So darf es nicht weitergehen mit der Kaserne

Der Bericht der Bau- und Raumplanungskommission zur Gesamtsanierung des Kasernenhauptbaus liegt jetzt vor. Nun entscheidet der Grosse Rat über das Projekt. Es ist eine Enttäuschung. Ein Gastkommentar.

Streitpunkt Kaserne. Das neue Projekt muss grundlegend überarbeitet werden, sonst wird eine ganz grosse Chance vertan, schreibt unser Gastkommentar Christoph Meury (Bild: Staatsarchiv Basel-Stadt, Foto: Erik Schmidt)

Der Bericht der Bau- und Raumplanungskommission zur Gesamtsanierung des Kasernenhauptbaus liegt jetzt vor. Nun entscheidet der Grosse Rat über das Projekt. Es ist eine Enttäuschung. Ein Gastkommentar.

Es stimmt zwar, dass die Bau- und Raumplanungskommission in ihrem Bericht eine gewisse «Nachbesserung» verlangt hat, aber inhaltlich ist die Kommission mit der Vorgabe kritiklos einverstanden. Die Kommission ist der Meinung, dass auf dieser Grundlage die Gestaltungs- und Nutzungsfragen mit längerfristiger Gültigkeit beantwortet werden; gesteht dann aber im Verlauf ihres Berichtes ein, dass «naturgemäss die zukünftige Nutzung des Gebäudekomplexes in vielen Aspekten noch offen ist. Auch die Organisation oder Nutzungsvergabe und Überwachung ist noch nicht abschliessend definiert».

Das ist eine sehr zurückhaltende Formulierung. Richtig ist: Keine dieser existentiell wichtigen Fragen ist nur hinlänglich beantwortet. Steht doch weiter im Bericht: «…wenn klar ist wie das Gebäude in Zukunft genau aussehen soll, wird die Regierung auch die vorgesehene Nutzung und die vorgesehene Betriebsorganisation konkret und verbindlich darstellen». Im Klartext heisst das: Wir lassen jetzt einmal ein Gebäude (mit oder ohne Durchbrüche) umbauen und sanieren und denken nachher darüber nach, wofür das Projekt sich eignet. Mit Verlaub, damit wird das Pferd am Schwanz aufgezäumt. Im Ratschlag sind einige Nutzungsoptionen für den Hauptbau genannt. Aber Hand auf’s Herz: Können sie sich darunter etwas vorstellen? Mehr als eine «Brainstormliste» ist dieses Papier nicht.

Viel zu viele Nullbegriffe

Das so genannte Nutzungskonzept ist voll von unscharfen Begriffen, die wortreich und fantasievoll Dinge formulieren, welche letztlich als Nullbegriffe dastehen. Beispiel: «Das Kasernenareal soll sich zum städtischen Experimentierfeld mit Treibhauscharakter entwickeln. Es soll ein Cluster mit aufeinander abgestimmten und sich gegenseitig ergänzenden Nutzungen entstehen». Der Begriff «Brutstätte» wird mehrfach beschworen. Man redet von «creative industries» und meint Büronutzungen, Designateliers, Proberäume. Die im Hauptbau geplanten Aktivitäten sollen das Angebot auf dem Kasernenareal ergänzen und visionär erweitern… dabei sollen die bisherigen Aktivitäten, wie das Tattoo und die Herbstmesse berücksichtigt werden.

Es soll aber auch die Schaffung einer Produktions- und Kommunikationsplattform für urbane Kultur realisiert werden. Interdisziplinär soll gearbeitet werden, eine Durchmischung soll angestrebt werden, aber nur soweit die Gesamtbedeutung des Gebäudes nicht verwässert wird. Die Aktivitäten im Hauptbau sollen das Angebot auf dem Areal ergänzen und visionär und innovativ erweitern. Beispielsweise auch mit einem Gastronomiebetrieb. Es soll eine kulturelle Verdichtung (Cluster-, Zentrumsfunktion) erreicht werden. Denkbar sind dabei auch die Fotosammlung «Herzog», das Jüdische Museum und das Architekturmuseum im Hauptbau unterzubringen. Und das Ganze soll als multikulturelles Zentrum auch Quartierfunktionen wahrnehmen.

Logisch, dass es so läuft – leider

Dieses Sammelsurium von inhaltlosen Aktivitäten ist das Resultat eines Prozesses, welcher im «Echoraum» diesen Wahnsinn generiert hat. Damit ist die Evaluation abgeschlossen. Das Projekt ist quasi bereit zur Ausschreibung und damit entscheiden zukünftig die Architekten und Planer, auf welche Weise sie dies alles in ihr Projekt einbringen. Offensichtlich ist: Die inhaltliche Verantwortung wird an die Architekten delegiert. Sie sollen diese Leerformeln in Räume packen und ein bisschen nett gestalten und aufpeppen. Dann wird für rund 30 Millionen (plus/minus hat Regierungspräisdent Guy Morin gesagt) der Hauptbau umgebaut. Aber ohne Fassadenänderung, weil diese durch Denkmalauflagen geschützt ist. Vielleicht noch, um die Initianten für eine Öffnung zum Rhein zu befriedigen, mit ein bisschen «Durchblick». Wie heisst es in der Ergänzung der Bau- und Raumplanungskommission so schön: «…dass die Kreditbewilligung mit der Auflage zu ergänzen ist, wonach im Rahmen des Architekturwettbewerbes eine großzügige Öffnung des Kasernenhauptbaus zum Rhein hin geprüft werden muss». Wohlgemerkt: «geprüft», nicht fest eingeplant und gebaut.

Bald ist es zu spät

Über die zukünftige Organisationsform hat man sich wenig Gedanken gemacht. Vermutlich werden die Räume über Immobilien Basel-Stadt vermietet. Ein Areal-Manager oder Chefabwart ist für den operativen Teil verantwortlich. Also er schaut, dass die Mistkübel der Kreativen gelehrt werden, die Türen abgeschlossen und die Lichter gelöscht sind.

Es ist unklar, wer den Gesamtbau hauptverantwortlich verwaltet und managt. Der skizzierte Areal-Manager ist dabei für den operativen Teil zuständig, aber die strategischen Aufgaben und die Hauptverantwortung für die Gesamtsicht sind in keiner Weise «organisiert» oder jetzt bereits Bestandteil der aktuellen Überlegungen. Um nicht permanent Fehler zu wiederholen (siehe Ateliergenossenschaft): Es braucht meiner Meinung nach ein Gremium, welches über die Raumvergabe bestimmt (und zwar nicht nur beim Start, sondern langfristig). Dieses Gremium darf sich keinesfalls aus den Betreibern zusammensetzen. In einem strategischen Gremium müssen Leute die Verantwortung für die Gesamtsicht und die Umsetzung der Strategie übernehmen. Dieses Gremium ist auch verantwortlich, dass das Rotationsprinzip eingehalten wird.

Über die zukünftige Organisationsform muss jetzt befunden werden. Später gibt es nur noch Sachzwänge und dann geht man den Weg des geringsten Widerstandes. Die Raumverwaltung (Verteilung/Zuteilung) kann aber auch nicht bei der Stadt liegen (Immobilien Basel-Stadt). Sondern es muss eine Art «Generalintendanz» geben.

Man sollte den Ratschlag darum nicht einfach durchwinken. Die zukünftige Organisation und die entsprechenden Verantwortlichkeiten müssen integraler Bestandteil des Projektes sein. Im Nachgang ein Organisationsmodell zu implementieren scheint wenig sinnvoll zu sein.

Ein bisschen Kritik – das ist zu wenig

Fazit: Der Ratschlag ist keinesfalls «ausgereift» und die Bau- und Planungskommission hat auf den vorliegenden Ratschlag nicht inhaltlich reagiert. Sie hat den Ratschlag lediglich mit den «Öffnungsoptionen» ergänzt.

Ein Architekturwettbewerb ist schnell ausgeschrieben. Ein Projekt rasch ausgewählt, aber ob dies dann alles auch umsetzbar ist und am Schluss auch tatsächlich ein «Kreativ-Cluster» – oder schlichter: ein brummendes Kultur- und Kunstzentrum – entsteht, ist eine andere Sache.

Meine persönliche Kritik: Ich sehe die Menschen nicht, welche für ein solches Zentrum die Verantwortung übernehmen, die Ärmel hochkrempeln und in den nächsten zehn Jahr das Ding stemmen. Ein Kultur- und Kunstzentrum wird einem nicht geschenkt. Im Ratschlag klingt dies alles zu abstrakt, zu blutleer.

Ich erinnere zu guter Letzt auch daran: Beim Projekt «Stellwerk» (St. Johann) ziehen jetzt die ersten Kreativen wieder aus, weil ihnen das Umfeld zu wenig kreativ, die Kolleginnen und Kollegen zu wenig inspirierend und kommunikativ, das Angebot der Betreiber zu mager und die Mieten (Staffelmieten) nach ein paar Jahren der subventionierten Nutzung zu hoch waren. Das sollte einem doch zu denken geben. Vielleicht ist das Modell der «creativ industries» (jetzt, nach bald 20 Jahren) doch eher ein Auslaufmodell und man müsste sich tatsächlich mit neuen Inhalten und neuen Organisationsformen beschäftigen…Vielleicht!

 

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