Schaufenster für die Basler Videokunst

Das Projekt Videocity.bs präsentiert in 16 Schaufenstern von Basler Innenstadtgeschäften aktuelle und beinahe schon als historisch zu bezeichnende Videokunstarbeiten von Künstlerinnen und Künstlern, die einst in Basel gearbeitet haben oder noch immer hier tätig sind.

Die Initiatin und Kuratorin Andrea Domesle vor Claire Guerriers Videoarbeit «Wünsche» (2012) im Unternehmen Mitte (Bild: Dominique Spirgi)

Videocity.bs macht uns in Schaufenstern von Basler Innenstadtgeschäften aufmerksam auf ältere und jüngere Basler Videokunst.

Im Schaufenster des Basler Boss Stores in der Gerbergasse sind auf einem grossen Videoscreen zwei Boxkämpfer zu sehen, die sich im Ring ineinander verhakt haben, bis die Szenerie in einem unmittelbaren Schnitt auf einen Teich mit Seerosen wechselt, die sich sanft und friedlich auf der Wasseroberfläche wiegen. Als Betrachter dieser Szene kämpft man (bzw. kämpfte man am letzten meteorologischen Frühlingstag des Jahres) mit dem garstigen Wetter. Der schmale Dachfirst auf der gegenüberliegenden Strassenseite bietet kaum Schutz vor Regen und Wind.

In der Hoffnung, dass das Wetter doch noch besser werden könnte, wird man später wieder vorbeikommen, um Hildegard Spielhofers schöne und zugleich sinnliche Arbeit «Videopoem (vanished days)» weniger gestört betrachten zu können. Vielleicht werden dann die vielen Passanten den Blick erschweren. Aber wahrscheinlich liegt ja gerade darin der Reiz der Aktion Videocity.bs, die Werke von Basler Videokunstpionieren und ihren jüngeren Kolleginnen und Kollegen in Schaufenstern von Basler Innenstadtgeschäften zeigt.

Pionierarbeiten und aktuelle Werke

Bei garstigem Wetter hat es Erich Busslinger mit der Platzierung seines Videoclip-Panoptikums «Inland Archiv» (2004) beim Hotel Basel an der Münzgasse besser. Das Hotelvordach schützt die Betrachter seiner mit den Klischeebildern des Landes spielenden Einblicke in den Schweizer Alltag. Auch Anna Wintelers Schwarzweiss-Video «Le petit déjeuner sur la route d’après Manet» aus dem Videokunst-Paläozoikum von 1978 im Fenster der Confisérie Bachmann an der Gerbergasse lässt sich betrachten, ohne dass man klitschnass wird. Auf dem wunderbaren Videokunst-Dokument ist die Künstlerin als Performerin zu erleben, wie sie sich auf einem Zeitlupenspaziergang am Kleinbasler Rheinufer von der Mittleren zur Wettsteinbrücke langsam ihrer Kleider entledigt.

Videocity.bs
Videoparcours durch die Basler Innenstadt
1. Juni bis 28 Juli 2013
Eine Kooperation von Andrea Domesle (Kuratorin) und Pro Innerstadt Basel

Richtig wetterfest platziert ist Claire Guerriers Auswahl aus ihrer Serie «Wünsche» (2012) im Innenraum des Unternehmens Mitte. Der gewählte Ort ist aber nicht nur ein wettermässig glücklicher Zufallsgriff, sondern steht in einem inhaltlichen Bezug zur Umgebung – wie auch die anderen 15 Videoarbeiten auf dem Parcours zwischen Messeplatz und Bahnhof SBB. Auf den acht Bildschirmen im grossen Kaffeehaussaal sind stumme Gesichter von jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Mitte zu sehen, begleitet von einer Tonspur, auf der deren Anworten zu grundlegenden Fragen des Seins zu hören sind.

Lokales Kunstschaufenster während der Art Basel

Vor dieser Arbeit sitzt Andrea Domesle, die Initiantin und Kuratorin des Videoparcours Videocity.bs, der von der Vereinigung Pro Innerstadt Basel ideell und finanziell mitgetragen wird. Auf die Frage nach dem Warum sprudelt es nur so aus ihr raus. Natürlich sei der Zeitpunkt rund um die Art-Messewoche nicht zufällig gewählt. Da nun aber die Art sehr wohl die Kunstwelt nach Basel bringe, nicht aber unbedingt die Basler Kunst in die Welt, habe sie diesen Auftritt als Plattform für die hiesigen oder einst hier tätigen Künstlerinnen und Künstler ermöglichen wollen.

Auch die Wahl des Mediums Videokunst sei durchaus als eine Art Plädoyer zu verstehen, meint Domesle. Denn nach wie vor hätten es die bewegten Kunstbilder nicht leicht, sich im internationalen Kunstmarktzirkus zu behaupten. Natürlich gibt es Ausnahmen, wie etwa die Arbeiten von Pipilotti Rist, dem grossen Star der Schweizer Videokunstszene. In den 1980er-Jahren hatte Pipilotti Rist in Basel studiert. Mit anderen Pionierinnen der Schweizer Videokunstszene wie Muda Mathis, Sus Zwick und Fränzi Madörin (deren Gruppenarbeit «Das ideale Atelier – woher unsere Bilder kommen» im Schaufenster des Edelmöbelgeschäfts Wohnbedarf zu sehen ist) war sie einst als Mitglied der Performanceband «Les Reines Prochaines» verbunden.

Wenn Kunst und Kommerz sich treffen

Dass nun 16 ausgewählte Videokunstwerke in Schaufenstern von Basler Innenstadtgeschäften zu sehen (und zum Teil auch zu hören) sind, ist nicht zuletzt der Kooperation mit der Vereinigung Pro Innerstadt zu verdanken, die nach Aussage von Andrea Domesle spontan dazu bereit war, diese Idee mitzutragen. Nicht immer ganz so einfach sei es allerdings gewesen, die Läden zur Mitarbeit zu überreden. Letztlich zeigt sich die Kuratorin aber mit der Auswahl der Ausstellungsfenster zufrieden. Das Ziel, letztlich auch einen inhaltlichen Bezug zwischen der künstlerischen Arbeit und der vom Einkaufskommerz geprägten Umgebung zu schaffen, sei erreicht worden, sagt Domesle.

Für die neutralen Betrachter sind diese Bezüge allerdings nicht durchgehend nachvollziehbar. Manchmal wirken sie auch etwas oberflächlich konstruiert, etwa wenn sich der Titel «Le petit déjeuner…» auf ein Lokal bezieht, in dem es Kaffee und Gipfeli zu konsumieren gibt (was aber dem Vergnügen, dieses Werk zu sehen, keinen Abbruch tut). An einigen Orten allerdings geht diese Rechnung sehr gut auf. Zum Beispiel im Schaufenster des Luxustaschenfabrikanten Louis Vuitton in der Freien Strasse: Dort ist neben dem prächtigen Reisekofferschrank mit der bekannten Musterung das Video «Tretet ein in die Kontinente I» (2009) von Christoph Oertli zu sehen – ein Video, das weniger postkartenidyllische Einblicke in das Reiseland Ägypten zeigt und somit einen schönen Kontrapunkt zum Sortiment des Geschäfts setzt, das für Reisen im obersten Luxussegment steht.

Nächster Artikel