Plädoyer für den Mittagsschlaf

«Nur fünf Minuten»: Kaum ist das Mittagessen verschlungen, wünscht sich manch einer ein Schläfchen. Hierzulande ist die Siesta unüblich, aber unser Körper schreit danach.

Der beste Weg zu mehr Leistung am Nachmittag: sich einfach mal ein Nickerchen gönnen. (Bild: Symbolbild)

«Nur fünf Minuten»: Kaum ist das Mittagessen verschlungen, wünscht sich manch einer ein Schläfchen. Hierzulande ist die Siesta unüblich, aber unser Körper schreit danach.

Es ist kurz nach dem Mittagessen. Der Bildschirm wird unscharf, die Augenlider sind bleischwer ein Gähnen bereitet sich vor. Immer diese Mittagsträgheit. Jetzt ein Nickerchen – nur fünf Minuten.

Gerade jetzt in der Sommerzeit ist es besonders anstrengend, sich nach dem Mittag auf die Arbeit zu konzentrieren. Der Körper scheint nicht recht zu wollen und sehnt sich nach einer kleinen Pause. Was in den südeuropäischen Ländern Tradition hat, ist hierzulande eher unüblich: die Siesta oder Mittagsruhe.

Der Begriff «Siesta» geht auf das lateinische sexta hora zurück, die sechste Stunde nach Sonnenaufgang. Im Süden Europas ist dies die besonders heisse Mittags- und Nachmittagszeit, in der an körperliche Arbeit nicht zu denken ist. Wer bereits in Spanien Ferien gemacht hat, erinnert sich sicher an die ausgedehnte Mittagspause oder daran, dass nachmittags alle Läden geschlossen sind.

Der weitverbreitete Irrtum

Entgegen der landläufigen Meinung hat die Mittagsträgheit nichts damit zu tun, dass nun kein Sauerstoff mehr ins Gehirn gelangt, weil nach dem Mittagessen «alles Blut im Magen ist». Zwar verringert Zuckerzufuhr vorübergehend die Aktivität bestimmter Neuronen, das Mittagstief tritt dadurch aber lediglich etwas früher oder heftiger ein.

Schuld ist die innere Uhr. Der Körper fährt in den frühen Nachmittagsstunden die Aktivität zurück. Eine Person, die ungefähr um sieben Uhr aufsteht, hat kurz nach Mittag eine Phase verringerter Leistungsfähigkeit. Zwei bis drei Stunden vor der gewohnten Zubettgehzeit folgt dann wieder ein Hoch.

Überbrücken lässt sich die leistungsschwache Mittagszeit gut mit einem Nickerchen oder neudeutsch «power nap». «Nach dem Essen sollst du ruhn», sagt der Volksmund auch im Deutschen. Gemeint ist das Mittagessen. Wer mittags schläft, ist für den Rest des Tages leistungsfähiger, das haben Studien bewiesen. Der Mittagsschlaf soll auch vorbeugend wirken gegen Herzinfarkt, Depressionen und Burn-Out.

Innere Uhr lässt sich nicht umprogrammieren

Silvia Frey, Chronobiologin an den Universitären Psychatrischen Kliniken (UPK) in Basel kann das nur bestätigen: «Ein Nickerchen am Mittag scheint tatsächlich eine schützende Wirkung zu haben.» Die Expertin warnt aber: «Fehlenden Nachtschlaf kann es nicht ersetzen.»

15 bis maximal 30 Minuten sollte ein Mittagsschlaf dauern, sonst braucht der Körper zu lange, um danach wieder auf Touren zu kommen. «Wer länger schläft, wird fast unweigerlich in den Tiefschlaf fallen, das Aufwachen ist dann alles andere als erfrischend», so die Spezialistin.

In unserer Leistungskultur wird der Mittagsschlaf nicht überall akzeptiert. Möglichkeiten, sich mittags zurückzuziehen, gibt es selten. Dabei hat sich das Konzept der Siesta keinesfalls überlebt. «Die innere Uhr lässt sich nicht umprogrammieren», bekräftigt Frey. «Ich würde einen Mittagsschlaf nicht generell verordnen, aber die Möglichkeit dazu haben sollte jeder.»

Wer mittags nicht schlafen kann, dem kann eine kleine Entspannungspause helfen. Dafür reichen schon ein paar Minuten. Wichtig ist, dass man dabei nicht gestört wird, wirklich abschaltet und sich tief entspannt. Zum Beispiel indem man die Bürotür schliesst, das Handy ausschaltet und den Kollegen sagt, dass man mittags für ein paar Minuten nicht gestört werden möchte.

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