Der amerikanische Regisseur und Produzent Roger Corman ist Ehrengast des diesjährigen Filmvestivals von Locarno. Das Publikum verdankt Corman eine Vielzahl kultiger Billigproduktionen. Insbesondere seine von Edgar Allan Poe inspirierten Streifen sind neben «Little Shop of Horror» echte Klassiker. In Locarno ist diesen Mittwoch «The Mask of the Red Dead» (1964) zu sehen. Die folgende «Zeitmaschine» entstand anlässlich seines 90. Geburtstags am 5. April 2016.
Geld ist eine problematische Sache – besonders, wenn man zu wenig hat. Dann gilt es, die zur Verfügung stehenden Ressourcen möglichst ökonomisch einzusetzen. Der amerikanische Independent-Filmregisseur und -produzent Roger Corman hat dies in zahlreichen Low-Budget-Streifen erfolgreich durchexerziert. Seiner Autobiografie gab er denn auch nicht ohne eine gewisse Selbstironie den Titel «How I Made a Hundred Movies in Hollywood and Never Lost a Dime».
Um die Kosten tief zu halten, drehte Corman seine Filme rasch und arbeitete mit alten Filmgrössen wie Boris Karloff, deren Starruhm am verblassen war, oder jungen Schauspielern wie Jack Nicholson, die allenfalls auf einen Karrieresprung hoffen durften.
Urkomische Monster
Mitte der 1950er-Jahre, als Corman als Regisseur zu wirken begann, war man noch weit davon entfernt, Filme mithilfe von Computerprogrammen «aufbessern» zu können. Wollte man ein Monster auf die Leinwand zaubern, musste man sich einiges einfallen lassen. Das Resultat fiel nicht immer so überzeugend aus wie in den Filmen des Stop-Motion-Zauberers Ray Harryhausen.
Schon 1961, als der Film in die Kinos kam, trieb das Monster in Cormans «Creature from the Haunted Sea» den Zuschauern kaum den Angstschweiss auf die Stirn. Wahrscheinlicher ist es, dass sie wie wir heute Tränen lachten, wenn das Monster in Action tritt.
Nicht viel anders geht es einem beim Betrachten der fleischfressenden Pflanze in Cormans ein Jahr zuvor gedrehtem «Little Shop of Horrors». Das tat dem langfristigen Erfolg des Films allerdings keinen Abbruch. Zu teuer durfte auch dieser Streifen nicht werden.
Jack Nicholson, der einen masochistischen Zahnarzt-Patienten mimte, erhielt beim Vorsprechen nur jene Seiten des Skripts, die ihn betrafen. Corman, erinnert sich Nicholson, habe das Skript in einzelne Teile zerlegt. So konnte er es gleichzeitig an mehrere Schauspieler geben, ohne mehrere Abschriften zu benötigen. Das sei für Low-Budget-Filme typisch gewesen («That’s what low budget was like»).
Auch Grosses geht günstig
Roger Cormans Filme brachten alles Mögliche auf die Leinwand: Cowboys, Motorradrocker, prähistorische und andere Monster, Mobster, LSD und Röntgenblickbrillen, Vikingerfrauen und hysterische Teenager. Es gibt kaum ein Genre des populären Kinos, in dem Roger Corman nicht mitgemischt hätte.
Zu seinen bedeutendsten Filmen dürften wohl seine Edgar-Allan-Poe-Adaptationen gehören, von denen nicht zuletzt durch das meist exzentrische Spiel von Vincent Price und dank ihrer sorgfältigen Ausstattungen ein eigenartiger Reiz ausgeht.
Namentlich in seiner filmischen Umsetzung von Poes Erzählung «Der Niedergang des Hauses Usher» ist es Corman sehr gut gelungen, die von Poe beschworene Atmosphäre von Zerfall und Wahnsinn einzufangen.
Eine kleine Episode aus den Dreharbeiten zu diesem Film macht deutlich, dass Corman auch bei einem anspruchsvollen Werk die Kosten zu dämpfen suchte. Die Aussenaufnahmen, die zeigen, wie der Erzähler durch den Wald zum Hause der Familie Usher reitet, sollten eine besonders eigenartige Landschaft zeigen. Als Corman hörte, dass in der Nähe ein Waldbrand wütete, fuhr er zur Brandstelle. Nachdem das Feuer gelöscht war, kehrte er am nächsten Tag mit einer kleinen Filmcrew an den Ort zurück, setzte die Nebelmaschine in Gang und nahm dort die gewünschte Szene auf. «Und so», schreibt Corman in seiner Autobiografie, «erhielt ich genau das, was ich wollte.»
Basler Schmuggelpfad – immer gut für eine Handvoll Dollar
In seiner Autobiografie erzählt Corman im Übrigen auch eine Anekdote, in der die Region Basel eine Rolle spielt. Anfang der Fünfzigerjahre lebte er einige Zeit in Paris. Auch damals war er gelegentlich knapp bei Kasse. Da lernte er jemanden kennen, der eben eine Leica aus der Schweiz nach Frankreich geschmuggelt und mit Profit verkauft hatte.
In der Folge tat es Corman ihm mehrmals gleich. Allerdings kaufte er die Kameras in Lörrach («in a little German town right across the Swiss border at Basel») und schmuggelte sie dann via Basel nach Paris. Pro Kamera machte er so einen Gewinn von rund 100 Dollar.