A.* ist ein sehr guter Schüler. Der Sechstklässler schrieb lauter 5er und 5,5er. Nur zwei 4er stehen in seinem Zeugnis. In Handarbeiten und Musik – die Fächer also, die am Gymnasium keine Rolle mehr spielen.
Doch vorher zählen sie. In A.’s Zeugnis tragen sie zum Notenschnitt von 5,1 bei. Das reicht just nicht, dass A. von der Primarschule in das höchste Niveau der Sekundarschule, den P-Zug, wechseln kann.
Der P-Zug bereitet Schülerinnen und Schüler aufs Gymnasium vor – deshalb auch die Abkürzung P wie «progymnasial».
Die Weichen seien für den Sohn damit gestellt, befürchtet der Vater von A. «Und das nur, weil er in Handarbeiten nicht basteln konnte. Das ist doch absurd.» Der Vater findet die Regelung ungerecht, weil der Sohn in den Kernfächern Deutsch und Mathematik jeweils eine 5,5 hatte.
Rekordhohe Gymi-Quote
Tatsächlich schreibt die Laufbahnverordnung einen Notendurchschnitt von 5,25 vor, damit ein Primarschulkind in den P-Zug in der Sekundarschule wechseln darf. Für das mittlere Niveau, den E-Zug, ist ein Schnitt von 4,5 notwendig. Alle Schülerinnen und Schüler, die darunter liegen, kommen in den A-Zug – A steht für «Allgemeine Voraussetzungen», E für «Erweiterte Voraussetzungen».
Während der Sekundarschule können Schülerinnen und Schüler immer noch in ein höheres Niveau wechseln, wenn sie sehr gute Noten haben. Der Vater von A. befürchtet aber, dass sein Sohn im mittleren Zug bleibt. Die Lerninhalte im E-Zug seien so gestaltet, dass ein Wechsel in das höhere Niveau praktisch unmöglich sei. Somit werde es sein Sohn in drei Jahren nicht ans Gymnasium schaffen.
Doppelt unverständlich wirkt der Zuteilungsentscheid für ihn, weil die Gymi-Quote in diesem Schuljahr bei 45 Prozent liegt. Also fast jeder zweite Schülerin oder Schüler der neunten Klasse wechselt im Sommer aufs Gymnasium. Und da soll A. nicht dazugehören? Wegen fehlenden Bastelfertigkeiten?
Nur die Kernfächer oder alle Fächer zählen?
Erziehungsdirektor Conradin Cramer (LDP) kündigte aufgrund der hohen Gymnasialquote bereits an, die Selektionierung an den Sekundarschulen zu verschärfen. Diese Ankündigung sorgte wiederum bei Lehrerorganisationen für Kritik.
Gaby Hintermann, die Präsidentin der Kantonalen Schulkonferenz, kann verstehen, dass die Eltern von A. frustriert sind. Sie sagt aber auch: «Ob es gerecht ist oder nicht, liegt nicht in meinem Ermessen.» Die Laufbahnverordnung sei eben so, wie sie ist.
Innerhalb der Lehrerschaft sei die Übertrittsregelung ein Streitpunkt. «Es gibt diejenigen Lehrpersonen, die finden, nur die Kernfächer müssten für die Niveauzuteilung gelten. Andere sagen, alle Fächer zählen dazu – nicht zuletzt deshalb, weil Gestalten und Musik nicht bloss nette Nebenbeschäftigungen sind.»
«Es ist sicher falsch, zu glauben, dass mit einem solchen Entscheid alle Chancen fürs Leben vorbei seien.»
Die Aussage, ein guter E-Zug-Schüler werde abgehängt und könne in Zukunft nicht ans Gymnasium, sei aber nicht richtig. Bereits im ersten Quartal in der Sekundarschule sei ein Wechsel möglich. Bis dann können Lehrpersonen nämlich den Zuteilungsentscheid der Primarschule korrigieren, ohne dass der Schüler oder die Schülerin eine Übertrittsprüfung macht. Zudem sei nach jedem Halbjahr erneut ein Wechsel möglich, wenn das Schulkind über einem Notenschnitt von 5,25 liege.
Wie Hintermann sagt, sind ein Zeugnis und eine Zuteilung immer nur eine Momentaufnahme. In einem Fall wie dem von A. sei es darum wichtig, dem Schüler Mut zu machen. «Es ist sicher falsch, zu glauben, dass mit einem solchen Entscheid alle Chancen fürs Leben vorbei sind», so Hintermann.
Das Erziehungsdepartement war bis zur Veröffentlichung des Artikels aufgrund einer Abwesenheit der Volksschulleitung nicht für eine Stellungnahme erreichbar.