Was geht beim Nachfolger der Jazzschule in der Reinacherstrasse? Am 19. September soll eine Open House Party Antwort geben. Wir haben uns jetzt schon umgesehen und mit Geschäftsführer Mich Gehri unterhalten.
Die Hälfte der Nutzer des «R105» sind Musiker. Die Bedingungen in der ehemaligen Jazzschule sind dafür ideal.
(Bild: Daniela Gschweng)Das geht im R105: Sikhim und Brando haben gerade ein Spiel programmiert, das Jugendlichen bei der Berufswahl helfen soll.
(Bild: Daniela Gschweng)Robin Harmon von den «Space Tourists», die einen Proberaum im Haus haben.
(Bild: Daniela Gschweng)Kommuniziert wird im«R105» ganz altmodisch auf Papier. An jeder Tür auf den langen Fluren hat es ein Dokumentenfach.
(Bild: Daniela Gschweng)Dieses Atelier gleich neben den Studios teilen sich 14 Personen, der grösste Teil davon bildende Künstler.
(Bild: Daniela Gschweng)In einem der grossen Räume im zweiten Stock des «R105» arbeiten vor allem bildende Künstler, wie Timo Waldner, von dem dieses Bild stammt.
(Bild: Daniela Gschweng)«Das R105 steckt eigentlich noch mitten in der Pilotphase», sagt Geschäftsführer Mich Gehri.
(Bild: Daniela Gschweng)Raum schaffen, in dem sich 18- bis 26-Jährige einer kreativen Tätigkeit widmen können. Das war das Ziel des im November 2014 eröffneten Kulturhauses «R105» an der Reinacherstrasse. Veranstaltungen führt das «R105» zwar keine durch, aber Jugendliche tummeln sich hier dennoch: Rund 100 neue Mieter bewegen sich in der ehemaligen Jazzschule.
Bis auf eine Ausnahme im ersten Stock sind die Räume an junge Kreative vermietet. «Der Raum ist zu gross und zu dunkel, da muss uns noch was einfallen», kommentiert Mich Gehri, ehemals Programmleiter im SUD und Geschäftsführer im «R105», während wir durch die Gänge des mehrstöckigen Gebäudes gehen.
Raum für Experimente
Zur Zeit ist einiges im Umbruch, die ersten Nutzer ziehen schon wieder aus, neue Mieter kommen dazu. «Das ist normal in diesem Alter», kommentiert Gehri. «Man hat eine Idee, probiert was aus, es funktioniert oder auch nicht, allenfalls probiert man etwas anderes.»
Er umreisst damit auch den Zweck des «R105»: «Jugendkultur braucht vor allem Raum, eine Ausprobierwerkstatt. Und das haben wir hier», sagt er. «Manche Mieter gehen das sehr professionell an, andere kommen direkt aus dem Kinderzimmer», beschreibt Gehri die Bandbreite. Das Durchschnittsalter der Mieter liege «bei 22, 23 Jahren», etwa ein Viertel davon seien weiblich.
Programmieren für die Berufswahl
Mein Kommen ist angekündigt, trotzdem klopft Gehri an jeder Tür und fragt, ob wir eintreten dürfen. Privater Raum ist den Mietern wichtig.
Die erste Tür öffnet sich zur Werkstatt von Sikhim und Brando. Im Raum stehen mehrere Bildschirme und ein Keyboard. Das, was sie im «R105» machen, beschreiben sie mit «Neue Medien», ihre Nachnamen wollen sie lieber für sich behalten. Gerade sind sie fertig geworden mit einem Game, das Jugendlichen die Berufswahl erleichtern soll. «Im Spiel sprechen Berufsleute über ihren Beruf und sagen, was es dafür so braucht», erklären sie. 30 Berufe haben sie porträtiert und dafür «so drei Monate» gebraucht. Einen Testlauf in einer Aargauer Schule habe das Spiel schon hinter sich. «Kam gut, sind halt noch ein paar Bugs drin.»
Das geht im R105: Sikhim und Brando haben gerade ein Spiel programmiert, das Jugendlichen bei der Berufswahl helfen soll. (Bild: Daniela Gschweng)
Etliche andere Räume im «R105» sind vollgestellt mit Keyboards, Boxen und Elektronik. Ungefähr die Hälfte der Nutzer sind Musiker. Mehr möchte Gehri aber nicht im Haus haben. «Erstens sind nicht alle Räume zum Musizieren geeignet, zweitens wollen wir eine grössere Vielfalt», sagt er. Deshalb muss er auch immer wieder Bewerbern absagen. Dafür sind auch Filmemacher eingemietet, einige Labels, ein Poet, eine Schmuckdesignerin, bildende Künstler und Graffitikünstler. Neulich hat hier jemand ein Klamottenlabel erfunden.
Und die Post ist aus Papier
An jeder der Türen, die von den langen Fluren abgehen, klebt ein Dokumentenfach aus Plexiglas, eine Art Briefkasten, in der sich derzeit die Mitteilung über die am 19. September geplante Open House Party befindet. Ausgerechnet die Kommunikation funktioniert in diesem hippen, jungen Bienenstock auf sehr altmodische Weise.
Papier sei die beste Möglichkeit, alle Nutzer zu erreichen, erklärt Gehri, «die einzige Alternative wären SMS». Alle anderen scheitern am fehlenden gemeinsamen Kommunikationskanal. Email haben nur einige Mieter, viele nutzen nur WhatsApp, nicht alle sind gut erreichbar und schon gar nicht gleichzeitig anwesend. Schon deshalb, weil sich viele Jugendliche einen Raum teilen, da das günstiger kommt.
Musik machen bei Tageslicht
Vorbei an der Werkstatt des Imagine Festivals und dem Büro von Artless Films, geht es ins nächste Stockwerk, wo Robin Harmon von den «Space Tourists» in einem ehemaligen Studioraum Gitarre spielt. «Wir sind superfroh, dass wir hier sein können», sagt er im Namen der ganzen Band und lobt die Akustik in der ehemaligen Jazzschule. In den vergangenen Wochen sei die Band quasi rund um die Uhr im Proberaum gewesen – Proben für den JKF-Auftritt. «Perfekt, wenn man beim Musikmachen Tageslicht sieht und nicht in einem Keller sitzt», schwärmt er. Für die meisten Musiker dürfte das in der Tat traumhaft klingen.
Eine grosszügige Aussicht über Basel hat auch das grosse Atelier zwei Türen weiter. 14 Personen teilen sich dieses, vor allem bildende Künstler. Fünf werden demnächst wieder ausziehen, neue Mieter sind schon gefunden. Im Studio dazwischen ist irgendwas mit «Musik und diversen kleinen Nebenprojekten».
In einem der grossen Räume im zweiten Stock des «R105» arbeiten vor allem bildende Künstler, wie Timo Waldner, von dem dieses Bild stammt. (Bild: Daniela Gschweng)
«Eigentlich stecken wir noch mitten in der Pilotphase», sagt Mich Gehri zu dem, was im Haus gerade passiert. Flexibel bleibt auch das Team des «R105»: Doris Gassert, anfangs Co-Geschäftsleiterin neben Mich Gehri, hat das «R105» bereits wieder verlassen. Über die Weiterfinanzierung des Projekts «R105» wird Ende des Jahres im Grossen Rat entschieden.
«Heute habe ich ein paar Neuen einen Raum gezeigt, dann waren Sitzungen mit einer Gruppe, Finanzielles mache ich auch, über Strategie muss man sich unterhalten und so weiter», beschreibt Gehri seinen Job. «Irgendwie habe ich immer etwas zu tun». Dazu kommen Anfragen der Hausbewohner. Mich Gehri und Sebastian Kölliker, der als «Scout» für Vernetzung und Soziales von der CMS finanziert wird, geben den Jugendlichen dann auch Feedbacks oder Finanzierungsratschläge.
«R105» selbst erkunden: Open House Event am 19. September
Mit der von der Leitung angestrebten Vernetzung unter den Mietern hat es bisher noch nicht so gut geklappt. Das einzige gemeinschaftliche Projekt besteht aus einer gemeinsamen Putztruppe, die das Haus saubermacht. «Bisher waren die Nutzer noch zu sehr mit sich selbst beschäftigt», sagt Gehri. «Wir kommen jetzt langsam an einen Punkt, an dem wir an Vernetzung denken können.»
Seine Aufgabe sieht er auch darin, dafür zu sorgen, dass man sich überhaupt trifft und kennenlernen kann.
Gelegenheit dazu gibt es an der Open-House-Veranstaltung vom 19. September. Für diesen Tag haben die Nutzer des R105 ein Programm mit Konzerten, Präsentationen und Performances zusammengestellt. Wer einen Blick in Proberäume und Ateliers werfen und die Nutzer kennenlernen möchte, hat an diesem Tag Gelegenheit dazu.
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Open House R105, Samstag, 19. September, 14 bis 19 Uhr, Reinacherstr. 105, Basel.
Mit Musik und Kulturprogramm.