Im Basler Foltertod-Fall spielt Heroin aus der Abgabestelle Janus eine wichtige Rolle. Es soll vom Haupttäter rausgeschmuggelt, verschnitten und gehandelt worden sein.
Richterin Susanne Nese nannte sie die «Janus-Familie». Die Basler Heroinabgabestelle war der Ankerpunkt im wild drehenden Leben der Süchtigen Stefan*, dessen Mutter Ina* und deren Opfer Ünay*. Am Dienstag wurden Mutter, Sohn und ein Mittäter vom Basler Strafgericht in erster Instanz zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Sie haben den Schwerstabhängigen Ünay während Tagen in einer Wohnung am St. Johannsring gefangen gehalten, ihn gefoltert und schliesslich mit einer Überdosis Heroin getötet.
Zweimal täglich pendelten Haupttäter Stefan, dessen Mutter und Ünay an die Pilgerstrasse, wo sie pharmazeutisches Heroin (Diaphin) in Tablettenform oder als Flüssigkeit erhielten. Die Abgabe ist vom Gesetzgeber streng reglementiert. Die Einnahme muss grundsätzlich vor Ort erfolgen und von Mitarbeitern überwacht werden.
Abstinenz ist nicht das Ziel
Aufnahme ins Janus-Programm erhält, wer seit mindestens zwei Jahren abhängig von Heroin ist, zwei erfolglose Therapien hinter sich hat und unter körperlichen, psychischen oder sozialen Problemen leidet. Die Patienten werden von Psychologen und Sozialarbeitern begleitet. Ziel der Therapie ist nicht die Abstinenz, sondern Drogensüchtige aus der Kriminalität zu holen und ihnen ein geordnetes Leben zu ermöglichen.
Schweizweit erhalten derzeit rund 1600 Patienten pharmazeutisches Heroin, in Basel sind es rund 160. Das Janus sei extrem erfolgreich darin, Schwerstabhängige aus der Beschaffungskriminalität zu führen und auch deren Lebenssituation zu verbessern, sagt Janus-Leiter Hannes Strasser.
Beim Bedarf getrickst
Haupttäter Stefan begann Janus rund sieben Monate vor der Tötung Ünays zu frequentieren. Vor Gericht erklärte er, wie einfach es war, das Heroin rauszuschmuggeln. Er habe seinen Konsum höher beziffert, als er tatsächlich war. Was zu viel war, habe er in einem Moment der Unachtsamkeit der Mitarbeiter eingesteckt. In der gemeinsamen Wohnung wurde der Stoff dann gestreckt, mit anderen Substanzen gemischt und entweder selber konsumiert oder an andere Abhängige weiterverkauft. Die Tabletten hat er für die intravenöse Verabreichung verflüssigt.
Der Schmuggel war ein lukratives Nebengeschäft für Stefan: Während Strassenheroin einen Reinheitsgehalt von 10 Prozent aufweist, liegt dieser beim von einer Schweizer Firma produzierten Diaphin bei nahezu 100 Prozent.
Im Dezember 2013 beschuldigte Stefan Ünay des Diebstahls von Kokain. Um ein Geständnis herauszupressen und einen gewaltsamen Entzug einzuleiten, hielt er ihn in der Wohnung fest. Als Ünay nach tagelanger Folter in kritischem Zustand war, setzten ihm seine Peiniger eine Spritze. Er starb, das stellte laut Richterin Nese das pharmakologische Gutachten fest, an einer Überdosis pharmazeutischen Heroins. Aus welcher Abgabestelle dieses stammte, wurde nicht festgestellt.
Kein offener Handel
Stefan, das stellte sich vor Gericht heraus, sah im Janus nicht den Weg zurück in die Gesellschaft. Er nutzte Überwachungslücken aus und erweiterte so sein Geschäft und seinen Konsum. Ob die Kontrollmechanismen im Janus nur in seinem Fall versagt haben, oder das Problem breiter ist, muss offenbleiben. Die Staatsanwaltschaft erklärt, ihr sei kein Handel mit pharmazeutischem Heroin bekannt. «Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass eine bezugsberechtigte Person diese legal bezogene Droge an Dritte abgibt oder verkauft.»
Hannes Strasser, medizinischer Leiter von Janus, gibt folgende Stellungnahme ab:
«Das Janus verweist bezüglich der Diacetylmorphin-Abgabe auf die gesetzlichen Vorgaben des Bundes (BAG) und die Medizinischen Empfehlungen für substitutionsgestützte Behandlungen (SGB) der Schweizerischen Gesellschaft für Suchtmedizin (SSAM), nach denen sich die Behandlung richtet. Die Abgabe ist streng reglementiert. Die Verabreichung erfolgt gemäss Gesetz und die Einnahme der Tabletten muss vor Ort passieren. Sie wird von unseren Mitarbeitern überwacht. Ausnahmen sind nur möglich bei stabilen Patienten, die kein Kokain konsumieren und die beispielsweise eine Arbeitsstelle haben und deshalb nicht zweimal täglich ins Janus kommen können. Solchen Patienten wird Heroin für bis zu zwei Tage mitgegeben.»
Zu dem Gerichtsverfahren und den involvierten Personen äussert sich Strasser aufgrund des Patientenschutzes nicht.
* Namen von der Redaktion geändert