Wie einfach es geht, trotz angeblich restriktiver Bestimmungen in der Schweiz zu arbeiten, beweisen bulgarische Gipser oder rumänische Speditionsangestellte mit dem Segen der Behörden.
Um die Zuwanderung einzuschränken und den heimischen Arbeitsmarkt zu schützen, rief der Bundesrat diesen Frühling die Ventilklausel an. Für Bulgarien und Rumänien musste der Bundesrat die Ventilklausel nicht extra anrufen. Diese beiden Länder, die erst 2007 der EU beitraten, profitieren noch nicht von der vollen Personenfreizügigkeit. Doch wie wenig solch restriktive Bestimmungen wirken, zeigt sich gerade am Beispiel von Rumänen und Bulgaren. Staatsangehörige aus diesen beiden Ländern unterstehen starken Einschränkungen. Wer in der Schweiz arbeiten möchte, hat hohe Hürden zu überwinden, müsste man meinen: für sie gelten separate Kontingente, kontrollierte Lohn- und Arbeitsbedingungen und es gilt Inländervorrang. Bulgaren oder Rumänen dürften nur dann eine Arbeitsbewilligung erhalten, wenn ein Arbeitgeber nachweisen kann, dass er auf dem Arbeitsmarkt im Inland vergelblich nach einem geeigneten Kandidaten gesucht hat.
Doch in der Praxis gibt es zahlreiche Schlupflöcher, wie Recherchen der TagesWoche zeigen.
1. Schlupfloch
Wer Arbeiter aus Rumänien in die Schweiz holen möchte, für die es sowieso keine Bewilligungen gibt, weil es im Inland und der Europäischen Union genügend geeignete Bewerber für eine Stelle hätte, greift auf so genannt Entsandte zurück. Dazu genügt es, eine bulgarische Firma zu gründen oder ihr einen Auftrag zu geben. Dann gelten die restriktiven Bestimmungen nicht. Ein Nachweis, dass man im Inland nicht fündig wurde, ist nicht nötig. So arbeitete mehr als eine Dutzend bulgarische Gipser auf Baustellen im Baselbiet mit dem Segen der Behörden. «In halb Europa steckt die Baubranche in der Krise, da findet man überall Gipser», sagt Unia-Gewerkschafter Hansueli Scheidegger.
2. Schlupfloch
Wer es sich noch einfacher machen möchte, lässt die bulgarische Firma beispielsweise in Italien oder Deutschland eine Briefkastenfirma gründen, welche die Bulgaren oder Rumänen beschäftigt. Für die Schweizer Behörden gelten die Bulgaren oder Rumänen dann als Entsandte aus dem Land mit dem Sitz der Briefkastenfirma. Somit ist die Zustimmung der Behörden sicher, wobei nicht einmal das Kontingent belastet wird, das für die Branchen Bau, Gartenbau, Industrie, Reinigungsfirmen und Sicherheitsdienste gilt.
3. Schlupfloch
Wer als Entsandter in der Schweiz kommt, meldet den Behörden, dass er maximal 90 Tage hier bleibt. Nur wer angibt, länger zu bleiben, wird von den Behörden vertieft überprüft. Doch eine automatische Kontrolle nach Ablauf der 90 Tagen, ob ein Entsandter wieder ausgereist ist, gibt es nicht. Da muss auch niemand Angst haben, dass sich die Behörden vernetzen könnten. Selbst Steuerbehörden fragen bei Migrationsämtern oder Arbeitsämtern nicht nach, ob die entsprechende Arbeitserlaubnis überhaupt noch gültig ist, wenn einer länger als 90 Tage Quellensteuern abrechnet. Wer einfach weiterarbeitet, fliegt nur mit sehr viel Pech bei einer Kontrolle am Arbeitsplatz auf.
4. Schlupfloch
Wer nicht so rasch zurück will nach Rumänien oder Bulgarien, lässt sich in der Schweiz eine Arbeitsbewilligung ausstellen, am besten von einem Arbeitgeber, der gesuchte Spezialisten beschäftigt. Die Behörden müssen zwar prüfen, ob es im Inland nicht genügend geeignete Kandidaten für die Stelle gäbe. Doch hat ein Rumäne oder ein Bulgare den Sprung in die Schweiz geschafft und eine Bewilligung im Sack, ist ein Stellenwechsel nur noch Formsache. Keine Behörde prüft nach der so genannten «Ersteinreise» noch, ob es für die neue Stelle nicht genügend inländische Bewerber gäbe. So segnete das Baselbieter Amt für Industrie Gewerbe und Arbeit (Kiga) Bewilligungen ab – etwa für ein Restaurant, einen Gastrobetrieb, eine Personalberatung, eine Privatschule, ja sogar für eine Spedition für rumänische respektive bulgarische Angestellte, ohne bei den meisten den Inländervorrang zu prüfen.
5. Schlupfloch
Entsendebetriebe, die in der Schweiz arbeiten, müssten in der Schweiz wie alle einheimischen Betriebe in Branchen mit Gesamtarbeitsverträgen Vollzugskosten für den GAV zahlen. Doch die meisten kantonalen Bewilligungsbehörden melden diese Betriebe den paritätischen Kommissionen gar nicht, so dass diese gar nie Rechnung stellen können.
Lesen Sie mehr zu Gefällligkeitsbewilligungen von kantonalen Arbeitsämtern in der aktuellen Wochenausgabe der TagesWoche.