Sehr geehrter Roboter 158X5, Ihre Steuererklärung fehlt noch…

Die fortschreitende Digitalisierung und Automatisierung verändert die Arbeitswelt massiv. Das Europäische Parlament fordert nun in einem Entwurfsbericht, dass Besitzer von Robotern Abgaben zahlen sollen. Aber konsequenter wäre, wenn Roboter Steuern bezahlen würden.

Roboter schaffen Mehrwert. Sollen sie deshalb Geld verdienen und Steuern zahlen?

(Bild: Nils Fisch)

Die fortschreitende Digitalisierung und Automatisierung verändert die Arbeitswelt massiv. Das Europäische Parlament fordert nun in einem Entwurfsbericht, dass Besitzer von Robotern Abgaben zahlen sollen. Aber konsequenter wäre, wenn Roboter Steuern bezahlen würden.

Roboter bevölkern immer mehr die Arbeitswelt. In Fabriken zurren Roboter Schrauben fest. In Krankenhäusern führen Roboter Operationen durch. In einigen US-Kanzleien durchforsten Roboteranwälte juristische Datenbanken. Im Hotel Aloft Cupertino im Silicon Valley düst ein Roboterbutler durch die Korridore und liefert den Gästen Bestellungen aufs Zimmer. Und der Fahrdienstleister Uber wird bald die ersten Robotertaxis auf die Strasse bringen. 

Ökonomen sagen voraus, dass in den nächsten Jahrzehnten bis zu 50 Prozent der Jobs vernichtet werden können. Mittlerweile trommeln sogar schon Wagniskapitalgeber aus dem Silicon Valley wie Marc Andreessen, die sonst ein dezidiert libertäres Staatsverständnis haben, für ein bedingungsloses Grundeinkommen, aus Angst, ihr auf Konsum gründendes Geschäftsmodell könnte wegbrechen. Auch sie liefern freilich keine Antwort darauf, wie ein bedingungsloses Grundeinkommen finanzierbar ist.

Die Übernahme menschlicher Tätigkeiten durch Roboter und Systeme mit künstlicher Intelligenz (KI) könnte die Steuerbasis dramatisch verringern. Die Frage ist:

Wenn Maschinen unsere Jobs wegnehmen, wer soll dann noch Steuern zahlen?

Der Rechtsausschuss des EU-Parlaments hat Ende Mai einen Entwurfsbericht vorgelegt, in dem eine Sozialabgaben- und Steuerpflicht und ein europaweites Register für Industrieroboter gefordert werden. Die Roboter könnten als «elektronische Person» klassifiziert und somit in den Status eines Rechtssubjekts gehoben werden. Damit könnte man zum Beispiel verhindern, dass Amazon im Weihnachtsgeschäft kurzerhand 15’000 Roboter «einstellt» und sich durch die Substituierung menschlicher Arbeit der Sozialabgabenpflicht entzieht (und durch seinen Sitz in Luxemburg ohnehin kaum Steuern zahlt).

Der Entwurf diskutiert eine der zentralen Fragen der Automatisierung: Wem gehören die Roboter? Kann die Armada von Robotern in ein genossenschaftliches System überführt werden, wie es sich die Utopisten der Bewegung des «Fully Automated Luxury Communism» erträumen? Eine Welt, in der Maschinen für uns arbeiten und wir dem süssen Nichtstun frönen? Oder verbleiben die Roboter im Eigentum einiger weniger Tech-Konglomerate, die damit ihren Wohlstand mehren?

Roboter sollen nicht Steuern zahlen, sondern deren Besitzer Abgaben.

Der Entwurfsbericht forderte nicht, wie von einigen Medien fälschlicherweise behauptet, dass Roboter Steuern bezahlen, sondern dass die Eigentümer eine Abgabe (so wie die in Österreich unter dem Stichwort «Maschinensteuer» diskutierte Wertschöpfungsabgabe) entrichten, um die Automatisierungsgewinne umzuverteilen. Doch wäre es nur folgerichtig, wenn man Robotern eine eigene Rechtspersönlichkeit verleiht, dass man sie auch zur Kasse bittet.

Auch der Digitale Ausschuss des deutschen Bundestags setzte sich jüngst mit dem Thema Robotersteuer auseinander. Frank Rieger vom Chaos Computer Club forderte bereits 2012 in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung»: «Wenn uns Roboter und Algorithmen in der Arbeitswelt ersetzen, sollten sie auch unseren Platz als Steuerzahler einnehmen.»

«Die derzeitige Finanzierung unseres Gemeinwesens», schreibt Rieger weiter, «beruht grösstenteils auf der Besteuerung von menschlicher Arbeit und menschlichem Konsum.» Verlagert sich die Produktion auf nichtmenschliche Arbeit, kippt das ganze Modell. Und auch dessen Legitimationsgrundlage.

«Menschen bezahlen Mehrwertsteuern, Algorithmen nicht – das ist schierer Irrsinn.»

Der Technik-Entrepreneur Adam Braus brachte in einem Beitrag für das Portal «Medium» («Don’t Tax Humans — Tax the Robots») ein gewichtiges Argument vor: «Wenn Menschen Kleidung, Gemüse, Gas und so weiter kaufen, zahlen sie etwa vier bis sechs Prozent Mehrwertsteuer. Wenn aber ein Algorithmus im Hochfrequenzhandel eine Billion Aktien von A oder B an einem Tag ankauft oder verkauft, zahlt er nichts. Das ist schierer Irrsinn.» Das scheint tatsächlich eine Leerstelle im Steuersystem zu sein. Warum sollte nicht eine Abgabe für jeden gewerblich genutzten Computer erhoben werden?

Man könnte Algorithmen oder Robotern über ein zentrales Register einen Lohn überweisen – beispielsweise, um eventuelle Schadensersatzansprüche zu decken – von dem dann ein Teil als Steuer einbehalten wird. Der Harvard-Ökonom Richard Freeman sagt im Gespräch:

«Die Besteuerung von Robotern bedeutet, dass man das Kapital besteuert. Dabei ist es schwer, den Roboter von anderen Maschinen abzugrenzen, die Arbeit verrichten, welche der Mensch tun kann. Es wäre jedoch besser, die Reichen zu besteuern, die das Kapital besitzen, wenn das Ziel ist, die Einkommen auf die Arbeiter umzuverteilen und Ungleichheiten zu reduzieren.»

Könnte ein cleveres, vom Skript abweichendes KI-System möglicherweise auch Steuern hinterziehen? Wie soll man eine Kollusion von Algorithmen überhaupt entlarven, um sie dann zu bestrafen? Man müsste das Modell auch gesellschaftspolitisch zu Ende denken.

«No taxation without representation», postulierte die amerikanische Unabhängigkeitsbewegung. Wenn man Robotern eine Steuerpflicht auferlegt, müssten man ihnen konsequenterweise auch ein politisches Mitspracherecht zubilligen.

Wenn man Robotern eine Steuerpflicht auferlegt, müssten man ihnen konsequenterweise auch ein politisches Mitspracherecht zubilligen.

Der Entwurfsbericht spricht ausdrücklich von Rechten und Pflichten, ohne diese näher zu konkretisieren. Bloss: Wie sollen die Interessen der Roboter aggregiert werden und an das politische System herangetragen werden?

Der Soziologe Bruno Latour skizzierte in seinem Werk «Das Parlament der Dinge» ein System der Gewaltenteilung bestehend aus zwei Kammern. In der ersten ist die Gesamtheit der Menschen versammelt, in der zweiten die aller Gegenstände, also auch Maschinen (unter der Prämisse, dass sie kein Gewissen haben).

Fraglich ist, ob eine solche institutionelle Einhegung in der Praxis funktionierte und man widerstreitende Interessen in diesem System austarieren könnte. Im 19. Jahrhundert zerstörten die Maschinenstürmer (auch Ludditen genannt) in den Fabriken Nordenglands Webstühle und Maschinen. Noch hat es abgesehen von ein paar Übergriffen auf Roboter in US-Krankenhäusern keinen Maschinensturm 2.0 gegeben, und auch der Aufstand der Roboter ist ausgeblieben. Doch die fortschreitende Automatisierung der Arbeitswelt könnte noch zu heftigen Verteilungskämpfen führen.

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