Sehr vieles wird neu am Theater Basel

Mit einem beinahe schon radikalen Neubeginn im Schauspiel, einem neuen Erscheinungsbild, vielen frischen Kräften bei der Oper und einer deutlichen Hinwendung hin zu interdisziplinären Projekten steigt das Theater Basel in das siebte Jahr der Ära Georges Delnon.

2012 wurde die neue Leitung präsentiert, bei der Saisonvorschau im Mai soll der Abgang von Simon Solberg (rechts) bekannt gegeben werden. (Bild: Dominique Spirgi)

Der Spielplan 2012/13 des Theater Basel hat es in sich: Im Schauspiel steht ein ziemlich radikaler Neubeginn an, in der Oper stösst unter anderem ein Komiker zum Regieteam und in den Zwischenräumen machen sich mehr und mehr interdiziplinäre Projekte breit.

«Happy Days in Basel» steht in grossen Lettern auf der Saisonvorschau 2012/2013 des Theater Basel, die als Teil des neuen Erscheinungsbilds (Ludovic Balland) neu nicht mehr Broschüre, sondern ein währschaftes Buch mit Hardcover ist. «Happy Days» ist indirekt vielleicht das Versprechen, dass das siebte Jahr der Ära Georges Delnon kein verflixtes wird, direkt aber bezieht sich der Titel auf eine «Facebook Sitcom», die sich durch das ganze 200-seitige Werk zieht. Es handelt sich dabei um ein Auftrags-Kunstprojekt von Ed Fornieles und Max Luz, das ganz witzig wirkt, das Lesen des eigentlich massgeblichen Inhalts, nämlich der Saisonvorschau, indes nicht gerade erleichtert.

Auch die Art und Weise, wie das Leitungsteam des Theater Basel die neue Saison vor den Medien vorstellte, war eine kleine Herausforderung – zumindest für die Schreibenden, die in Eile waren. Gemäss der Devise, dass das Theater Basel nun neu vermehrt Gespräche führen möchte, verzichteten Delnon und Co. darauf, den Spielplan Punkt für Punkt durchzugehen, und inszenierten die Saisonvorschau als launige Talkrunde mit dem Direktor als Gesprächsleiter.

Ganz nur auf die Rolle des Talkmasters konnte sich Delnon nicht beschränken. Denn nach dem Abgang des erfolgreichen Opernchefs Dietmar Schwarz amtet Delnon nun neu zusätzlich auch als Leiter der Opernsparte. Deshalb holt er sich – das ist einer der vielen neuen Köpfe im Leitungsteam – eine Stellvertreterin ans Haus: Sie heisst Stephanie Gräve, kommt vom Theater Bonn nach Basel und wird sich intensiv um interdisziplinäre Projekte kümmern. Interdisziplinär heisst in diesem Fall nicht nur die Pflege der Schnittmengen zwischen den Theatersparten, sondern auch eine explizite Einbindung der bildenden Kunst in den Theaterbetrieb. Letzteres steht aber erst noch in einer Projektphase.

Radikale Erneuerung des Schauspiels

Mit den grössten Erwartungen wird in der kommenden Spielzeit das Schauspiel konfrontiert werden, das sich ziemlich radikal erneuern wird. Mit dem bisherigen Chefdramaturgen Martin Wigger und den beiden jungen und spannenden Regisseuren Tomas Schweigen und Simon Solberg tritt ein neues Leitungstriumvirat an, das frischen Wind in die in den vergangenen Jahren etwas verblasste Sparte bringen soll  – und sicherlich auch bringen wird. Solberg und Schweigen, die beide mit je drei Inszenierungen im Spielplan aufgeführt sind, stehen für ein hochenergetisches und packendes Theater, das die Zeichen und Medien unserer Zeit zu nutzen weiss, ohne aber das Unmittelbare und die Direktheit der uralten Kunstform Theater zu verraten.

Dieser Neubeginn hat natürlich personelle Folgen: So wird das Schauspielensemble zu zwei Dritteln ausgewechselt, und auch das Regieteam präsentiert sich in vielen Positionen neu. Als Beispiel unter mehreren sei hier die erfolgreiche Schweizer Filmemacherin Bettina Oberli („Die Herbstzeitlosen“) erwähnt, die mit einer Dramatisierung von Tolstois Grossroman Anna Karenina ihre erste Regiearbeit an einem Theater präsentieren wird.

Neue Leute, alte Stücke

Während sich das Schauspiel in seiner personellen Zusammensetzung und sicher auch in der bühnenästhetischen Ausstrahlung ganz und gar in einem neuen Lichte präsentieren wird, wirkt der Spielplan von den Werken und Stoffen her gesehen beinahe schon merkwürdig konventionell. Klassiker wie Schiller, Goethe, Strindberg, Frisch, Tolstoi und sogar das Alte Testament («Moses – Auszug aus Ägypten») sind dominierend. Und mit dem Stück «Der Park» des neuen Hausautors und beinahe schon altbekannten Textperformers Gabriel Vetter steht nur gerade eine Uraufführung eines eigentlichen dramatischen Textes auf dem Spielplan (neben der Uraufführung der Bühnenadaption von Robert Harris‘ Bestsellerroman «Angst»).

Man habe darauf verzichtet, nur um des Uraufführens Willen Uraufführungen zusammenzutragen, lässt die Schauspielleitung dazu verlauten. Das muss kein Verlust sein. Denn die Regisseure werden wohl dafür sorgen, dass die alten Werke nicht allzu alt daherkommen werden. Etwa, wenn der Zürcher Theatermacher und Musiker Thom Luz (Gitarrist und Sänger der Indie-Band «My Heart Belongs to Cecilia Winter») Goethes «Werther» in umgekehrter Reihenfolge erzählen wird, wenn Tomas Schweigen sich in die tiefenpsychologischen Gefilde von Strindbergs «Traumspiel» begeben oder Simon Solberg die Schmerzzentren von Schillers «Don Carlos» abklopfen wird. Ausserdem wollen Schweigen und Solberg den Schauspielplan mit vielen spontanen und aktuellen Acts auffrischen. (Mehr zum Neubeginn im Schauspiel in der gedruckten Ausgabe vom 25. Mai)

Uraufführungsreigen in der Oper

Von einem Mangel an Uraufführungen kann in der Oper wiederum keineswegs die Rede sein. Gleich vier davon konnte Delnon in seiner Funktion als Opernchef ankündigen. So zum Beispiel «Der Sandmann» des Basler Komponisten Andrea Lorenzo Scartazzini zu einem Libretto von Thomas Jonigk nach der bekannten gleichnamigen Erzählung von E.T.A. Hoffmann. Dazu kommen ein Abend mit drei Kurzopern von Michael Roth und Alfred Zimmerlin, der allerdings beim Co-Produzenten Lucerne Festival erstaufgeführt werden wird, und zwei Kammeropern von Augustí Charles und Francesco Prat (letzere eine Produktion des Gare du Nord).

Als gängigere Repertoireopern stehen Verdis «Un ballo in maschera», Janáčeks «Katja Kabanova», Massenets «Manon», Mozarts «Idomeneo» und Haydns Dramma giocoso «Lo Speciale» auf dem Programm. Haydns komische Oper wird das Regiedebüt des Komikers Massimo Rocchi sein, mit dem Delnon, wie er selber sagt, schon seit längerer Zeit über eine Zusammenarbeit verhandelt hat. Rocchi ist nur einer von mehreren neuen Namen in der Opernregie. So ist Calixto Bieto, der Benjamin Brittens «War Requiem» inszenieren wird, als einer der wenigen Regiestammkräfte in der Basler Oper übriggeblieben.

Interdisziplinäres

Weiter seine Spuren am Theater Basel hinterlassen wird Christoph Marthaler. In der Saison 2012/2013 allerdings nicht mit einer Oper oder einer Operette, sondern mit einem Liederabend, der Theaterkunstform, die ja der Ursprung von Marthalers Theaterschaffen ist. In die Schublade des Interdiziplinären kann auch «The Black Rider» von Tom Waits, Robert Wilson und William S. Burroughs gesteckt werden. Ebenso das «Schauspiel für sieben Göttinnen» mit dem Titel «Königinnen», mit dem der ehemalige Basler Tanztheaterchef Joachim Schlömer für eine Produktion (mit dem Schlagzeuger Fritz Hauser als Co-Autor) ans Theater Basel zurückkehren wird. Überschreitungen der Spartengrenzen werden auch im Schauspiel nicht selten spürbar sein, etwa (und nicht nur) bei den beiden Projekten «Like a Rolling Stone» und «Vaudeville open air» von Co-Leiter Tomas Schweigen und seiner ehemals freien und nun eingebundenen Truppe Far A Day Cage.

Ballett als Konstante

Die grosse Konstante am Theater Basel bleibt das Ballett – auch wenn es, wie Ballettchef Richard Wherlock ausführte – im Ensemble einige altersbedingte Wechsel geben wird. Wherlock selber wird zu Tschaikowskys «Eugen Onegin» eine neue Choreografie präsentieren. Dazu kommen unter anderem «Cinderella» des belgischen Choreografen Stijn Ces zur Musik von Sergej Prokofiew und ein choreografisches Kunstprojekt des Star-Choreografen William Forsithe.

Alles Weitere zum Hauptprogramm und zum ausgesprochen reichhaltigen Angebot unter dem Titel «Junges Schauspiel / Oper / Tanz» sind im Saisonbuch aufgeführt, das es hier als pdf-Datei gibt oder aber in guter alter Buchform beim Theater Basel bestellt oder dort abgeholt werden kann.

 

 

 

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