Streit um den Kasernenumbau kurz vor der Zielgerade neu entfacht

Für die Bürgerlichen ist er zu teuer, für linke Kulturpolitiker ist das Nutzungskonzept unausgegoren: Während den Kommissionsberatungen zum Umbauprojekt des Kasernen-Hauptbaus flammten alte Streitigkeiten wieder auf.

Düstere Wolken über dem Kasernen-Hauptbau: Visualisierung des umstrittenen Umbauprojekts von Focketyn del Rio.

(Bild: Hochbauamt Basel-Stadt)

Für die Bürgerlichen ist er zu teuer, für linke Kulturpolitiker ist das Nutzungskonzept unausgegoren: Während den Kommissionsberatungen zum Umbauprojekt des Kasernen-Hauptbaus flammten alte Streitigkeiten wieder auf.

Carena Schlewitt, die Leiterin des Kulturzentrums Kaserne Basel, kann eine gewisse Desillusionierung nicht verbergen: «Ich glaube im Moment nicht richtig daran, dass die Umbauarbeiten des Kasernen-Hauptbaus im nächsten Jahr tatsächlich beginnen werden. Aber ich möchte betonen, dass ich bei allen berechtigten Fragen und Diskussionen den Start zum Umbau gerade nach dem langen Findungsprozess dieser Lösung, unter Berücksichtigung aller möglichen Kriterien und Umstände, für richtig und wichtig halte.» 

Nach dem Basel Tattoo im Sommer 2017, so steht es im Zeitplan des Kantons, sollen die Baumaschinen auffahren. Sollten sie auffahren, denn zuvor gibt es noch mehrere politische Hürden zu überwinden: Der Grosse Rat muss den Baukredit von 45 Millionen Franken bewilligen, gefolgt von der Einreichung des Baugesuchs, gegen das Einsprache erhoben werden könnte. 

Heftige Debatten in den Grossrats-Kommissionen

Bevor der Grosse Rat über den Ratschlag der Regierung entscheiden kann, müssen die zuständigen Parlamentskommissionen über die Bücher. In diesem Fall sind es gleich zwei, denn neben dem Bau- steht auch ein Nutzungsprojekt zur Debatte. Namentlich handelt es sich um die Bau- und Raumplanungskommission und die Bildungs- und Kulturkommission. Und in beiden Kommissionen regt sich offenbar heftiger Widerstand gegen den Projektvorschlag der Regierung, wie die «Basler Zeitung» berichtete.



Der Kasernen-Hauptbau als öffentlicher Raum: Visualisierung des Durchgangsfoyers im Umbauprojekt von Focketyn del Rio.

Der Kasernen-Hauptbau als öffentlicher Raum: Visualisierung des Durchgangsfoyers im Umbauprojekt von Focketyn del Rio. (Bild: Hochbauamt Basel-Stadt)

Nachfragen der TagesWoche bestätigen diesen Eindruck. Bei den Befürwortern des Umbauprojekts, von den heutigen Arealnutzern, über die politische Mitte bis zur Linken, wachsen Befürchtungen, dass es zu einer unheiligen Allianz zwischen bürgerlichen Sparpolitikern und linken Exponenten aus dem Umfeld der Vereinigung «Kulturstadt Jetzt» kommen könnte.

Das überrascht, wurde doch das in einem Wettbewerb auserkorene Umbauprojekt der Architekten Focketyn del Rio in der Öffentlichkeit mit spürbarem Wohlwollen aufgenommen.

Zu teuer – zu unausgegoren

Bürgerliche Grossräte stören sich in erster Linie an den Kosten, die von den ursprünglich ausgewiesenen 35 auf 45 Millionen angestiegen sind. «Ich hätte mir einen grösseren Wurf gewünscht. Für die Variante, die jetzt vorliegt, sind 45 Millionen Franken zu viel», sagt SVP-Grossrat Joël Thüring. Ins selbe Horn stösst auch FDP-Fraktionspräsident Andreas Zappalà: «Für die FDP-Fraktion ist der Kostenanstieg nicht plausibel», sagt er. Überdies befürchtet er, dass der Umbau höhere Subventionen an den Kulturbetrieb nach sich ziehen wird, da dieser die höheren Mietpreise kaum wird bezahlen können.

Aus dem Nutzungskonzept: öffentliche Kulturräume im neuen Kasernen-Hauptbau.

Dem Vernehmen nach ist die Stimmung besonders innerhalb der SP-Fraktion am Kochen. Sie hat diese Woche deshalb eine Aussprache zu diesem Thema anberaumt. «Mir ist bewusst, dass wir jetzt als böse Verhinderer dargestellt werden, aber wir müssen doch noch Fragen stellen dürfen», sagt Wenk. «Nach dem Debakel, das die Kantons- und Stadtentwicklung bei den Zwischennutzungen am Klybeckquai hinterlassen hat, ist unser Vertrauen in das Präsidialdepartement belastet.»



Aus dem Nutzungskonzept: Räume für gastronomische Angebote.

Aus dem Nutzungskonzept: Räume für gastronomische Angebote. (Bild: Hochbauamt Basel-Stadt)

Areal-Nutzer befürchten ein Debakel

Für Philipp Cueni, Präsident des Vereins Pro Kasernenareal, in dem die heutigen Arealnutzer vereinigt sind, käme eine Rückweisung des Projekts einem Debakel gleich. «Für die aktuellen Nutzer des Areals ist es entscheidend, dass auf dem Areal endlich ein Entwicklungsschritt eingeleitet wird», sagt Cueni. «Das ist auch deshalb dringend, weil sich der Hauptbau in einem desolaten Zustand befindet.»

Cueni kann die Bedenken der Gegner nicht nachvollziehen. «Der Grosse Rat hat vor zwei Jahren die Leitplanken für das Projekt mit überwältigendem Mehr definiert, bei der Konkretisierung sind diese nun eingehalten worden», sagt er. Er befürchtet, dass eine Verzögerung des Prozesses zur Verslumung des Areals beitragen würde. «Ein Neuanfang des ganzen Prozesses wäre nicht nur ein Schildbürgerstreich, er würde kaum neue Ideen bringen, sondern den ganzen Entwicklungsprozess auf dem Areal um Jahre zurückwerfen», sagt er.

Präsidialdepartement sucht den öffentlichen Diskurs

Im Präsidialdepartement gibt man sich vorerst noch gelassen. Bis jetzt sind die Stimmen einzelner Politiker und von Interessenvertretern bekannt, die teilweise andere Vorstellungen der Nutzung oder des Umbaus anstreben», sagt Philippe Bischof, Leiter der Abteilung Kultur. «Das ist bei einem solchen stadthistorisch beladenen Projekt völlig normal und also nicht überraschend.» Wichtig sei, dass jetzt der breite politische Meinungsbildungsprozess kritisch und offen geführt werde.

«Ein Neuanfang des ganzen Prozesses würde den ganzen Entwicklungsprozess auf dem Areal um Jahre zurückwerfen.»
Philipp Cueni 

Diese Diskussion möchte das Präsidialdepartement auch ausserhalb der politischen Entscheidungsinstanzen führen. Am Montag, 4. April, wird deshalb im Keck-Kiosk bei der Tramhaltestelle Kaserne eine kleine Ausstellung zum Projekt eröffnet. Der Titel der Projektpräsentation «Darüber reden – Ein Haus für alle. Und das Neue», besagt, dass Verantwortliche aus dem Präsidialdepartement und von Pro Kasernenareal in loser Folge auch vor Ort sein werden, um Auskünfte zu erteilen.

Mehrkosten sind zu rechtfertigen

Zur Sprache kommen werden sicher auch die von den Bürgerlichen kritisierten Mehrkosten. Thomas Kessler, Leiter Kantons- und Stadtplanung, sagt, dass sich der Anstieg der Kosten auf dem Papier durchaus rechtfertigen liesse: «Allein die Substanzsicherung kostet über 33 Millionen Franken, das alte Gebäude muss erdbebensicher gemacht, technisch auf den neusten Stand gebracht und behindertenfreundlich gestaltet werden», sagt er.

Die Kosten für die zukünftige Nutzung selbst beziffern sich laut Kessler lediglich auf zirka 5 Millionen, seien also im Gesamten bescheiden und bewusst knapp gehalten. «Zudem sind die Kosten von 3,8 Millionen Franken für den Seitendurchbruch und die Aufwertung des Klingentalwegleins vom Grossen Rat bereits bewilligt worden – sie umfassen die politisch verlangte Öffnung  zum Rhein.»

Dazu kommen Mehrkosten von rund 3 Millionen Franken für Baustelleneinrichtung, Baulogistik und Schutzmassnahmen, damit das Basel Tattoo und die Herbstmesse auch während der Bauzeit auf dem Kasernenplatz stattfinden können.

Verzögerung könnte zu Mehrkosten führen

Ein Plan B für den Fall, dass das Bauprojekt tatsächlich zurückgewiesen würde, gibt es nicht. «Es wäre abzuklären, ob innerhalb des Siegerprojekts neu geplant und die kritischen Bereiche neu gestaltet werden müssten oder ob der ganze Prozess ab Feld 1 neu aufgerollt werden müsste», sagt Kessler. Gleichzeitig gibt er aber zu bedenken: «Es gäbe auf jeden Fall massive zeitliche Verzögerungen bei einem baulich relativ engen Gestaltungsrahmen, weil das vorliegende Projekt bereits die bisher maximal möglichen Zugeständnisse der Denkmalpflege und des Denkmalrates beinhaltet.»

Früher bereitete man sich auf dem Kasernenareal auf Schlachten vor, heute ist es selber Schlachtfeld.

Früher bereitete man sich auf dem Kasernenareal auf Schlachten vor, heute ist es selber Schlachtfeld. (Bild: Staatsarchiv Basel-Stadt)

Kosten liessen sich laut Kessler dadurch kaum einsparen. «Das alte Hauptgebäude würde potentiell zum Symbol der Stagnation und in der Nutzungs-Entwicklung blockiert, die Unterhalts- und Sanierungskosten würden aber jährlich weiter zunehmen, und eine Zwischennutzung ist in diesem sanierungsbedürftigen Bau ausgeschlossen», sagt er. «Es wäre sogar denkbar, dass der Bau schliesslich mit mindestens so hohen Kosten einer anderen Nutzung zugeführt werden müsste – zum Beispiel wie bisher als Schulhaus, also ohne Öffnung und Verbindung zum Rhein und ohne breite kulturelle Ausstrahlung in die Stadt, zur Rheinpromenade und ins junge Kulturleben der Region.»
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«Darüber reden – Ein Haus für alle. Und das Neue». Ausstellungsvernissage zum Umbauprojekt des Kasernen-Hauptbaus mit Ausführungen von Thomas Kessler (Leiter Kantons- und Stadtentwicklung, Philippe Bischof (Leiter Abteilung Kultur) und Philipp Cueni (Präsident Verein Pro Kasernenareal). Montag, 4. April, 17.30 Uhr, Keck-Kiosk bei der Tramhaltestelle Kaserne.

Chronik einer fast unendlichen Geschichte

  • 1863 übernahm die Basler Stadtgarnison den Kasernen-Neubau des Architekten Johann Jakob Stehlin-Burckhardt. 1874 wurde sie zum eidgenössischen Sanitätswaffenplatz.
  • 1966: Das Kasernenareal wird nach dem Auszug der Armee der Einwohner­gemeinde Basel übertragen.
  • 1967: Eine Initiative fordert die Gestaltung eines Parks mit unterirdischem Parking.
  • 1969: Der Hauptbau wird provisorisch als Schule genutzt – ein Provisorium, das mit wechselnden Belegungen bis heute andauert. Auf dem Platz entstand ein dreigeschossiges Provisorium für das Warenhaus Globus, das erst 1984 abgebrochen wurde.
  • 1972/73: Wettbewerb zur Gestaltung/Nutzung. Prämiert wird ein Projekt, das einen Stadtpark und ein unterirdisches Parkhaus vorsieht. Eine Petition fordert eine soziokulturelle Zwischennutzung.
  • 1974: Die IG Kasernenareal (heute: Pro Kasernenareal) wird gegründet.
  • 1980: Türkische Muslime richten eine Moschee ein. Die Kulturwerkstatt Kaserne (heute Kaserne Basel) entsteht.
  • 1987: Das Volk lehnt an der Urne das unterirdische Parkhaus ab.
  • 1988: Neuer Wettbewerb zur Gestaltung des Aussenraums. Es gewinnt das Projekt «Die Wiese zwingt den Rhein ins Knie», das einen Durchbruch zum Rhein vorsieht.
  • 1992: Das Sieger­projekt wird aus finanziellen Gründen nicht umgesetzt. Das Areal wird mit Hartplatz und Wiese saniert.
  • 1999: Die Kaserne wird Teil des Aktions­programms Stadt­entwicklung. Die Neugestaltung wird wegen Geldmangels erneut hinaus­geschoben.
  • 2006: Das Bau- und Verkehrsdepar­tement erteilt Heller Enterpri­ses den Auftrag, eine Vorstudie für ein Nutzungskonzept für das Gesamtareal zu erstellen.
  • 2010: Die Regierung schlägt eine seitliche Öffnung des Platzes in Rheinnähe vor.  Als Reaktion darauf lanciert das Komitee «Kultur­stadt Jetzt» die Initiative «Öffnung zum Rhein».
  • 2012: Der Grosse Rat bewilligt den Kredit für den seitlichen Durchstich.
  • 2012: Der Regierungs­rat legt seinen Rat­schlag «Ge­samtsanierung Kasernenhaupt­bau» vor.
  • 2013: Die Bau- und Raumplanungskommission des grossen Rates verlangt eine grosszügige Öffnung des Hauptbaus. Das Parlament folgt der Kommission, «Kulturstadt Jetzt» zieht ihre Initiative zurück.
  • 2013: Ein Projektwettbewerb wird ausgeschrieben. Es gewinnt der Vorschlag «Ein Haus für alle. Und das Neue» von Focketyn del Rio.
  • 2015: Die Regierung präsentiert den Ratschlag «Kasernenhauptbau – Gesamtsanierung und Umbau zum Kultur- und Kreativzentrum» mit einem Kreditbegehren von knapp 45 Millionen Franken.

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