In der TagesWoche vom 17. Dezember 2017 habe ich mich mit der Frage auseinandergesetzt, ob die vom Basler Kunstmuseum 1933 gekauften Werke aus der Sammlung von Curt Glaser als «Raubkunst» einzustufen seien und darum restituiert werden müssten. Dabei habe ich mir auch ein paar kritische Bemerkungen zur Kampagne erlaubt, die von der «Basler Zeitung» in dieser Frage geführt wird.
Nun hat die «Basler Zeitung» zurückgeschlagen und in einem gross aufgemachten Artikel mit beleidigenden und auch berufsschädigenden Ausführungen behauptet, ich hätte als Mitarbeiter der in den Jahren 1996–2001 eingesetzten Bergier-Kommission im 2001 erschienenen Spezialbericht dem Fall Glaser zu wenig Beachtung geschenkt. Dieser Fall Glaser wurde 2004 von US-Anwälten aufgegriffen: Sie forderten von Basel die Rückgabe von Werken aus Glasers Sammlung, was 2008 von der Basler Regierung abgewiesenen wurde.
Nun wird mir nicht nur vorgeworfen, ich hätte dem Fall damals zu wenig Beachtung geschenkt, sondern auch, dass ich aktiv Basel betreffende Dokumente «unter den Teppich gekehrt» hätte.
Die Vorwürfe der BaZ verkennen mindestens zweierlei: Erstens die Natur des Bergier-Berichts, der mit ausgewählten Beispielen arbeitete und unmöglich «vollständig» sein konnte und dies auch nicht sein musste. Dieser Bericht hatte mit seinen exemplarischen Erfassungen und Einschätzungen eine aufklärende Funktion und ist von der BaZ zu Beginn ihrer aktuellen Glaser-Kampagne auch gerne zitiert worden, um gegen Basel zu polemisieren.
Zweitens präsentiert mich der BaZ-Artikel als Einzelakteur, der mit selektiver Abklärung sozusagen seine Vaterstadt schonen wollte. Verkannt wird dabei, dass unsere Grossabklärungen an den verschiedenen Fronten arbeitsteilig funktionieren mussten.
Gerade den Transaktionen im Kunsthandel ist eigen, dass ihre allfällige Fragwürdigkeit erst nach und nach erkannt wird.
Konkret: Die Bergier-Abklärung im Basler Kunstmuseum wurden nicht von mir, sondern von nicht mit Basel «verhängten» Mitarbeiterinnen vorgenommen, während ich mich zum Beispiel mit dem Basler Kunsthändler Bernoulli, der Sammlung Bührle, der ominösen Luzerner Auktion u.a.m. abgab. Die anschliessende Verarbeitung war dann doppelte Teamarbeit: die Spezialstudie «Fluchtgut-Raubgut» (2001) in der Dreiergruppe Tisa-Franscini/Heuss/Kreis, der Schlussbericht «Die Schweiz, der Nationalsozialismus und der Zweite Weltkrieg» (2002) in der 9 Mitglieder umfassenden «Bergier»-Kommission.
Beide Berichte verfolgten nicht die Absicht des «Zurückhaltens», «Verbergens» und «Verschweigens», wie die BaZ – ohne jeden Beleg – behauptet.
Der Bergier-Kommission könnte in ihrer immensen Arbeit durchaus das eine oder andere entgangen sein. Wie man weiss und immer wieder betont, ist es gerade den Transaktionen im Kunsthandel eigen, dass ihre allfällige Fragwürdigkeit nicht stets offensichtlich ist und erst nach und nach erkannt wird. Darum habe ich mich in meinem TageWoche-Artikel auch für zusätzliche Abklärungen ausgesprochen, um nach einer Phase hoffentlich finaler Anstrengungen wenn möglich zu bereinigten Verhältnissen zu kommen.
Doch selbst wenn die Bergier-Kommission die Basler Variante des Falls Glaser bereits auf dem Radar gehabt hätte und eine rechtliche Beurteilung hätte vornehmen müssen, wäre man zu keinem anderen Schluss gekommen, als er jüngst wieder präsentiert worden ist.
Auch der von der BaZ in der gleichen Ausgabe vom 18. Januar publizierte Beitrag des Zürcher Juristen Florian Schmidt-Gabain liefert eine indirekte Bestätigung der von mir vorgenommenen Einschätzung im Fall Glaser, dass für das Basler Kunstmuseum keine Restitutionspflicht besteht.
Die versteigerten Glaser-Bilder sind nicht als Raubgut, sondern als Fluchtgut einzustufen.
Da waren keine «Räuber» am Werk. Gewiss: Glaser hat sich, auch wenn sein Auktionsentscheid wahrscheinlich aus privaten Gründen schon früh getroffen wurde, nach der NS-Machtergreifung, also in einer Zeit der Verfolgung, von einem Teil seiner Bilder getrennt. Die versteigerten Bilder sind aber nicht als Raubgut, sondern als Fluchtgut einzustufen.
Der von der Bergier-Kommission eingeführte Begriff des Fluchtguts bezeichnet Verkäufe, die nicht auf Wegnahme, sondern auf (wenn auch verfolgungsbedingte) Weggabe beruhten, die meistens ausserhalb des NS-Bereichs und insbesondere in der Schweiz stattfanden, im Fall Glaser jedoch in Berlin.
Es ist aber zu begrüssen, dass das Kunstmuseum gemäss jüngster Mitteilung ebenfalls vom 18. Januar bereit ist, Glasers Verwandte anzuhören und sich gegenüber den rechtlich nicht durchsetzbaren Ansprüchen nicht völlig desinteressiert zeigt.