Pressekompass: Eine neue Möglichkeit, Meinungen abzubilden

Was kann man neues aus der alten Presseschau machen? Das neue Format «Pressekompass» zeigt eine innovative Umsetzung.

(Bild: Screenshot Pressekompass.net)

Was kann man neues aus der alten Presseschau machen? Das neue Format «Pressekompass» zeigt eine innovative Umsetzung.

Die Presseschau ist ein altbekannter Weg, um Lesern einen Überblick aktueller Standpunkte zu bestimmten Themen zu geben. Heutzutage ist die Variante am verbreitesten, die Zitate und Links zu den jeweiligen Quellen in einem Artikel versammelt. Diese Auflistung kommt der herkömmlichen Presseschau in der gedruckten Zeitung nahe, sieht aber auch etwas altbacken aus und ist nicht sehr übersichtlich. Eine neue Möglichkeit, die das Internet hervorgebracht hat, sind News-Aggregatoren, die meistens in einer Ansicht, die stark an die Titelseite einer klassischen Printzeitung erinnert, Artikel aus vom Nutzer vorher gewählten Kanälen zusammenstellt. 

2013 hat Pia Frey den Pressekompass gegründet, der im Prinzip an die bereits besprochene Graphen-Ansicht erinnert. Der neue – und sehr reizvolle – Aspekt besteht darin, dass die Standpunkte von Medien zu einem Thema in ihrem Verhältnis zueinander in einem Koordinatensystem mit zwei Achsen dargestellt werden. Wie bei Fourscore werden auf den Aussenkanten des Graphen jeweils die Extreme der Meinungen entsprechend dem Thema eingetragen. Dabei wird täglich eine Auswahl aus den Top-Themen der internationalen Nachrichten getroffen (mit Schwerpunkt auf Deutschland) und jeweils als Kompass visualisiert. Die stärksten Sätze sind als «Snippets», als kurze Zitatschnipsel in der Ansicht eingebunden, unter der Graphik werden ausserdem Fakten zum Thema aufgelistet.

«Eine neue Art der Userbeteiligung»

Bei der Presseschau zur Europawahl verortet sich der Graph zum Beispiel zwischen den Extremen «Europa ist gestärkt», «Europa ist geschwächt» auf der Nord-Süd-Achse sowie «Erfolg der Rechten ist ungefährlich» und «Europa rückt gefährlich weit nach rechts» auf der Ost-West-Achse. Eine Kompassnadel pendelt sich auf dem Meinungs-Mittelfeld ein, so dass der Leser auf den ersten Blick sieht, welche Standpunkte die untersuchten Artikel einnehmen. Darüber hinaus kann man sich selbst auf dieser «Meinungs-Karte» mit seinem Standpunkt verorten und auf dem Kompass Kommentare von bis zu 150 Zeichen Länge eintragen. 

So lautet das selbstbewusste Statement: «Pressekompass hat eine neue Art der Userbeteiligung erfunden und die Presseschau revolutioniert.»

Natürlich hat der Pressekompass die gleiche Schwäche wie alle Presseschauen oder Newsaggregatoren: Er zeigt nur eine subjektive Auswahl bestimmter Medien, die aber über das ganze Meinungsspektrum verteilt sind: Die verlinkten Artikel nehmen oft erstaunlich konträre Positionen ein. Erfreulicherweise weist die Redaktion ausdrücklich darauf hin, dass auch Blogartikel in die Übersicht mit einfliessen. Prinzipiell wäre es sicherlich auch möglich, dass Nutzer Quellen und Zitate zu der interaktiven Presseschau hinzufügen könnten.

«20 bis 30 Prozent der Leser hinterlassen Meinung»

 

Das Format scheint gut anzukommen, denn es haben bereits eine Reihe von grossen Online-Medien Partnerschaften mit Pressekompass geschlossen, dazu gehören Cicero, Spiegel Online, der Tagesspiegel und die Welt. Medien können das Format auch auf ihren eigenen Seiten einbinden, um die Stimmung zu einem bestimmten Thema abzubilden. Welt Online betont

«20 bis 30 Prozent der Leser hinterlassen auf diese Art ihre Meinung im Kompass, in der konventionellen Kommentarspalte teilen normalerweise weniger als zwei Prozent der Leser ihre Meinung mit.»

In einem Interview stellt Frey heraus, dass die Idee hinter dem Pressekompass auf der Kanalisierung und dem Auswählen von Nachrichten beruht. So kann sich der Nutzer direkt die Artikel herauspicken, die verschiedene Standpunkte zum Thema beleuchten. Ein faszinierender Ansatz, der visuell sehr ansprechend umgesetzt wurde. Hoffentlich macht das Projekt Schule. 

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