Anne Wizorek ist Gast an der TagesWoche-Veranstaltung «Mittendrin» am Mittwoch zum Thema Feminismus. Wir haben vorab mit ihr telefoniert.
Anne Wizorek kommt vom Internet. Ihr Engagement hat mit Blogposts und Tweets begonnen. Sie wollte Aufmerksamkeit schaffen für sexuelle Belästigung und Gewalt, die Frauen täglich erleben und von der Gesellschaft als alltäglich hingenommen werden. Ihr Hashtag #aufschrei hat Tausende Frauen dazu bewegt, mit ihren Erlebnissen herauszurücken und sie öffentlich zu machen. Soeben ist Wizorek wieder in den Medien im Zuge einer Petition, die sich gegen sexistische Berichterstattung bei der sogenannten «Zuger Sex-Affäre» richtet.
Lesen Sie mehr über Geschlechteridentität und Gleichberechtigung in unserem Dossier.
Dass sie vom Netz her kommt, beschreibt Wizorek auch im Vorwort ihres Buches, «Weil ein #aufschrei nicht reicht»: Die lange Form sei ungewohnt für sie, schreibt sie. Und man merkt beim Lesen, dass ihr Zuhause die schnelle und knackige Sprache des Internets ist. Auch als wir telefonieren, weil sie am 11. Februar für das «Mittendrin»-Podium nach Basel kommt, stellt sich bald heraus: Am besten kommen ihre Äusserungen, wenn wir sie knapp und auf den Punkt gebracht wiedergeben. So geschehen!
Die Ausgangsfrage war: Was ist bei einer feministischen Umgestaltung der Gesellschaft eigentlich die Aufgabe der Männer?
«Engagement fängt mit der Erkenntnis an, dass Sexismus auch weiterhin ein Problem ist.»
«Wenn Frauen von sexistischen Erlebnissen erzählen, dann ist es wichtig, ihnen einfach mal zu glauben und ihre Aussagen nicht infrage zu stellen.»
«Menschen tendieren dazu, ihre eigene Perspektive als die einzig wahre zu sehen.»
«Der erste Schritt: Ich glaube dir. Die wichtigste Frage: Wie kann ich dir helfen?»
«58,2 Prozent der Frauen in Deutschland wurden schon einmal sexuell belästigt. Am Arbeitsplatz, auf der Strasse, in einem Onlinemedium.»
«Dass Frauen in der Werbung, in Filmen, in der Popkultur in den meisten Fällen sexistisch dargestellt werden, ist für Männer schwer nachzufühlen – weil sie nicht selber betroffen sind. Das zu erkennen ist eine Empathiefrage.»
«Warum es Frauen schwerer haben, die interessanten Stellen in Unternehmen zu bekommen? Macht! Es geht darum, Machtstrukturen zu erhalten. Die Frauen sollen diese Stellen gar nicht erhalten.»
«Die meisten Männer würden es selber nicht so formulieren, dass sie bewusst Macht ausüben. Aber es gibt die verbreitete Anspruchshaltung, dass Männern der Chefsessel gebührt. Das ist Erziehung. Männer wachsen mit dem Bewusstsein auf, dass sie alles kriegen können, was sie wollen.»
«Mädchen lernen: Du musst doppelt gut sein.»
«Die Charaktereigenschaften Mut, Integrität, Stärke sind alle männlich konnotiert. Wenn du als Mädchen etwas erreichen willst und diese Eigenschaften ausspielst, dann stellst du dich an den äusseren Rand der weiblichen Geschlechterrolle.»
«Frauen, die beruflich etwas erreichen, werden mit dem Frausein abgeglichen. ‹Wer kümmert sich denn um dein Kind, wenn du auf der Arbeit bist›, bekommen sie zu hören.»
«Es ist wichtig, Sexismus nicht als Frauenproblem zu labeln.»
«Ich hatte länger die ‹Ich bin keine Feministin›-Phase. Ich glaubte an das dumme Stereotyp, sie würden Männer hassen, hätten keinen Sex und wären hässlich.»
«Der deutsche Feminismus ist stark von Alice Schwarzer besetzt. Doch Feminismus ist mehr und anders als Schwarzer. Ich bin ins Thema eingestiegen, indem ich amerikanische Blogs dazu gelesen haben. Die behandelten andere Themen und haben eine zugänglichere Sprache. Und auch junge Frauen identifizieren sich da ohne Weiteres mit Feminismus.»
«Die abschreckenden Bilder von Feministinnen sind dazu da, Frauen von Feminismus und politischem Engagement abzuhalten.»
«Auch Männer haben etwas vom Feminismus. Das momentane Konzept von Männlichkeit ist total einschränkend. Dauernd hören sie: Man muss da jetzt durch, dirigieren, stark sein.»
«Dabei ist gar nicht gesetzt, dass der Mann der Jäger mit dem Sextrieb ist, der nicht zu bändigen ist, und die Frau das Burgfräulein, das auf ihn wartet. Das sind veraltete Muster, die mit der Realität nichts zu tun haben.»
«Was tun? Den eigenen Alltag reflektieren, Konzepte hinterfragen. Was ist die vorherrschende Meinung, wie sieht die Realität eigentlich aus? Gleichgesinnte finden, die Überlegungen nach aussen tragen.»
Der TagesWoche-Anlass zum Thema: Mittwoch, 11. Februar, 19 Uhr. Mehr Infos sind nur einen Klick aufs Bild entfernt.