Am Montag wurde die druckfrische Wirtschaftsstudie Nordwestschweiz präsentiert. Die Region entwickelt sich gut. Ihre Treiber sind wie seit Jahren die Life Sciences, daneben verzeichnet auch die Baubranche grosse Zuwächse.
«Wir haben die grösste Wirtschaftsleistung der Schweiz pro Kopf. Das darf uns stolz machen», sagte der Baselbieter Volkswirtschaftsdirektor Thomas Weber anlässlich der Präsentation der 36. Wirtschaftsstudie Nordwestschweiz. Die knapp 100 Seiten starke Publikation zeichnet ein grundsätzlich erfreuliches Bild der Nordwestschweizer Wirtschaft. Die wuchs um zwei Prozent, die Wertschöpfung gar um 2,9 Prozent, die Arbeitsplätze nahmen in den ersten neun Monaten 2014 um 0,9 Prozent zu.
Und dies trotz schwierigem Umfeld. China schlittert in eine Rezession, ähnliches Ungemach droht Deutschland, das wie der gesamte Euro-Raum Wachstumsrückgänge verzeichnet, und Japan kämpft bereits heute gegen eine Deflation. Da nehmen es die Verfasser relativ gelassen hin, wenn das Wachstum in der Nordwestschweiz gegenüber der Vorjahresperiode etwas geschrumpft ist. Auch die Binnennachfrage wächst, dies hauptsächlich aufgrund von Zuwanderung und Kaufkraftzunahme.
Die Studie zeigt die hiesige Entwicklung der Wirtschaft im Kontext des internationalen Umfelds. Während der Euro-Raum nicht voran komme, so Projektleiter Rainer Füeg, entwickle sich die Schweiz überdurchschnittlich. Innerhalb der Schweiz wiederum ist es die Nordwestschweiz, die obenaus schwinge. Beat Oberlin, Präsident der Wirtschaftsstudie Nordwestschweiz, findet dafür klar Worte: «Die Schweiz ist auch so stark, weil die anderen so schwach sind.»
Pharma war, ist und bleibt der Motor
Das Zugpferd schlechthin ist weiterhin die Pharmabranche, ohne die sich die Nordwestschweiz wirtschaftlich nicht derart positiv von der übrigen Schweiz abheben könnte. «Gottseidank haben wir unsere Pharma. Wir können sie nicht genug pflegen», betonte Oberlin. Neue Produkte konnten den Wegfall von zugkräftigen Blockbuster-Medikamenten ersetzen. Die Pharmabranche wird gemäss Studie auch im kommenden Jahr mit Wachstumsraten von über drei Prozent glänzen und Wachstumstreiber der Region bleiben.
Neben den Life Sciences hat sich zwischen Oktober 2013 und September 2014 – diesen Zeitraum deckt die Studie ab – vor allem die Baubranche positiv entwickelt. «Das Wachstum ist enorm», erklärte Rainer Füeg. In Basel und im Fricktal, vor allem aber im Baselland werde insbesondere in Wohnraum investiert. Dieser Trend wird allerdings nicht anhalten. Um 6,2 Prozent wuchs das Bauvolumen, sogar um 14 Prozent im Vorjahr. Zwar prognostiziert die Studie ein weiteres Wachstum der Baubranche, «der Höhepunkt ist aber erreicht», so Füeg.
Der öffentliche Sektor hält nicht Schritt mit der Privatwirtschaft. Schuld daran ist die Sanierung der Pensionskasse im Baselbiet.
Weitere Zugpferde sind die Medizinaltechnik und die Hersteller von Präzisionsinstrumenten sowie die wachsende Tourismusbranche. Deutlich unter dem Soll der Privatwirtschaft liegt die Öffentliche Hand. Daran sind aber nicht etwa geringere Staatseinnahmen schuld, sondern die hohen Mittel, die für die Sanierung der Pensionskasse im Baselbiet aufzubringen sind. Auch der Detailhandel konnte seine Wertschöpfung trotz wachsender Bevölkerung nicht halten. Gründe dafür sind sinkende Verkaufspreise und der anhaltend starke Kaufkraftabfluss.
Seit der Finanzkrise sind die Banken nicht mehr auf Rosen gebetet, allein die Versicherungen haben die Branche in den vergangenen Jahren über Wasser gehalten. Ihre Zuwächse sind konstant. Die Studie geht nun davon aus, dass der Bankensektor den Schrumpfungsprozess überstanden und die Talsohle erreicht hat.
Den positiven Meldungen stehen konkrete Befürchtungen gegenüber. Die grösste Gefahr sieht Rainer Füeg in der Europäische Union, falls diese in eine Rezession gerät. Die EU ist wichtigster Handelspartner der Schweiz und grösstes Absatzmarkt.
Das Problem mit den Kontingenten
Christoph Brutschin, Wirtschafts-Vorsteher Basel-Stadt, sorgt sich insbesondere um die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative. «Wir müssen die Unsicherheit, die die Initiative mit sich gebracht hat, aus dem Weg räumen und wirtschaftsverträgliche Lösungen finden», erklärte er den versammelten Medien. «Besonders in der Nordwestschweiz sind wir von grossen Kontingenten und einer unbürokratischen Bemessung abhängig.»
Als zusätzliche Gefahr betitelte Brutschin die Kürzungen der Drittstaatenkontingente, die der Bundesrat kürzlich beschlossen hat. Das werde substanzielle Auswirkungen auf die Wirtschaft haben, erklärte er. «Wir in Basel-Stadt haben unser Jahreskontingent jeweils bereits im Februar ausgeschöpft.»
Drittes Sorgenkind im Bunde ist die Geldschwemme der Nationalbanken. Trotz konkurrenzlos tiefer Zinsen würden kaum Investitionen getätigt. Es ist ein Kampf gegen die Abwertung. «Die Entwicklung ist nicht von der Realwirtschaft getrieben, sondern von der Geldpolitik», betonte Rainer Füeg und warnte: «So etwas wie 2008 kann jederzeit wieder geschehen.»
Die Wirtschaftsstudie Nordwestschweiz erhebt, analysiert und kommentiert seit über 30 Jahren die Entwicklung der Region. Die Publikation erscheint traditionell im Dezember. Beat Oberlin beschreibt sie als Quervergleich, den so in der Schweiz einmalig ist, mit statistischen Daten, die aktueller sind als jene des Bundesamts für Statistik.