mächtigen. Dafür findet sie die treffenden Linien, um die Schwächen der Entscheidungsträger gnadenlos zu umreissen.
Wer diese Kunst in Vollendung bestaunen möchte, sollte den Weg unter die Füsse nehmen, bei der Grossbaustelle Kunstmuseum scharf abbiegen und das Cartoonmuseum Basel besuchen, welches nach einem Abstecher in die Designwelten Joost Swartes wieder zu seinem Kerngeschäft zurückkehrt und die erste umfassende Retrospektive von Peter Gut ausrichtet.

Vom Schriftsetzer zum Zeichner

Peter Gut? Vielleser von NZZ, «Bilanz» und «Die Zeit» werden mit dem Namen des 1959 geborenen Winterthurer Künstlers vertraut sein, der als Schriftsetzer begann und sich in gut drei Jahrzehnten zu einem der renommiertesten Karikaturisten der deutschsprachigen Schweiz gezeichnet hat.

Im Parterre des Cartoonmuseums, das mit grünen Wänden im Stil eines englischen Clubs gehalten ist, wird Guts unbestechlicher Blick für das Menschlich-Allzumenschliche besonders deutlich. Hier hängen die Konterfeis aktueller und ehemaliger Machthaber wie Trophäen dicht an dicht und lassen porentief blicken.



Gespenstisch: «Eveline Widmer-Schlumpf», 2013.
Gespenstisch: «Eveline Widmer-Schlumpf», 2013. (Bild: © Peter Gut)

Fast schon unheimlich, wie durchsichtig-undurchsichtig Eveline Widmer-Schlumpf von der Wand blickt, das knochige Gesicht von expressiven Schraffuren gerahmt, die an Honoré Daumier erinnern, während Christoph Blocher feist wie eine Kröte von Tomi Ungerer auf dem Bundeshaus hockt.

Tierische Stellvertreter

Gut hat seine zeichnerischen Vorbilder genau studiert und kann so auf ein Stilrepertoire zurückgreifen, das zur Vielfältigkeit dieser Ausstellung beiträgt. Ganz eigen bleibt dabei Guts Blick auf die Haarrisse im Image der Weltbeweger, wenn er etwa den ehemaligen Sponti und Grünen-Politiker Joschka Fischer kraftlos in sich zusammensacken lässt: So fühlt sich Realpolitik an!

In den nächsten Stockwerken lösen sich die Bilder allmählich von der Physiognomie der Macht, verlieren aber nichts von ihrer Genauigkeit – und Schärfe. Er fühle sich bedroht, sagt ein Schweizer vor einem Minarett, worauf seine Begleitung erwidert, die Türme seien «alle auf Israel ausgerichtet».



Grosse Klappe: «Lautsprecher», aus «Tierisch unter Strom», 2002.
Grosse Klappe: «Lautsprecher», aus «Tierisch unter Strom», 2002. (Bild: © Peter Gut)

Wo das menschliche Rollenverhalten versagt, greift der Karikaturist gerne auch auf die Tierwelt zurück, was die Kuratorin und Museumsleiterin Anette Gehrig in die Nähe der französischen Fabel rückt: Mit Genuss schwelgt Gut in der Farbigkeit von Fell und Federkleidern, die sich unsere tierischen Stellvertreter ganz ungeniert überstreifen.

Lustvoll ist das, wie eine Parade fröhlich feiernder Tiere in einen einladend beleuchteten Krokodilsrachen tanzt, oder ein Delphin elegant aus einem mit Wasser gefüllten «Flipper»-Kasten springt: Der weitgehende Verzicht auf begleitenden Text schärft den Sinn für den komischen Unsinn zusätzlich.

Nichts für Spiesser: «Ohne Titel», 2008.Nichts für Spiesser: «Ohne Titel», 2008. (Bild: © Peter Gut)

Je höher die Besucherinnen und Besucher steigen, desto freizügiger werden die Motive, desto freier wird der Strich. Welche Arbeit dahinter steckt, erklärt Peter Gut gleich selbst: «Je einfacher die Zeichnung zuletzt wirkt, desto mehr Vorskizzen braucht es.» Das ist einerseits ein künstlerischer Prozess, dem aber auch eine ganz praktische Absicht zugrunde liegt. Seit er Vater sei, zeichne er sparsamer, sagt der vielbeschäftigte Künstler. «Es geht auch darum, ein anderes Leben zu haben.»

Von dieser Sehnsucht nach einem anderen Leben erzählen die Werke des Künstlers, und uns gehen beim Zuhören die Augen auf. So lässt der ehemalige Schriftsetzer etwa das Wort «Heimat» auf dem Besetztschild einer Toilettentüre erscheinen: Präziser lässt sich dieser politisch vernagelte Begriff kaum treffen. Und dabei fühlt man sich ganz heimisch.  

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