Speed in der Petersilie, Opium im Salatstrunk – Drogenküche in der Lady Bar

Zwei Köche aus Wien servieren ein legales Drogen-Dinner mit amüsantem aber nicht immer appetitlichem Wissen aus der Magen-Historie – echte Erlebnisgastronomie, Dröhnung inklusive.

Die Köche sind am Start: Felix Vidensky und Marcel Jouja (v.l.).

(Bild: Nils Fisch)

Zwei Köche aus Wien servieren ein legales Drogen-Dinner mit amüsantem aber nicht immer appetitlichem Wissen aus der Magen-Historie – echte Erlebnisgastronomie, Dröhnung inklusive.

Die neun Gänge auf der Menükarte lesen sich harmlos: Baguette mit Veilchen, Kopfsalat oder Spargel mit grüner Sauce. Auch die weiteren Speisen dieses «Seminars zu natürlichen Drogen in unserem Essen» klingen lecker, aber nicht speziell erheiternd. Die Karten-Spalte mit den Inhaltsstoffen verspricht da schon mehr. So stecken im Blumenbrötchen Violin, Glutein und Bufotenin. Das liest sich schon eher wie der Beipackzettel eines Medikamentes.

Risiken und Wirkung der Stoffe erklären vor Essbeginn am Freitag in der Lady Bar die Köche, Dr. LSD und Dr. Speed. Glutein ist ein hochpotentes Exomorphin mit Suchtpotential, Bufotenin ist ein psychoaktives Halluzinogen und Violin nutzte die gnädige Frau Kaiserin Sissi seelig, um von ihren Koks-Eskapaden runterzukommen. Im Salat steckt Deutsches Opium und die giftgrüne Spargel-Sauce aus Petersilie nennen die Gastgeber salopp «Nazi Speed».

Die Doktor-Titel der beiden Wiener sind falsch. Das Wissen von Felix Vidensky und Marcel Juoja um psychoaktive Stoffe in ganz gewöhnlichen Lebensmitteln ist dennoch fundiert – und der Schmäh mit dem sie es vortragen äusserst charmant.

Wohlfühl-Globuli mit Oxytocin

Nach der Aufklärung fordern sie von den 18 Gästen eine Einverständniserklärung für das Essen. Zwei Vegetarier verzichten auf den Lachs in Muskat, alle andern wollen die volle Dröhnung. 
Die Nervosität können die Köche mit ihrer Einführung nicht nehmen. Die mehrheitlich sehr jungen Gäste sitzen steif und gespannt auf ihren Holzstühlen, bis auf drei Mitarbeiter der Lady Bar, welche das Essen als Auftakt des Closing-Weekends ihres geliebten Lokals feiern und den Apéro augenscheinlich schon hinter sich haben. Zur Auflockerung aller mischen die Weisskittel-Köche die Sitzordnung und verteilen vor dem Essen Wohlfühl-Globuli mit Oxytocin.

«In Basel starten wir das Menü jeweils mit Stimmungslösenden und -hebenden Stoffen, um die Leute in Laune zu bringen», erklärt Juoja am Tag davor. Sie kennen die Bebbi gut. Die Lady Bar ist ihre vierte Adresse hier. Ansonsten kochten sie bislang nur in Wien.
Die enge Bindung kommt über Vidensky. Jedoch nicht wegen Albert Hofmann, wie sein Künstlername Dr. LSD vermuten lässt. Vidensky arbeitete hier in den 80ern in der Theaterszene: «Mein grösster Erfolg war wohl die Hochrad-Performance vor dem Stadtcasino. Die wurde solch ein Publikumsmagnet, dass sich der Verkehr in der Innenstadt für Stunden staute – kann man in der Zeitung nachlesen!»
Von der Zeit in Basel gibt es jedoch weitaus wichtigere Zeugnisse: Seine drei Kinder leben hier und organisieren heute die Basler «Opium fürs Volk»-Abende.

Der Spargel ist nur Beilage, die Magie dieses Gerichts liegt in der Petersiliensauce. 

Der Spargel ist nur Beilage, die Magie dieses Gerichts liegt in der Petersiliensauce.  (Bild: Olivier Joliat)

Gastronomie hat in der Familie Tradition. Vidensky ist zwar ausgebildeter Maschinenbau- und Flugzeugtechniker, hat nach der Schauspiel-Zeit in Wien den Kultladen «Der Hanfbauer» betrieben und war «der grösste Hanfanbauer Österreichs». Parallel entwickelte er Patente vom Hanfsamenschäler bis zur kompostierbaren Windel. Doch sagt der Tausendsassa nicht ohne Stolz: «Videnskys kochen schon über 200 Jahre für Wien.» Er ist selbst im Wirtshaus aufgewachsen.



Jouja dagegen entstammt einer Kürschner-Dynastie. «Ich gehöre zu den Guten», grenzt er sich vom schlechten Image der Pelzbranche ab. Jouja recycelt Pelze, zum Beispiel als schickes Innenfutter für massgeschneiderte Parkas. Diese «Green Fur Couture» läuft in Wien ganz leidlich. «Ich bin sicher auch in Basel hängen die Schränke voll mit alten Pelze ohne Verwendung, aber zu kostbar zum wegwerfen.» Jouja plant hier einen Pop-Up-Store zu machen. Die Reise ans Rheinknie läuft auf Geschäftsspesen. Mit Kochen und Kabarett verdienen die beiden kaum was.

«Genug gelabert»

Die Gastro-Unterhaltung entstand eigentlich, weil die Freundin von Jouja genug von seinen ewigen Ess-Dikussionen mit Vidensky hatte und forderte: «Männer, genug gelabert: Ich will ein Datum». Das war vor zwei Jahren. Fast fünfzig Mal haben sie seither solche Abende geschmissen. Namen und Grundinspiration lieferte das Buch «Opium fürs Volk: Natürliche Drogen in unserem Essen» von Udo Pollmer. Der Sachbuchautor und Lebensmittelchemiker kam auch schon Essen und war gemäss den Köchen begeistert.

In der Lady Bar klaubt man das Kaviar-Brötchen aus der Petri-Schale und lauscht gebannt den Erklärungen zum Deutschen Opium im «Häupelsalat». Ab 1780 wurden um Wien grosse Felder dieses Kopfsalats bewirtschaftet. Die Blätter nutzte man nicht. Salat war damals nicht Mode, weil ohne Nährwert. Die Kraft steckt im Strunksaft. Mit dem daraus gewonnenen Opium narkotisierte man bei Operationen bis 1956. «Das fährt» sagt Jouja schön wienerisch und schickt die Gäste mit einer Aufgabe in die erste Pause: «Bitte, bitte rauchen sie!» Das Formaldehyd des Zigarettenrauches verstärkt all die aufputschenden, also auf «–ine» endenden Stoffe, die wir geschluckt haben. Wir erfahren noch andere gute Gründe, die für Nikotin sprechen.

Nichts für Vegetarier und Frömmler: Lachs in Muskatkruste.

Nichts für Vegetarier und Frömmler: Lachs in Muskatkruste. (Bild: Olivier Joliat)


Raucherpausen sind also nicht nur gesund, sie sind unbestritten gute Pulsmesser für die Stimmung einer Gruppe. Die Gespräche sind angeregt: das Essen? Gut – Die Wirkung? Hmmm… Drei kaum Zwanzigjährige diskutieren, wie man wohl das Glutein und andere Stoffe extrahiert. Chemielaboranten? Die Zigi-Zeit reicht nicht zum Fragen.

Strammen Schrittes zurück, steht der Safranwein schon auf der Tafel – im Messbecher von der Grösse eines Shot-Glases. Für den grossen Durst wird Champagner gereicht. «Wasser verdünnt die Magensäfte und damit auch die Wirkstoffe», so Vidensky. Damit die ungefiltert «fahren», enthält die Miso-Suppe einen Pilz, der die Leber lahm legt. Salzig ist sie auch. Wasser wäre nun nicht schlecht, auch um etwas klarer im Kopf zu werden.

Misosuppe gleicht Oralsex

Jä nu: Champagner schmeckt auch. 
Gerne auch noch einen Safran-Shot. Soll aphrodisierend sein, sagen die zwei Weisskittel da vorne. Geil. Sie fördern die Wirkung mit dem Vortrag über die Wirkstoffe der Miso-Suppe. Welche genau, egal – geblieben ist: diese Stoffe leckt Mann auch beim Cunnilingus.

«I licked it my way», singt dazu Kristina Foggensteiner. Die Sängerin und Lebensgefährtin von Vidensky begleitet jeden Gang mit textlich adäquater Improvisation. «Oh Gott, jetzt wird es peinlich», kündigte sie die geleckte Version des Frank Sinatra-Klassikers an. Die Tafelrunde singt am Ende mit.

Doktoren ohne hippokratischen Eid: Felix Vidensky und Marcel Juoja.

Doktoren ohne hippokratischen Eid: Felix Vidensky und Marcel Juoja während der Kochshow. (Bild: Olivier Joliat)

Das anfänglich scheue Gekicher am Tisch ist zu lautem Gelächter geworden. Die beiden Show-Master müssen sich schon Aufmerksamkeit verschaffen, um ihre Pointen zu platzieren. Der Abend nimmt Tempo auf. Dabei fährt der Nazi Speed aus Petersilie nicht nur. Der historische Bogen von Opium-Fan Goethe zu Peterli und Crystal Meth knallt ganz schön.
 Wir erfahren auch, dass Albert Hofmann das LSD nicht erfunden hat, nur wiederentdeckt.

Die Griechen feierten mit dem Mutterkorn schon bei den antiken Mysterien von Eleusis. Ja, überhaupt: Die Demokratie gründet eigentlich auf 250 Kilogramm brennenden Haschischs. 
Kann man so sehen. Der Schluss der beiden Zeremonienmeister ist schlüssig und der folgende Lachs in Muskatkruste der kulinarische Höhepunkt des Abends. Ein Gedicht von einem Genuss.

Anekdoten, die auf den Magen schlagen

Nun braucht es lautstarken Einsatz der Beiden, bis sie Gehör finden. Dann sinkt der Lärmpegel jedoch rasch. Manchen bleibt der letzte Bissen im Hals stecken, als sie den Bogen über die Voodoo-Künste von Jesus Drogen-Guru Zacharias, zu Kannibalismus schlagen. Warum uns die Kuh als grösster Massenmörder, die Zivilisation ermöglichte, muss man schon selber hören gehen. Starker Stoff. Der Appetit ist vergangen. Gut war das Fisch nicht Fleisch. Rauchpause, danke, Kopf lüften.

Die Jünglinge sind Köche nicht Laboranten. Sie stecken aber bereits in einer Sinnkrise, suchen hier Inspiration für ihr Schaffen. Sie sind sehr angetan vom Essen. Die Augen leuchten wie ihre roten Wangen.

Jetzt klärt sich, weshalb sich das Grosi gerne braune Banane aufs Brot schmierte.

Jetzt klärt sich, weshalb sich das Grosi gerne braune Banane aufs Brot schmierte. (Bild: Olivier Joliat)

Wankend geht es zurück an den Tisch. Nun gibt es Safran-Risotto und zum Finale das Dessert: Kaffee, Banane mit Mandelmus und ein kleiner Keks nach Rezeptur von Hildegard von Bingen. Die naturheilkundige Nonne gilt nicht nur in der Kirche als heilig. Für Dr. Speed und Dr. LSD ist sie die «Timothy Leary des Mittelalters». Der Hippie Guru, der als Psychologe und Buchautor in den 70ern freien Zugang zu psychedelischen Drogen forderte, hätte an diesen Keksen Freude gehabt. Aromatisch sind die runden Dinger eine Explosion. Wirken die Stoffe darin gleich stark? Man gibt sich die Kugel und spült sie zum Abschluss des Dinners mit Kaffee runter.

«Umgehauen hat das Dinner bis jetzt nur einen – das war auch in Basel», erzählt Vidensky, «doch hat er in der Rauchpause wohl nicht nur Tabak geraucht.» Die beiden Köche sitzen nun in zivil am Tisch. Die Redseligkeit haben sie nicht abgelegt. «Auf den Magen schlug es schon mehreren». Auch auf dem Herrenklo der Lady Bar hängt ein säuerlicher Duft in der Luft.

Fährt ein: Häppchen im Rauschmenü in der Lady Bar.

Häppchen mit Nebewirkungen: Rauschmenü in der Lady Bar. (Bild: Olivier Joliat)

Das Rauf und Runter mit den Stoffen wirkt auf anfällige Personen wohl wie Wellengang bei Seekranken. Der Ess-Trip macht weiche Knie und duselig im Kopf, doch ist das durchaus angenehm. «Wir wollen den Gästen ja eine schöne Erfahrung bereiten», so Jouja. Sie sehen sich denn auch nicht als Drogen-Gurus oder Zeremonienmeister. Vidensky: «Wenn schon sind wir Gesundheitsapostel, die erklären, mit welchen Mitteln sich das Leben lohnt. Oder einfach verspielte solidarische Mitmenschen mit Bildungsauftrag, die zeigen wollen, wie man Essen intelligent benutzt.»

Die Show zum legalen multitoxischen Trip geben sie denn auch, um über Mengen, Wirkung und Risiken aufzuklären. Das ist nicht nur amüsant, sondern sehr überraschend und aufschlussreich. Eine Teilnehmerin weiss nun, warum Oma sich morgens immer braune Bananen aufs Brot strich und die Köche fanden neue Anreize für ihren Beruf.

Der Abend ist nachhaltig anregend. Man überdenkt seine Meinung zu Edelstahl in der Küche oder Vitamin C im Glas. Allerdings nicht am Morgen danach. Da ist man wohlig aber platt – wie nach einem guten Essen.

Die beiden Köche laden heute in St. Louis zu Tisch. Kurzentschlossene können sich telefonisch noch melden.

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