Schon klar: Jeder Mensch ist einzigartig und keiner gleicht dem anderen. Und doch gibt es Typen, die man jedes Jahr am Rhein trifft. Und nein: Das ist keine reine Behauptung vom Schreibtisch aus. Dieser Artikel beruht auf einer seriösen ethnologischen Analyse ganz im Sinne der teilnehmenden Beobachtung. Folgende Typen wurden dabei gesichtet:
Der Fussballprofi
Mit einem Bier in der Hand zeigt der junge Mann am Birsköpfli, was richtig guter Fussball ist. Damit er glaubwürdig wirkt, hat er sich extra das FCB-Nachwuchs-T-Shirt von einem Freund ausgeliehen. Damit es sitzt, muss er fest die Luft anhalten und die Muskeln anspannen. Dass sein gezielter Schuss eine Frau im Gras am Kopf trifft, ist bestimmt Absicht – und Zeichen seiner Treffsicherheit. Er hat auch keinen Grund, sich zu entschuldigen, man ist schliesslich Profi. Mit einer herrischen Geste bedeutet er der Getroffenen, ihm den Ball zurückzuspielen, aber sofort.
Die sexy Hexy
Langsam und telefonierend schlendert sie über die grosse Wiese am Birsköpfli. Sie trägt eine Bikinihose, die den Namen nicht verdient. Das Stöffchen verdeckt weniger, als es betont. Rein zufällig geht sie ganz nah am Spielfeld unseres Fussballprofis vorbei. Dieser unterbricht sein Spiel gern für ausgesuchte Sprüche auf hohem Niveau.
Ja, wir hätten auch die Frau statt die Hose zeigen können. Haben wir aber nicht. (Bild: Nils Fisch)
Sichtlich unwohl fühlen sich dagegen zwei Mädels ein paar Badetücher weiter. Zur Musik aus Böxchen beginnen sie, im Bikini zu tanzen. Sie tun das so, wie sie wohl denken, dass sie es müssen: Als wären sie einem eindeutig zweideutigen Video entsprungen, in dem ein Mann Regie führt. Dabei sehnen sich die beiden Mädchen nach Kleidern. Das Zuschauen tut weh. Wann kommt die Zeit, in der Mädchen nicht mehr sexy Hexy spielen müssen, um sichtbar zu werden?
Der ewige Hippie
Er hat eine Gitarre dabei oder ein Djembe, oder noch schlimmer: ein Didgeridoo. Darauf verbricht er am Rheinbord irgendwelche Musik, die früher, als es noch Musikläden gab, wohl im Fach «World Music» geführt worden wäre. Dazwischen erzählt er, dass er nach Australien auswandern will oder nach Indien oder nach Afrika. Weil die Menschen da viel lockerer und weltoffener sind. Seine Tochter will er zwar in der Schweiz lassen, dafür wird er ihr hin und wieder eine Postkarte schicken oder einen schönen Stein oder eine Vogelfeder, die er gefunden hat. Das ist der männliche Hippie. Sein weibliches Pendant sitzt mit ihren Rastas oder Zöpfchen und farbigen Tüchern andächtig daneben, hört ihm zu, und lacht an den passenden Stellen.
Der Hardcore-Läufer
Ob kalte Temperaturen unter null oder 35 Grad im Schatten – ein wahrer Läufer lässt den Rhein nie allein. Es gibt zwei Sorten: Da wäre das sehnige Exemplar mit braungebrannten Wädli in atmungsaktiven Hösli und einem Marathon-Finisher-Shirt. Den inneren Sauhund hat er längst ausgetrieben, zusammen mit der Midlife-Crisis und der Ehefrau. Das Wetter scheint ihm ebenso wenig anhaben zu können wie der Tod.
Zu zweiter Sorte gehört der Anfänger in ausgeleierter Trainerhose, die öfter das Sofa sieht als eine Laufstrecke. Der Arme hat zu viele Artikel mit realistischen Titeln wie «Her mit der Sommerfigur» gelesen und hechelt nun mit rotem Kopf durch die Hitze. Für ihn hat die TagesWoche einen liebevollen, aber nicht minder effektiven Tipp parat, und das erst noch gratis: Lass das. Nimm lieber das Velo ins Büro und dort die Treppe statt den Lift. Das reicht.
Die Sandalette
Dieser Rheinbesucher ist meist schon im Pensionistenalter und hat einsehen müssen, dass sein Körper nicht gegen alles gefeit ist. Zum Beispiel Scherben im Rhein oder spitze Steine, die beim Ein- und Ausstieg die Füsse verletzen. Deshalb sorgt er vor, mit Sandalen. Wir haben zwei Modelle gesichtet. Einerseits die Teva-Sandale, der beliebte Freizeitschuh von Hobbywanderern und Bergsteigern. Mit ihrem gutem Fussbett und Profil gibt sie ein sportliches Gefühl.
Und dann die gute, alte billige Plastiksandale für den urbanen Typen. Sie ist so uncool, dass sie Stil hat (Hipster, diese Sandale ist doch wie geschaffen für dich). Man kennt sie aus Italienferien, wo man als Mädchen auf glitschigen Sohlen den Trampelpfad vom Ferienhaus zum Meer hinuntergerutscht ist. Hach.
Der Kiffer
Er ist so etwas wie der natürliche Feind des Läufers. Total entspannt steht er in der Sonne und wippt im Takt eines Reggae-Songs aus kleinen Musikboxen. Nein, das ist nicht erfunden, er hört wirklich Reggae! Und redet übers Joggen, auch das ist wahr. Er hat nämlich kürzlich einen Typen kennengelernt, den er zuerst unsympathisch fand, weil der ständig Sport macht. Aber man sollte Menschen bekanntlich nie nach dem ersten Eindruck beurteilen, unser Kifferfreund fand nämlich heraus: «Der ist eigentlich ziemlich easy, weil, er geht auch saufen.» Ausgleich muss sein.
Der Blüttler
Er ist meist männlich, etwas älter und liegt auf den Bänken zwischen Wettsteinbrücke und Solitudepark: der Blüttler. Bestimmt sind Sie nicht traurig, wenn wir auf das Foto verzichten. Es ist auch nicht nötig – jeder, der manchmal beim Tinguely-Museum in den Rhein steigt und sich treiben lässt, sieht ihn vom Wasser aus. Wer weiblich ist und an ihm vorbeispaziert, muss ihn leider auch hören … Der wahrhaftige Skandal ist aber: Manchmal trägt auch der Blüttler Teva-Sandalen. Und das ist einfach nicht richtig, entweder man setzt seinen Körper ganz der Natur aus oder nicht. Das gilt auch für Nacktwanderer, «imfall».
Die Brückenjungs
Es gibt sie nur im Plural. Sie suchen den Schatten der Brückenpfeiler oder den Sichtschutz vor den Erwachsenen, weil: Man kann es sich vorstellen. Dort hören sie Hip-Hop aus Boxen und reden. Ihr Baseballcap ist meistens auf, und auch im Sommer tragen sie fette Turnschuhe mit aufgeblasener Sohle. Das hat mit Stilbewusstsein zu tun. Sie sagen: «Flip-Flops gehen nur am Strand» und lachen. Sie lachen viel und sind freundlich und posieren gern fürs Foto. Die Brückenjungs gibt es auch ohne Baseballcap, Turnschuhe und Hip-Hop, dafür mit langen Haaren, schwarzen T-Shirts mit Totenköpfen drauf und Metal-Musik.
Cool, cooler, Brückenjungs. (Bild: Andrea Fopp)
Das Teenie-Pärchen
Es sitzt auf einer Bank oder unten am Wasser und küsst sich. Und küsst sich. Und küsst sich. Es ist jung und verliebt und schön. Jö.
P.S. Der Politiker
Nein, diese Art Rheinbesucher gehört nicht zum typischen Bild eines Tages am Rhein. Diese Art von Rheinbesucher steigt nur alle vier Jahre in die Badehose. Dann dafür en masse. Und gerne auch in den sozialen Medien, wie zum Beispiel die grüne Regierungskandidatin Elisabeth Ackermann auf Twitter.
@CR_Sieber@bzBasel@LorenzNaegelin Wieso absagen? Auch heute Abend war der Schwumm im Rhein wunderbar! pic.twitter.com/xNA6POjY24
— Elisabeth Ackermann (@elisacker) 9. August 2016
Es folgen die bürgerlichen Männer.
Und zuletzt ein Facebook-Rheinfoto von Sozialdemokrat Hans-Peter Wessels, ohne Badehose, dafür mit einer handfesten Parole: «Für ein romantisches Basel».