Suchen Sie Ruhe vor dem lauten Basel? Dann gehen Sie nicht an den Titisee

Basel war zu laut, ich suchte Stille im Schwarzwald. Und fand stattdessen alles andere.

Böötli fahren, Pedalo, Glacé schlotzen, Kuckucksuhr kaufen. Programm, Programm, Programm.

Natürlich, ich bin völlig selber schuld. Man geht nicht an den Titisee, wenn man Ruhe und Natur will. Jede weiss: Hier kriegt man Kuckucksuhren, Pedalofahrerinnen und Restaurants, bei welchen man die letzte Bestellung um 20 Uhr aufgeben muss. Dazu kommt so ein Geruch im Hotel, bei dem man nicht weiss, stammt er aus der Küche (hoffentlich nicht) oder von den schweren Teppichen.

So hatte ich mir das nicht erträumt, als der Basler Presslufthammer meine Ohren zu durchbohren schien, der Nachbar mit seinen lauten Telefongesprächen auf dem Balkon die Ruhe des Feierabends kaputt machte und die Sehnsucht nach woanders heraufbeschwor: Jetzt auf einem Bänkli vor einer stillen Tanne sitzen und Annette von Droste-Hülshoff lesen, wie Johanna es tut. Johanna, die in einem Häuschen im Schwarzwald lebt und ihrer Freundin Márta melancholische E-Mails schreibt. Also nicht in echt, sondern in Zsuzsa Bánks Briefroman «Schlafen werden wir später».

Kuckuck, Kuckuck, rufts aus dem Schwarzwald.

Vermaledeite Drohne

Das will ich auch, also suche ich Adressen im Schwarzwald. Und stosse auf einen Bericht über den Titisee, der mich trotz besseren Wissens dazu bewegt, ein Hotelzimmer zu reservieren. Lohnt sich ja nicht, für ein Solo-Weekend ein Johanna-Häuschen zu mieten.

Und nun bin ich hier, inmitten von Kindern, die ihre Drohne über den Strand jagen, und Ehepaaren, die am Abend mit dem Kellner wetteifern, wer die schlimmsten körperlichen Leiden hat. Der Titisee scheint der Lieblingsort der Schweizer für generationenübergreifende Grossfamilientreffen zu sein.

Also weg vom See und ins Hinterland. Und hier, endlich, Stille. Die Wanderung führt über Wiesen, vorbei an grossen Bauernhöfen, die so ab vom Schuss sind, dass sie alle ihre eigene Hofkapelle haben. Hier beteten die Familien früher sonntags, den weiten Weg zur Kirche gingen sie nur zu speziellen Anlässen. Manche beten auch heute noch in den Kapellen, darauf weisen jedenfalls die Kerzen hin, die davor stehen, in gepflegten Blumengärtchen. Bei anderen blättert die Farbe ab, Fenster sind eingeschlagen.

Was sich wohl auf diesen Höfen abgespielt haben mag, in langen Wintern, wenn der Schnee so hoch lag, dass man wochenlang festsass, frage ich mich. Obwohl das Gras grüner nicht leuchten könnte im Sonnenschein, ist die Atmosphäre irgendwie unheimlich.

An Gott liegts nicht

Vielleicht habe ich aber auch einfach zu viele Geschichten aus dem dunklen Tannenwald gehört. Etwa das Märchen vom Kohlenmunk-Peter, der sein Herz gegen Geld und Ruhm tauscht und in der Wut seine Frau tötet. Oder die – wahre – Geschichte vom Priester, der Nichten und Tochter schwängerte. Wobei, der Santiglaus, der gute Mann, lebt ja auch im Schwarzwald. Es gibt auch gute Geister hier.

In Titisee-Neustadt ist fertig gewandert, ich warte auf den Bus. Die Sonne brennt, ich binde meinen Schal um den Kopf. Der ältere Mann neben mir schaut mich von der Seite an, und das nicht freundlich.

«Es ist wegen der Sonne», sage ich.
«Aha.»
«Dachten Sie wegen Gott?»
«Was sonst.»

Der Mann lebt hier. Und fragt: «Gefällt es Ihnen in Titisee?»
«Geht so. Zu viel Klamauk.»
«Ja, aber das weiss man ja.»

Wo er recht hat, hat er recht.

Anfliegen: Manchmal (würkli nur ganz selten) muss es das Auto sein. Freiheitsgefühle und so. Dauert von Basel circa eineinhalb Stunden.
Auflaufen: Im Restaurant Bären. Soll super sein, aber ohne Reservation keine Chance.
Ausspannen: Am Strand des Hotel Treschers. Der Aussenbereich mit Pool und Steg in den See ist wirklich schön, wenn einem nicht gerade die Drohnen anderer Gäste um die Ohren fliegen.
Aufsteigen: Wanderkarte gut anschauen.  Angebliche Wanderwege sind manchmal Autostrassen.

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