Streit um geplantes Ozeanium an der Heuwaage

Wegen des geplanten Ozeaniums gehen Zolli-Verantwortliche und Meeresschützer schon jetzt aufeinander los.

Das Ozeanium soll möglichst natürlich wirken. (Bild: blickwinkel/R. Dirscherl)

Wegen des geplanten Ozeaniums gehen Zolli-Verantwortliche und Meeresschützer schon jetzt aufeinander los.

Der Basler Zolli hat grosse Pläne. Ein Ozeanium mit mehreren Tausend Tieren aus allen fünf Weltmeeren, mit Aquarien bis zu acht Meter hoch und Durchmessern von bis zu 30 Metern. Zwischen 60 und 80 Millionen Franken soll das Ganze kosten.

«Es ist ein grossartiges Projekt, das die Besucher einmal um die Welt führen wird, vom Rhein in den Ozean und wieder zurück», sagt Thomas Jermann, Projektverantwortlicher im Zoo Basel: «Die Menschen werden begeistert sein und sie werden auch ein bisschen Ehrfurcht verspüren, wenn sie erfahren, wie unglaublich gross der Ozean ist und wie viel Leben es in ihm gibt.»

Schon jetzt begeistert ist das offizielle Basel, Regierung, Stadtentwickler, Tourismusverantwortliche. Sie alle freuen sich auf das Meereshaus mit Res-taurants, Shops und Tagungsräumen nebst rund 30 Aquarien – und auf die Hunderttausenden von Besuchern, die ab 2018 erwartet werden. Und das alles auf der Heuwaage, diesem Unort, mit dem die Stadt jahrelang nicht wusste, was anfangen. Die Behörden und ZolliVerantwortlichen sprechen darum von einem «Glücksfall» für die Stadt.

Viele Fische sterben unterwegs

Die Euphorie könnte allerdings noch erheblich getrübt werden. Denn am Zürichsee wird bereits der Widerstand geplant. Genauer gesagt: in Wädenswil, wo der Verein «Oceancare» seinen Sitz hat. «Wir brauchen in Basel kein Ozeanium», sagt Präsidentin Sigrid Lüber: «Meeresfische sind in einem Binnenland wie der Schweiz fehl am Platz. Sie gehören ins Meer, wie der Name schon sagt.»

Der gleichen Ansicht ist die Berner Meeresbiologin Monica Biondo. «Das Problem ist, dass sich die wenigsten Arten von Salzwasserfischen züchten lassen. Darum müssen die Aquarienbetreiber die Tiere in den Meeren fangen lassen», sagt sie. Auf diese Weise würden ohnehin schon stark belastete Ökosysteme wie etwa Korallenriffe zusätzlich belastet. «Beim Fang kommen häufig andere Tiere wie Korallen und Krebse ums Leben, und danach sterben auch noch viele Fische auf dem Transport», sagt sie.

Jermann hört solche Vorbehalte immer wieder. Seiner Ansicht nach haben die Kritiker einen «etwas verklärten Blick auf die Realität». «Sie sind überwältigt von der Wucht der Natur und halten diese für ein Paradies, das nur durch den Menschen gestört wird.» Ein Irrtum. «In der Natur, im Ozean herrscht das grosse Fressen», sagt er.

Die Tiere seien ständig im Stress, Futter zu finden, und ständig in Gefahr, selber als Futter zu enden. Anders als schon heute im Vivarium des Basler Zollis und in ein paar Jahren im Ozeanium: «Dort haben die Fische keinen Stress und sind dementsprechend auch sehr selten krank. Unsere Tiere sind zufrieden, davon bin ich überzeugt.» Sorgen bereitet ihm auch der Transport keine. Weil der Basler Zolli nur mit den besten Tierhändlern zusammenarbeite, wie Jermann sagt.

Referendum angekündigt

In der Auseinandersetzung um die Unterwasserwelten ist nun erst einmal der Zolli am Zug. Seit ein paar Tagen läuft der zweistufige Projektwettbewerb für das Ozeanium, bis Ende Jahr soll das Siegerprojekt ausgewählt sein. Danach wird dem Kantonsparlament der Bebauungsplan vorgelegt. Das ist der Moment, in dem sich die Meeresschützer in die Debatte einschalten werden. Erste Kontakte mit Basler Grünen sind bereits geknüpft.

Durchsetzen werden sich die Gegner im Grossen Rat allerdings kaum. Darum spricht man bei «Oceancare» schon heute von einem Referendum. «Bei einer solch grundsätzlichen Frage ist es am besten, dass das Volk das letzte Wort hat», sagt Lüber.

Die öffentliche Debatte wird spannend. Oder besser gesagt: Sie ist schon heute spannend, online bei tageswoche.ch. «Es gibt genug eingesperrte Tiere auf diesem Planeten. In Basel sollte dafür nicht ein weiterer Quadratmeter freigegeben werden», schreibt zum Beispiel Chriss Graf zum Artikel über den Start des Projektwettbewerbs. Andere wie Casi bezeichnen solche Kommentare als «etwas zynisch». Den Menschen müsse auch in einem Binnenland wie der Schweiz gezeigt werden, wie die Ozeane lebten und funktionierten, schreibt er: «Denn häufig ist man nur bereit zu schützen, was man kennt und schätzt.»

Sensibilisierung ist nötig

Einig ist man sich zumindest in diesem Punkt: Diese Sensibilisierung ist dringend nötig, nicht nur in Basel, sondern auf der ganzen Welt, damit die Zerstörung der Meere gestoppt werden kann. In einer Liste der weltweit grössten Probleme, die zu wenig beachtet würden, nannte die «NZZ am Sonntag» vor Kurzem die «Überfischung der Weltmeere» an erster Stelle: «Es droht ein Kollaps der Nahrungsquelle Meer.»

Bei solchen Feststellungen hört die Einigkeit aber auch schon wieder auf. «Sensibilisierung funktioniert am besten über echte, sinnliche und immer wieder neue Erlebnisse», sagt Jermann. «Grossaquarien dienen nicht in erster Linie der Aufklärung, sondern der Unterhaltung», hält Sigrid Lüber von «Oceancare» dagegen: «Wie sonst wäre es möglich, dass die Besucher in Japan, dem Land mit den meisten Ozeanien, an den eingesperrten Fischen und Delfinen vorbei spazieren und getrockneten Walfisch knabbern?»

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 06/01/12

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