So rekrutiert Exit seine Suizidhelfer

Sterbehilfe-Gegner kritisieren, es sei intransparent, wie Exit seine Mitarbeiter auswähle. Nun nimmt Exit Stellung zum «Bewerbungsverfahren» von Sterbehelfern.

Wer Suizidhilfe leisten will, braucht Lebenserfahrung und die richtige Motivation.

(Bild: Keystone/MARTIN RUETSCHI)

Sterbehilfe-Gegner kritisieren, es sei intransparent, wie Exit seine Mitarbeiter auswähle. Nun nimmt Exit Stellung zum «Bewerbungsverfahren» von Sterbehelfern.

In der Schweiz gibt es kein Gesetz zur Suizidhilfe, also gibt es auch keine Vorgaben, welche Kriterien ein Sterbehelfer erfüllen muss. 

Das stösst auf Kritik. Die Psychiaterin Gabriela Stoppe forderte im Interview mit der TagesWoche, die Sterbehilfeorganisationen müssten stärker kontrolliert werden. «Welche Kriterien muss ein Sterbehelfer erfüllen? Wie wählt Exit seine Mitarbeiter aus? Darüber wissen wir nichts», sagte sie.

Daraufhin bat Exit die TagesWoche, Stellung nehmen zu dürfen. Exit hat über 100’000 Mitglieder und ist die grösste Sterbehilfeorganisation der Schweiz, sie bildet jährlich drei bis vier neue Sterbehelfer aus.

Ornella Ferro, Leiterin «Freitodbegleitung», sagt: «Wir wählen unsere Freitodbegleiter nach klaren Regeln aus.» Exit achte streng darauf, dass die Personen psychisch stabil seien und die nötigen Fähigkeiten hätten.

Über Suizid zu berichten, ist heikel
Exit-Mitarbeiter bestehen darauf, die Suizidhilfe «begleiteten Freitod» zu  nennen. Die TagesWoche zitiert sie entsprechend, distanziert sich aber von dieser Wortwahl. Berichte über Suizide provozieren Nachahmungstaten. Der Presserat fordert Journalisten deshalb auf, zurückhaltend zu berichten. Dazu gehört, auf den Begriff «Freitod» zu verzichten. Er impliziert, Menschen würden aus freien Stücken sterben. Das ist aber fraglich, da suizidale Personen schwer psychisch oder körperlich krank sind. 

Dabei geht Exit laut Ferro immer nach demselben Schema vor. Es erinnert an ein gewöhnliches Bewerbungsverfahren – nur dass Sterbehelfer im Wesentlichen ehrenamtlich arbeiten.

Erstens: Bewerbung schreiben

Die meisten Interessenten lesen einen Medienbericht über Exit und melden sich dann bei der Organisation. Daraufhin werden sie aufgefordert, einen Lebenslauf mit Motivationsschreiben zu schicken.

«Wir bevorzugen Menschen, die in der Pflege oder im Sozialbereich arbeiten oder zu Hause bereits Angehörige bis zum Tod gepflegt haben», sagt Ornella Ferro.

Ausserdem müssten sie fähig sein, Gespräche mit Sterbewilligen und Angehörigen zu führen. Das Mindestalter ist 40 Jahre, «wegen der Lebenserfahrung».

Zweitens: Vorstellungsgespräch

Der nächste Schritt ist ein persönliches Gespräch mit zwei Mitgliedern der Exit-Leitung. «Da findet die grösste Selektion statt», sagt Ornella Ferro. Man merke schnell, ob jemand genug reflektiert und erfahren sei.

Schwieriger ist die psychische Einschätzung. Ferro: «Es ist nicht einfach zu beurteilen, ob jemand wirklich helfen oder ob er seine Faszination für den Tod ausleben will.» 

Drittens: Psychologische Tests

Aus diesem Grund gibt es eine psychologische Beurteilung am Zentrum für Entwicklungs- und Persönlichkeitspsychologie der Uni Basel. Zwei Psychologen interviewen die Bewerber und führen Tests durch. 

Gleichzeitig beginnt die Exit-Ausbildung. An zwei Tagen lernen die Bewerber die rechtlichen Grundlagen der Sterbehilfe kennen. Ausserdem gehen sie mit einer ausgebildeten Sterbehelferin mit – sie sind bei den Gesprächen mit den Sterbewilligen und dem begleiteten Suizid dabei. Nach einem Jahr gibt es noch ein Reflexionsgespräch an der Universität.

Ist das genug Kontrolle?

Laut Ornella Ferro hat sich dieses Auswahlverfahren bewährt: «Die meisten Freitodbegleiterinnen sind jahrelang dabei.»

Exit ist allerdings nur eine von neun Sterbehilfeorganisationen. Wie soll die Öffentlichkeit wissen, ob alle Sterbeorganisationen ihre Mitarbeiter sorgfältig auswählen? 

Ferro macht sich da keine Sorgen: «Wenn unsauber gearbeitet wird, wird das schnell publik.» 

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