Stehende Ovationen für das Trio der afro-spanischen Sängerin Buika, die am Jazzfestival kubanische und mexikanische Hitze im Stadtcasino entfachte.
Das Objektiv ist auf die Hände des Pianisten gerichtet. Doch es ist nicht ein Kollege von den Medien, der da die Kamera gezückt hat, es ist die Protagonistin des Abends, die mit sichtbarer Lust ihren Mitstreiter bei der Arbeit ablichtet. Concha Buika richtet ihren Linsenblick gerne auf andere, und so ist sie auch auf dem Cover ihrer neuen CD abgebildet. Vielleicht auch, weil sie ansonsten immer selbst unweigerlich im Fokus steht – denn, wie sich an diesem zweiten Abend des Jazzfestivals im Stadtcasino zeigt, man kann Augen und Ohren von dieser Frau während ihres 90minütigen Sets kaum abwenden.
Concha Buika, mittlerweile Weltstar des Latin Jazz, legt zwischen der Londoner Royal Albert Hall und ihrem neuen Wohnort Miami einen Stopp in Basel ein, was Festivalleiter Urs Blindenbacher, der «Jahre hinter ihr hergerannt» ist, als grossen Glücksfall wertet. Und Buika? Sie macht auf der Bühne gleich mal schwindelerregende Komplimente: Ihr Publikum nennt sie «Maestros», denn für sie ist jeder auf seine Weise ein Meister im Leben. «Ich bin ein bisschen nervös, denn ich weiss, dass ich hier in einer der Welthauptstädte der Musik bin.»
Man merkt die Nervosität der Afrospanierin aber nicht an: Die als «Flamenco-Queen» angekündigte Sängerin entfacht auf der Bühne eine Glut vor allem aus kubanischen und mexikanischen Liedern, die zusätzlich nur noch von Flügel (Ivan Gonzales Lewis) und Percussion (Ramon Suarez Escobar) genährt wird.
Ein brodelnder Vulkan
Fernab des Mikros stimmt sich Buika ein, zelebriert den Schluck aus dem bereit gestellten, tief orangefarbenen Getränk – wir dürfen annehmen, dass es kein Fruchtsaft ist. Und dann lässt die herbe, ungeschliffene Schönheit, zu der das schwarze Glitzerkleid gar nicht so recht passen will, erstmals ihre Vokalkunst durch den gespannt wartenden Saal schweifen.
Sie ist ein Paradoxon, diese Stimme: erdig, weiblich aufnehmend, voller zärtlicher Bitternis in den Tiefen, jedoch androgyn in den Höhen, wie eine ungebremste Trompete, spitz, als wolle sie Glas zerschneiden. Immer schwingt würzige Schärfe mit, rauchgeschwängerte und rauschhafte, gelebte Leidenschaft.
Kürzlich steuerte sie Musik zu Pedro Almodóvars Streifen «Die Haut, in der ich wohne» bei. Man kann sich sicher sein: Unter ihrer eigenen Haut brodelt ein Vulkan. Was bei anderen als Allüren aufgefasst würde, bei Buika ist es wahre Emotion: Wenn sie ihr Mikrofon wiegt wie ein Kind, sich mit seligem Lächeln über den Bauch streicht, ihre lange Mähne mit den Fingern striegelt.
Pianist Lewis ist ihr ein grandioser Partner: Abgesehen von den seltsamen, überflüssigen Keyboard-Intros mit dumpf-symphonischem Charakter glänzt er mit einem melodischen Parlando, beeinflusst von Gonzalo Rubalcaba (23.4. am Jazzfestival). Er kreiert zur Stimme erfindungsreiche, nie versiegende Kontrapunkte, die sich jedoch nicht in verkopften harmonischen Fortschreitungen ergehen müssen.
Escobar, ein souverän-impulsiver, hart arbeitender Schlagwerker, beschränkt sich fast ausschliesslich aufs Cajón – die bauchigen Beats überdecken in der ungünstigen Saalakustik die Hauptakteurin leider immer wieder.
Abgründiges Trinklied
Und so sind es die Duette mit Buikas Tastenmann, die etliche Highlights des Abends ausmachen: Etwa ein grossartiger Zwitter aus Soulballade und romantischem Adagio, gespickt mit filigranen, textlosen Vokalisen, gewidmet der Liebe des Lebens. Schonungslos das Titelstück aus dem Album «En El Último Trago», ein abgründiges, nächtliches Trinklied über eine Passion, die nicht überwunden wird. Es gleitet in offen ausagiertes Weinen über: «Nichts haben mich die Jahre gelehrt, ich falle immer wieder zurück in meine alten Fehler.»
Man meint hier fast, einer neuen, tequilagetränkten Chavela Vargas zu lauschen. Doch auch die rhythmisch gestützten Passagen haben ihre grossen Überraschungsmomente: Der kubanische Klassiker «Siboney» etwa, sonst immer in bedächtiger Schwüle, hier wird er zur Treibjagd über dem heizenden Cajón.
Oder Buikas freiestes Stück: In lautmalerischen Improvisationen bricht sich das Afro-Erbe seine Bahn, Pianist Lewis hat im Call and Response-Kreuzfeuer Mühe, seiner Chefin ad hoc durch die Tonarten zu folgen. Zum Finale mitreissende Salsa-Laune, die jedoch nicht in eine ausgelassene Party mündet, sondern ins Nachahmen von haltlosem Kleinkinderweinen. Denn untrennbar verschlingen sich bei Buika Schmerz und Freude, Liebeslust und Lebensmarter. Diese aufrichtige emotionale Achterbahnfahrt belohnt das Publikum mit stehendem Applaus.