Juristen sind sich einig: Das systematische Vergraulen der Kunden eines Massagesalons ist rechtlich problematisch. Dennoch wurden die Bewohner eines Hauses an der Lehenmattstrasse vom stellvertretenden Leiter der Stadtentwicklung zu solchen Aktionen ermuntert.
Am Dienstag hat an dieser Stelle der Basler Anwalt Felix Moppert die bürgerwehrähnlichen Aktionen einiger Bewohner einer Liegenschaft an der Lehenmattstrasse verurteilt. Diese haben gegen einen Massagesalon in ihrem Wohnhaus die Initiative ergriffen und systematisch versucht, dessen Kunden zu vergraulen. Moppert, so lautete kurz nach Veröffentlichung der Vorwurf in den Kommentaren zum erwähnten Artikel, sei selbst in diesem Milieu tätig und deshalb nicht unabhängig – seine Kritik also nicht statthaft. Der Anwalt war in der Vergangenheit als Verwaltungsrat für verschiedene Nachtclubs und Kontaktbars (z. B. Schmitti und FKK-Club Basel) tätig, aktuell hat er noch ein solches Mandat für die Happy Night AG inne.
Nun haben sich gegenüber der TagesWoche auch noch weitere Juristen und Politiker kritisch gegenüber der Lehenmatt-Bürgerwehr geäussert. Der Strafverteidiger und SP-Grossrat Christian von Wartburg sagt unmissverständlich: «Der Bürger hat keine Polizeigewalt.» So könne beispielsweise das Blitzen mit einer Fotokamera durchaus als einen Eingriff in die persönliche Bewegungsfreiheit gewertet werden. «Dadurch, dass man jemanden mit einer Kamera blitzt, nimmt man dieser Person die Möglichkeit, sich frei und anonym zu bewegen», sagt von Wartburg. «Als Jurist rate ich jedem davon ab, in einer solchen Art aktiv zu werden.»
Breite Kritik an der Bürgerwehr
Auch der freisinnige National- und Grossrat Daniel Stolz will nicht in einem Staat leben, in dem es Bürgerwehren gibt. Die einzige Art, gegen so einen Massagesalon vorzugehen – wenn dieser denn illegal sei – sei, den Rechtsweg zu beschreiten. «Wir dürfen doch nicht damit anfangen, uns gegenseitig zu bespitzeln. Wo führt denn das hin?», sagt Stolz.
Wie kommen also die Bewohner einer Liegenschaft an der Lehenmattstrasse dazu, zu solchen rechtlich problematischen Mitteln zu greifen? Hört man sich bei diesen Bewohnern um, kommt die Antwort, dass man von offizieller Seite auf diese Möglichkeiten aufmerksam gemacht wurde. Man habe ihnen gesagt, dass solche Freier-Vergraulungs-Aktionen schon in den 1990er-Jahren an der Schlettstadterstrasse sehr erfolgreich durchgeführt worden seien.
Genau die gleichen Antworten ergeben entsprechende Nachfragen bei Anwohnern der Amerbachstrasse, auch dort wehrt man sich gegen die Ausbreitung des Rotlichtmilieus. Allerdings beschränkten sich die dortigen Anwohner auf das Einreichen einer Petition, mit den «finsteren Milieu-Gestalten» wollte man sich nicht anlegen.
Alles nur ein «Missverständnis»?
Ein Name fällt bei den Recherchen immer wieder. Es soll Peter Gautschi, stellvertretender Leiter der Kantons- und Stadtentwicklung, gewesen sein, der die Anwohner auf die Möglichkeit – vor allem aber auf die Erfolgschancen – einer Bürgerwehr aufmerksam gemacht hat.
Gautschi bestätigt gegenüber der TagesWoche, den Anwohnern in beiden Fällen von der sehr erfolgreichen Bürgerwehr an der Schlettstadterstrasse erzählt zu haben. Dies sei beispielsweise im Rahmen einer Präsentation an einer Veranstaltung für die Anwohner der Amerbachstrasse geschehen, welche vor rund zwei Jahren im «Union» stattgefunden habe. «Es war aber in keinster Weise meine Absicht, die Anwohner zu einer Bürgerwehr anzustacheln», sagt Gautschi, insbesondere da sich diese mit solchen Aktionen ja einem Risiko aussetzen würden. Vielmehr habe er die Betroffenen aufgefordert, bei allfälligen Belästigungen die Polizei zu alarmieren. Im Fall der Lehenmattstrasse war seine explizite Empfehlung, die Zweckentfremdung einer Wohnung den zuständigen Behörden zu melden.
Die Anwesenden haben Gautschis Präsentation aber offensichtlich als Ermunterung verstanden und zumindest im Fall Lehenmattstrasse auch umgesetzt. Verständlicherweise, da er ja auch den grossen Erfolg der Aktion an der Schlettstadterstrasse ausdrücklich betont hat.
Ob er denn in den Gesprächen mit den Anwohnern oder an der erwähnten Präsentation explizit von einer Bürgerwehr abgeraten habe? «Nein», gibt Gautschi zu, «möglicherweise ist meine Präsentation hier missverstanden worden.» Gautschi ist sich, obwohl er offensichtlich schon mehrmals «missverstanden» wurde, keiner Schuld bewusst. Er will auch in Zukunft, sollte dies noch einmal ein Thema werden, allfälligen empörten Anwohnern eines Sexbetriebes nicht explizit von einer Bürgerwehr abraten.