Der Gitarrist und Sänger Robert Wittner gehörte zu den Pionieren der Schweizer Rockmusik. Mit seiner Band The Dynamites schrieb er in den 60er-Jahren Schweizer Musikgeschichte. Er spielte im Hallenstadion vor Cliff Richard und landete mit «Too Late» den ersten Top-Ten-Hit einer Schweizer Rockgruppe. Am 27. Oktober ist er im Alter von 70 Jahren gestorben.
Es begann Mitte der 50er-Jahre: Heimlich hörte Röbi Wittner unter seiner Bettdecke Radio Luxemburg. Dieses versorgte die europäische Jugend mit dem rebellischen Sound aus den USA: Rock’n’Roll. «Ich nahm Songs von Gene Vincent oder Bill Haley mit meinem ‹Revox›-Tonbandgerät auf und versuchte, sie auf meiner Ukulele, später auf der Gitarre nachzuspielen», erinnerte er sich. Mit 14 Jahren riss er von zu Hause aus, schlug sich in Genf durch, indem er in einem Lokal die Gäste mit Rock’n’Roll unterhielt – bis ihn die Eltern aufspürten und nach Basel zurückholten.
Von einer Kleinhüninger Waschküche ins Basler Stadtcasino
1958 gründete der 16-jährige Basler die Little Robin Band. «Wir übten in öffentlichen Toiletten oder in Waschküchen, weil es darin so schön hallte», erzählte er. Die Gruppe probte zudem im Saal des Kleinhüninger Restaurants Drei Könige und zog durch die Fenster neugierige Blicke anderer Teenager auf sich. Bald breitete sich das Rock-’n’-Roll- Fieber im Quartier aus, neue Bands formierten sich. Wittners Band blieb die explosivste und nannte sich ab 1959 The Red Dynamites. Mit einer ersten Rock-’n’-Roll-Veranstaltung füllte die Combo den Saal des Drei Könige, 1962 war die Safran Zunft ausverkauft, und schliesslich hielt der Beat auch Einzug ins bürgerliche Stadtcasino. Tausend Zuschauer bejubelten den Auftritt der Band, die sich ab 1964 kurz und knackig The Dynamites nannte.
Erfolge im Hallenstadion und in Paris
Die «Tribune de Genève» feierte sie damals als «Le premier orchestre suisse dans le style Beat». Bis zu 2000 Franken Gage konnten die Dynamites einstreichen, eine stolze Summe für die damalige Zeit. Sie erhielten Engagements im Ausland, in Frankfurt etwa oder am Filmball in München – und waren Schweizer Rollenmodell für zahlreiche Jugendliche, die selbst eine Band gründeten. Beatgruppen schossen aus dem Boden wie Pilze, aber Wittner hatte die Nase vorn. Er veröffentlichte 1965 mit The Dynamites «Too Late», die erste Schweizer Beat-Single, die es in die Top Ten der Hitparade schaffte. 5000 Exemplare wurden davon verkauft, die Band aber sah dafür nie einen Rappen.
1965 spielten The Dynamites im Zürcher Hallenstadion vor Cliff Richard – einer der Höhepunkte ihrer Karriere. Wittner war nicht nur ein feuriger Frontmann, er wusste auch, wie man den Mythos aufrecht erhielt: So drängte er darauf, dass die Band nach einem erfolgreichen Konzert jeweils woanders feiern ging, weil «ich die Illusion nicht zerstören wollte. Solange uns die Mädchen nicht näher kannten, waren wir für sie die Könige.»
Pragmatischer Abschied von der Musik
1966 traten The Dynamites am internationalen Rock-’n’-Roll-Wettbewerb in Paris auf und belegten den 1. Platz. Ein schöner Erfolg. Aber auch der Anfang vom Ende. Denn Bandleader Wittner sah in Paris, wie viele starke britische und amerikanische Bands ebenfalls auf den Durchbruch hofften. Also entschied der Pragmatiker, die E-Gitarre für immer an den Nagel zu hängen. Er holte die Matur nach, absolvierte ein wirtschaftswissenschaftliches Studium und gründete bald eine Familie. Sein Sohn studierte später Klavier und arbeitet als Musiklehrer, Robert Wittner aber verfolgte die Musik nur noch aus Distanz. Seinen Entscheid bereute er nicht, wie er beteuerte.
Am 27. Oktober 2012 starb Robert Wittner. Er war ein wichtiger Wegbereiter der Schweizer Beat- und Rockmusik, ein ambitionierter Bandleader – und ein bescheidener Mensch, der – das in eigener Sache – mit seinen Erzählungen massgeblich zur Idee beitrug, Basler Pop- und Zeitgeschichte festzuhalten und als Buch zu veröffentlichen. Was er in den acht Jahren seiner Karriere als Rock’n’Roller geleistet hatte, darf nicht vergessen gehen.