Der Basler LDP-Grossrat André Auderset befürchtet eine Verlagerung der Strassenprostitution von Zürich nach Basel. Die Ursache sieht er in den neuen Sexboxen in Zürich.
André Auderset ist der Mann mit dem direkten Draht ins Kleinbasel. Als LDP-Grossrat trägt er die Anliegen der dortigen Anwohner ins Parlament. Am Montag wurde er wieder aktiv und reichte eine Interpellation ein mit dem anschaulichen Titel «Sorgen ZH-Sexboxen für Rotlicht-Explosion im Kleinbasel?»
Besorgte Anwohner und Gastronomen aus der Webergasse und der Ochsengasse hätten sich an ihn gewendet, schreibt Auderset in der Anfrage. Es habe in den letzten Monaten eine «enorme Ausweitung der Strassenprostitution» gegeben, die zeitlich mit der Eröffnung der Sexboxen in Zürich beziehungsweise mit der Schliessung des Strassenstrichs am Sihlquai Ende August zusammenfalle.
Die Anwohner erzählten Auderset von Bussen, die «ortsfremde Damen platzieren» würden. Jene neu dazu gekommenen Damen würden durch ein sehr offensives Verhalten auffallen und beispielsweise Passanten anfassen und beschimpfen, wenn diese nicht auf sie eingingen. Weiter wollen die Anwohner ein «in diesem Ausmass nicht bekanntes Litteringproblem» beobachtet haben.
«Wir haben keine Hinweise auf einen Zusammenhang mit den Sexboxen in Zürich.»
Martin Schütz, Polizeisprecher Basel
Auderset will vom Regierungsrat nun wissen, ob diese Entwicklung den Behörden bekannt sei, ob tatsächlich ein Zusammenhang zur Situation in Zürich bestehe und wie man gedenke, diesen «Negativfolgen» zu begegnen.
Polizeisprecher Martin Schütz kann zu Audersets Fragen nicht ausführlich Stellung nehmen, denn der Grosse Rat habe das Recht, die Antworten auf eine Interpellation zuerst zu erhalten. Schütz sagt lediglich, dass er keine Hinweise auf einen Zusammenhang mit den Sexboxen in Zürich habe.
Auswirkungen auf Basel befürchtet
Gleich äussert sich auch Viky Eberhard von der Beratungsstelle für Sexarbeiterinnen «Aliena». Eberhard kennt die Szene bestens und spricht täglich mit den Frauen. «Die Beobachtung, dass sich die Situation an der Weber- und Ochsengasse in den letzten Wochen und Monaten verschärft hat, kann ich nicht bestätigen.» Auch habe ihr keine Sexarbeiterin erzählt, dass sie aufgrund der neuen Sexboxen nach Basel komme. «Generell sehen wir, dass die Frauen immer mobiler werden und öfter die Stadt oder das Etablissement wechseln», sagt Eberhard.
Vor der Schliessung des Sihlquai habe man sich bei «Aliena» jedoch durchaus gefragt, ob die neue Situation in Zürich auch Auswirkungen auf die Szene in Basel habe, sagt Eberhard. Danach sei das aber nie mehr ein Thema gewesen. Auch die Behörden in Bern und Luzern befürchteten eine Verschiebung der Strassenprostitution von Zürich in ihre Stadt, wie der «Blick» im Sommer berichtete.
Weniger Prostituierte in Zürich
Eine Anfrage in Zürich zeigt, dass dort die Anzahl Prostituierten, die ihre Kunden auf der Strasse anwerben, gesunken ist. «Wir haben weniger Strassenprostituierte, das steht fest», sagt der Sprecher der Stadtpolizei, Mario Cortesi. Auf dem Sihlquai seien zeitweise rund 30 Frauen gestanden, erzählt Cortesi. Diese seien aber längst nicht mehr alle an den beiden anderen Orten anzutreffen, wo ein Anwerben von Kunden auf offener Strasse erlaubt ist. «Wohin diese Sexarbeiterinnen gegangen sind, wissen wir nicht.»
«Wohin die Prostituierten gegangen sind, wissen wir nicht.»
Ganz allgemein ist die Anzahl der Prostituierten in Basel in den letzten Jahren sehr stark angestiegen. Dies zeigt ein Blick in eine Anzugsbeantwortung vom 8. Mai, in welcher der Regierungsrat die lokale Situation ausführlich beschreibt. Während im Jahr 2010 noch 1984 Sexarbeiterinnen gezählt wurden, waren es zwei Jahre später bereits 3268.
Der markante Anstieg von mehr als 1200 Sexarbeiterinnen ist auf die «Sexarbeiterinnen im Meldeverfahren» zurückzuführen. Auf jene Frauen also, die seit der jüngsten Erweiterung der Personenfreizügigkeit in der Schweiz für 90 Tage einer Erwerbsarbeit nachgehen dürfen, ohne dafür eine Bewilligung zu benötigen.