Strube Berichterstattung über die strube Vertreibung der russischen Anarcho-Künstler

Das Video einer Wohnungsräumung in Basel sorgt für Aufregung und verleitet verschiedene Medien zu vorschnellen Schlüssen. Zu sehen ist eine eskalierende Momentaufnahme einer komplexen Geschichte, die nächste Woche vor dem Basler Strafgericht ihre Fortsetzung haben wird.

Das Anarcho-Künstlerpaar inszeniert sich in Youtube-Videos gerne selbst. (Bild: Screenshot youtube-Video)

Die Geschichte ist gut anderthalb Jahre alt. Die TagesWoche hatte damals ausführlich darüber berichtet: über die eskalierenden Konflikte zwischen einem russischen Anarcho-Künstlerpaar mit drei Kindern und anfänglich hilfsbereiten Menschen aus links-alternativen Kreisen, welche die Russen beherbergten und sich offensichtlich schwer damit taten, die mit der Zeit unangenehmen Mitbewohner wieder loszuwerden.

Längere Zeit blieb es ruhig um den Konflikt, bis die «Schweiz am Wochenende» im Juli 2017 die Geschichte wieder aufnahm. Im Bericht wurden die Bewohner der Wasserstrasse, also die Beherberger der Russen, einseitig an den Pranger gestellt, was sich bereits im Titel zeigte: «Hausbesetzer wegen Kidnapping angeklagt – es hätte Tote geben können.»

Der Artikel enthielt verschiedene Fehler: So wurden die rechtsmässigen Mieter fälschlicherweise als «Hausbesetzer» und die Häuser an der Wasserstrasse doch arg verallgemeinernd als  «Zentrum der linksextremen Szene der Schweiz» bezeichnet.

«Sind Sie sicher, dass Sie diese Bilder sehen wollen?»

Der Bericht der «Schweiz am Wochenende» verhallte in der Sommerferienzeit, ohne dass er von einem anderen Medium aufgenommen wurde. Ganz anders jetzt: Der Lokalsender «Telebasel» sorgt mit der Veröffentlichung einer Videoaufnahme der Räumungszene für mediale Aufregung. Medienwirksam warnt der Sender einleitend: «Dieses Video enthält unter Umständen Bilder, die verstörend wirken können», flankiert mit der Frage: «Sind Sie sicher, dass Sie diese Bilder sehen wollen?»

Sicher sehen und weiterverbreiten wollten diese tatsächlich verstörenden Szenen eine ganze Reihe weiterer Schweizer Medien: Darunter der «Blick», «20 Minuten», die «Basler Zeitung», und die «bz Basel».

Und wiederum erweist sich der Umgang mit der Wahrheit zum Teil auf einem fragwürdigen Niveau. Allen voran in der «bz Basel». Der Titel ihres Berichts «Pussy-Riot-Fall vor Basler Gericht: Linksextreme stürmen und zerstören Wohnung von Künstlerpaar» vereint gleich mehrere Fehlinformationen.

Mit den bekannten Punkerinnen von Pussy Riot hat das Künstlerpaar nie direkt zu tun gehabt. Und Ort der Auseinandersetzung war nicht die Wohnung des Künstlerpaars, sondern eine Wohnung, die von den Genossenschaftern der Wasserstrasse-Häuser dem Künstlerpaar als vorübergehende Unterkunft zur Verfügung gestellt worden war – eine Wohnung, die überdies nicht zerstört wurde.

Die einzige, wirklich wahre Aussage in diesem Titel ist, dass der Fall vor Gericht kommt. Am Montag, 20. November wird er vor dem Basler Strafgericht verhandelt werden.

Es war übrigens das russische Anarcho-Künstlerpaar selbst, das dieses Video, das nun von den diversen Medien verbreitet wird, ins Netz gestellt hat. Auf dem Youtube-Kanal des Paars zeigt sich, dass die Vertreibung in Basel kein Einzelfall war. Auch in Berlin wurde die Familie aus Russland aus einer Wohnung rausgeworfen, wie in einem weiteren Video festgehalten wurde.

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