Auf der Website des Reiseverlags Lonely Planet werden Touristen in der Schweiz vor zwei Dingen gewarnt: Taschendieben, die sich meist in urbanen Menschenmassen versteckten. Und Polizisten, die Personen mit einem nicht-europäischen Äusseren grundlos kontrollierten.
Im Wortlaut klingt das so:
«Swiss police aren’t very visible but have a reputation for performing random street searches of questionable necessity on people of non-European background or appearance.»
Müssen sich Touristen in der Schweiz vor der Polizei fürchten, obwohl sie nichts verbrochen haben?
Unverständnis bei der Polizei
«Ein solch pauschaler Vorwurf entbehrt jeglicher Grundlage», wird die Medienstelle der Konferenz der kantonalen Polizeikommandanten (KKPKS) auf «Vice» zitiert. Auch für die Basler Polizei kommt die Warnung des Reiseführers aus dem Blauen: «Wir wissen nicht, woher Lonely Planet seine Informationen bezieht und fühlen uns nicht angesprochen», sagt Sprecher Toprak Yerguz gegenüber der TagesWoche.
Vielmehr habe man die Erfahrung gemacht, dass ausländische Gäste auf die Polizisten zugehen und um Hilfe bitten. «Wir freuen uns jeweils, den ortsunkundigen Touristen – unabhängig von Alter, Geschlecht, Hautfarbe, Orientierung oder Glauben – dabei zu helfen, sich wohlzufühlen und sich zurechtzufinden.»
Yerguz ergänzt, dass bei der Beschwerdestelle des Justizdepartements in den letzten fünf Jahren lediglich zwei Beschwerden wegen des Verdachts auf Racial Profiling eingegangen seien.
Racial Profiling? Gibts nicht
Auch bei Basel Tourismus habe sich bislang kein Tourist wegen einer willkürlichen Polizeikontrolle gemeldet, sagt Vizedirektor Christoph Bosshardt. «Für uns ist Racial Profiling kein Thema.» Lonely Planet sei eine bekannte und renommierte Plattform, vor allem für junge Reisende. Wie es eine solche Warnung auf die Website geschafft hat, kann er sich nicht erklären. «Sie werden wohl nach dem Erlebten geurteilt haben. Nur lässt sich das nicht immer generalisieren.»
Markus Berger, Sprecher von Schweiz Tourismus, doppelt gegenüber «Vice» nach und sagt: «Das Problem von Racial Profiling existiert in der Schweiz nicht.»
«Vice» hat Lonely Planet auf die Warnung angesprochen. Daniel Fahey, zuständig für die Schweiz, sagt: «Unsere Autoren haben den Auftrag, den Ort zu beschreiben, wie er ist. Ohne Angst oder Wohlwollen.» Die Beschreibungen der Reiseziele würden regelmässig aktualisiert. Die Beschreibung der Schweiz stamme aus dem letzten Jahr. Sie werde in den kommenden Monaten überprüft.
«Risiko grösser als angenommen»
Ist die Warnung von Lonely Planet nur heisse Luft? Nein, findet Tarek Naguib, Jurist und Mitglied der Bewegung «Allianz gegen Racial Profiling»: «Das Risiko, dass Menschen etwa in grenzüberschreitenden Zügen oder in Bahnhöfen willkürlich kontrolliert werden, ist grösser als gemeinhin angenommen.»
Aus Basel erhalte man immer wieder Meldungen, dass insbesondere in der Klybeckstrasse oder am Rheinufer verstärkt nach rassistischen Kriterien kontrolliert werde. Jüngst verhandelte das Basler Strafgericht einen Fall bei der Kaserne von Januar 2017. Die meisten Vorfälle bleiben für die Behörden jedoch ohne Nachspiel. «Das Akzeptieren einer Kontrolle gehört zu den gängigsten Umgangsstrategien der Kontrollierten», so Naguib. Das zeige eine explorative Studie der Allianz.
Naguib rät dunkelhäutigen Reisenden, sich vor der Einreise in die Schweiz zu überlegen, wie sie bei einer Polizeikontrolle reagieren sollen. «Dies wird nun dank dem Eintrag bei Lonely Planet möglich.» Wer das Risiko in Kauf nehmen will, soll während einer Kontrolle in ruhigem Ton sachlich nach dem Grund fragen und Passanten bitten, stehen zu bleiben und mit Abstand die Situation zu beobachten.