Das Unternehmen Projekt Interim organisiert in Basel vermehrt Zwischennutzungen. Der Mieterverband kritisiert, dass damit die Rechte der Bewohner ausgehebelt würden. Nun nimmt ein Interim-Vertreter Stellung zu diesen Vorwürfen.
Auf den ersten Blick sieht das Angebot verlockend aus: Mansardenzimmer, Wohnungen und Ateliers gleich gegenüber der ehemaligen Warteck-Brauerei sind seit Mai ausgeschrieben. Die Miete: unschlagbare 300 bis 450 Franken pro Monat – wenn auch befristet bis Januar 2018.
Die ganze Vorgeschichte dieser Ausschreibung wirft aber Fragen auf: Am Burgweg 4 bis 14 kam erst die Massenkündigung, nun gibt’s eine Zwischennutzung. Organisiert wird das Ganze vom Unternehmen Projekt Interim GmbH, bei dem laut Eigendefinition «Spezialisten für Zwischennutzungen und Leerstandsmanagement» arbeiten. Die Zwischennutzung erfolgt im Auftrag der Eigentümerin, der Basellandschaftlichen Pensionskasse (BLPK), welche die Häuser totalsanieren will.
Projekt Interim fühlt sich missverstanden
Dabei wird über Gebrauchsleihen abgerechnet. Auch wenn die Preise günstig sind: Die Bewohner zahlen statt einer Miete einen Kostenbeitrag und sind nicht Mieter im rechtlichen Sinn. Genau das sorgt nun für Widerspruch. Beat Leuthardt, Grossrat und Co-Geschäftsleiter des Basler Mieterverbands, reichte vergangene Woche dazu eine Interpellation ein. Darin wirft er der BLPK «rechtswidriges Verhalten» vor. Die Zwischennutzung heble das Mietrecht mit seinen gesetzlichen Regeln zum Schutz der Bewohner völlig aus. Mit diesem «Geschäftsmodell» verzichte die BLPK auf das Mietrecht.
Nicht nur die Inhaberin, sondern auch die für die Nutzung zuständige Firma geriet in der Vergangenheit deswegen in die Kritik. Raffael Büchi, Anwalt und Mitgründer von Projekt Interim, wehrt sich gegen den Vorwurf, für die Verdrängung der früheren Mieter verantwortlich zu sein: «Das Unternehmen hat das entsprechende Vorgehen und die Entscheidungen des Eigentümers in keiner Weise beeinflusst», sagt er gegenüber der TagesWoche. Projekt Interim sei erst nach der Massenkündigung von der Eigentümerin damit beauftragt worden, die Zwischennutzung zu organisieren.
Die Firma wählt in einem Bewerbungsverfahren die Bewohner aus, schliesst die Verträge ab und verwaltet die Zwischennutzung. Die Initiative ergreifen aber fast immer die Liegenschaftsinhaber. «Nur ganz selten gehen wir aktiv auf einen Eigentümer zu und machen Vorschläge», versichert Raffael Büchi.
Generell weist er den Vorwurf zurück, dass Projekt Interim von der Wohnungsnot profitieren wolle. Es sei eher das Gegenteil der Fall: Manchmal versuchten die Eigentümer, auch bei Gebrauchsleihe noch einen Ertrag herauszuholen. «Da halten wir entschieden dagegen», sagt Büchi. «Wenn die Eigentümer während der Zwischennutzung Ertrag wollen, machen wir eine befristete Miete.»
Win-win-Situation oder Wohn-Prekarisierung?
Laut «Tages-Anzeiger» spricht eine noch unveröffentlichte Studie von Gabriela Debrunner, Geografin an der Uni Bern, eine andere Sprache: Temporäre Nutzungen seien zwar ideal für einkommensstarke junge Berufstätige, um sich selbst zu verwirklichen. Seit einigen Jahren gebe es in Zürich aber immer mehr finanziell schlecht gestellte Familien, Auszubildende und Sozialbezüger, die ungewollt zu Mietnomaden würden.
Zwischennutzungen ständen also für die Prekarisierung beim Wohnen. Mit der Gebrauchsleihe würden die Rechte der Bewohner auf gleicher Ebene behandelt wie bei Bürozwischennutzungen, «also als Ware und nicht als Grundbedürfnis». Ohne Mietrechte könnten die Bewohner somit jederzeit aus der Wohnung gewiesen werden.
Auch diese Kritik weist Raffael Büchi zurück. Hier gehe es um die Planungssicherheit: «Der Eigentümer würde kein Mietverhältnis eingehen, um eine kurze Zeit zu überbrücken – Mietrechte wären da ein Risiko.» Er sieht daher die Zwischennutzung mit Gebrauchsleihe als Win-win-Situation. Schliesslich liege die Entschädigung – wie etwa am Burgweg – weit unter dem Marktpreis.
Bei Gebrauchsleihe bezahlten die Nutzer nur Neben- und Unterhaltskosten und eine bescheidene Servicegebühr. «Viele Leute, die ich kenne, sind gottenfroh, so günstig unterzukommen», sagt Büchi. Wenn man «genug flexibel» sei, könne das durchaus eine Alternative sein. «Hier so zu tun, als sei das etwas Unsoziales, ist also lächerlich.»
Weitere Projekte geplant
Trotzdem stellt sich die Frage, wie lukrativ denn das Geschäft mit Zwischennutzungen ist. Wie Büchi festhält, seien die Margen je nach Projekt sehr unterschiedlich: «Man verdient mit unserem Geschäft aber sicher nicht das grosse Geld.» Genaue Zahlen darüber, wie viel die Firma an der Zwischennutzung, zum Beispiel am Burgweg, verdient, will er jedoch nicht nennen.
Geht es auch darum, allfälligen Hausbesetzern zuvorzukommen? Raffael Büchi relativiert auch das: «In den meisten Fällen spielt der Besetzerschutz keine Rolle», sagt er. Viele Gebäude befänden sich nämlich in Gegenden, wo dies kein Thema sei. Ob das in Basel, wo es in letzter Zeit in verschiedenen Quartieren rasch zu Besetzungen kam, auch so ist, sei dahingestellt.
Auf jeden Fall ist Projekt Interim hier auf dem Vormarsch. Nicht nur am Burgweg, auch am Riehenring und an der Drahtzugstrasse organisiert die Firma Zwischennutzungen für Wohnraum. Unter ihren Ausschreibungen befinden sich auch Büroräume für Start-ups und Kulturschaffende. Das ist etwa an der Klybeckstrasse, in der Steinenvorstadt und im obersten Stock des Volkshauses der Fall. Hinzu kommen Verkaufsfläche an der Binninger- und Dornacherstrasse – zum Beispiel für neue Pop-up-Läden. Laut Raffael Büchi hat das Unternehmen in Basel auch noch weitere Zwischennutzungen in der Pipeline.