Eine Basler Modedesignerin empfängt hohen Besuch aus der St. Galler Textilbranche.
Massgeschneidert ist heute fast alles, zumindest als Worthülse: die massgeschneiderte Finanzplanung, das massgeschneiderte Marketingkonzept, massgeschneiderte Weiterbildungsprogramme, die massgeschneiderte Ferienreise.
Dafür gibt es das, was wir wirklich unter Massarbeit verstehen, nur noch selten. Wer Möbel, Schuhe und Kleider nach Mass herstellt, kann höchstens noch in der Nische der Exklusivität überleben. Wenn überhaupt. Zu billig ist die industriell produzierte Massenware geworden, um damit konkurrenzieren zu können.
Der Wert von Arbeit und Material
So setzt auch Bernadette Koch in ihrem kleinen Geschäft in der St. Johann-Vorstadt 23 auf die Kundin mit einem ausgeprägten Qualitätsbewusstsein, die bereit und in der Lage ist, für gutes Handwerk entsprechend zu bezahlen. Koch macht Kleider. Kleider, die auf den Körper der Trägerin zugeschnitten sind.
Wer ein Stück von Bernadette Koch trägt, muss sich wegen ein paar Pfunden mehr oder weniger auf den Hüften nicht grämen; die Schnitte sind so raffiniert, dass sie ungewollte Rundungen geschickt vertuschen. «Wir geben der Frau ihre Figur zurück», sagt Koch. Das ist der Kleidermacherin wichtig, damit kann sie so manche Kundin überzeugen, dass sich die Investition von ein paar hundert Franken lohnt. Aber natürlich nicht nur deswegen. Da kommen die sorgfältige Verarbeitung und selbstverständlich das Material, die Stoffe, dazu.
Im Atelier Koch wird ausschliesslich Hochwertiges verarbeitet. Seide, Spitze, Wolle, aber auch technische Textilien. So ist ein schwarzer Jupe aus Neopren genäht, dem Stoff, aus dem auch Taucheranzüge gemacht sind. Doch dieser hier fühlt sich weder gummig noch steif an, sondern fein wie Samt. «Und er lässt sich einfach mit einem feuchten Lappen abwischen», sagt Bernadette Koch.
Auch in anderen Schweizer Städten
Sämtliche Stoffe, mit denen sie und ihre beiden Mitarbeiterinnen arbeiten, stammen aus Europa, viele aus der Schweiz. Einer der Lieferanten ist die St. Galler Stoffmanufaktur Jakob Schlaepfer AG, zu deren Kundschaft auch die Garde der grossen Modedesigner wie Christian Lacroix oder Emanuel Ungaro gehören.
Schlaepfer-Stoffe sollen gemäss Firmenphilosophie jedoch nicht den Profis vorbehalten, sondern für alle, die gerne nähen, erhältlich sein. Auch zu erschwinglichen Preisen. Deshalb betreibt Schlaepfer unter dem Namen Bambola je einen Laden in Zürich und Genf. Mit der Aktion «Jakob Schlaepfer zu Gast bei …» will man künftig auch in anderen Schweizer Städten präsent sein.
Erste Station, heute Freitag und morgen Samstag, ist: das Geschäft von Bernadette Koch. Von Anfang an, sagt die Modedesignerin, habe sie der Geschäftsführer der Bambola-Läden, Bernhard Duss, unterstützt. «Er hat immer geschaut, dass ich zu schönen Stoffen komme», so sei sie nun sehr gerne die Gastgeberin in Basel.
Und wie es sich für eine solche gehört, hat sie sich auf den Besuch vorbereitet: mit ein paar extra für diesen Anlass gefertigten Kreationen aus Schlaepfer-Stoffen. «Schliesslich haben wir gemeinsam das Ziel», sagt Koch, «Stoffgeschäft und Schneideratelier den Kunden näherzubringen.» Die Experten für die massgeschneiderten Worte bezeichnen das als Win-win-Situation.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 26.10.12