Tagesmenü: Poulet sans-papiers

Basler Gastrobetriebe servieren ihren Gästen mehrheitlich ausländisches Geflügel. Mit der Deklaration nehmen sie es oft nicht so genau. Zeit einmal genau hinzuschauen. Helfen Sie mit!

Glückliches Schweizer Poulet oder hochgezüchteter, wandelnder Brustspender aus Brasilien? Wo das Geflügel auf der Speisekarte herkommt, wird selten offensiv deklariert. (Bild: Tobias Dürring)

Basler Gastrobetriebe servieren ihren Gästen mehrheitlich ausländisches Geflügel. Mit der Deklaration nehmen sie es oft nicht so genau. Zeit einmal genau hinzuschauen. Helfen Sie mit!

In der Schweiz kommt Geflügel häufiger auf den Tisch als Rindfleisch. Dass es aus heimischer Zucht stammt, ist den Schweizern gemäss dem «Ernährungspanel Schweiz» der ETH Zürich noch wichtiger als bei allen anderen Fleischsorten (nicht online, aber Auszüge sind Fastfoodaktuell.ch einzusehen). Dennoch kommt rund die Hälfte des verzehrten Geflügelfleischs aus dem Ausland (siehe auch «Schnelle Küche, arme Hühner»). Ein Widerspruch, der vor allem auf eines zurückzuführen ist: Das ausländische Geflügel landet gemäss dem Fleischverband Proviande vor allem in Restaurants, Fastfood-Filialen und Kantinen auf dem Teller.

Wie viele Tonnen brasilianisches, ungarisches, chinesisches oder französisches Geflügel in den Gastrobetrieben genau verbraten werden, wird statistisch nicht erfasst. Alleine bei der grossen Fastfoodkette mit dem goldenen M sind es 3400 Tonnen.

McDonald’s schreibt auf seiner Website, seine Produkte würden «mit Grundnahrungsmitteln wie Rindfleisch, Poulet, Fisch, Kartoffeln, Brot, Salat und Milch zubereitet – vorzugsweise aus einheimischem Anbau». Was bei allem stimmen mag, ausser beim Geflügel: Kein Pouletflügel, nicht einmal ein Krümel vom Chicken-Nugget stammt aus der Schweiz, wie ein Blick auf die Fleischdeklaration verrät. Immerhin: Die Fastfoodkette deklariert in den Filialen gut sichtbar, dass das Poulet aus Frankreich, Holland, Ungarn oder Deutschland stammt – ganz im Gegensatz zu vielen anderen Betrieben.

Es gibt wenig Gesetze, die so klar sind wie die Deklarationspflicht für Fleisch. Seit 1996 müssen Gastronomiebetriebe schriftlich festhalten, wo das verwendete Fleisch herkommt. Die Verordnung macht sogar konkrete Vorschläge: Die Deklaration soll auf der Speisekarte oder auf einem Plakat angebracht werden. Sie muss aber auf jeden Fall schriftlich erfolgen.

Vergehen werden nicht überall statistisch erfasst

Die Lebensmittelkontrolleure im Baselbiet haben in 19 von 347 kontrollierten Restaurants 2011 die Deklara­tion «beanstandet». Das heisst, sie war entweder falsch, unzureichend oder nicht vorhanden. In Basel kommt dies auch vor, die Kontrolleure führen aber keine Statistik.

Was rechtlich in Ordnung ist, muss den Konsumenten allerdings längst nicht die gewünschte Transparenz bringen. Wer in Restaurants die Deklaration sucht, stellt schnell fest: Auf der Karte ist eine Deklaration in den wenigsten Fällen aufgeführt – und auch «Plakat» ist ein ziemlich dehnbarer Begriff.

Offensiv auf der Menükarte kommunizieren die Gastrobetriebe die Herkunft vor allem, wenn das Poulet aus der Schweiz stammt, wie unsere Stichproben diese Woche in Basel zeigen. Angepriesen werden etwa die «Aargauer Pouletbruststreifen» im Restaurant «Train Bleu» beim Bahnhof Basel, das halbe Schweizer Poulet im «Stadthof» am Barfüsserplatz oder verschiedentlich auch das «Mistkratzerli aus der Region». Nur selten ist das Poulet aus Ungarn auf der Karte deklariert wie etwa im Restaurant «Der vierte König» beim Mittagsmenü.

Viel lieber bedienen sich die Wirte einer Auflistung: «Geflügel aus der Schweiz, Brasilien und China», so gesehen im «Strassburgerhof». Rechtlich in Ordnung, bleibt die Deklaration für den Kunden jedoch ein Rätsel.

Preis ist kein Anhaltspunkt

Immerhin ist die Deklaration klarer als beispielsweise auf den Karten der Restaurants «Gifthüttli», «Sperber», «Schnabel», «Löwenzorn», «Harmonie» und auch «Lily’s», wo sie gar nicht aufgeführt ist. Dabei kocht «Lily’s» durchaus mit Schweizer Poulets. Ohne Nachfrage bei der Serviertochter, die wiederum den Chef fragen muss, erfährt man dies allerdings nicht.

Kein verlässlicher Anhaltspunkt für die Herkunft des Fleisches ist der Preis, wie das «Chanthaburi» an der Feldbergstrasse zeigt. Für vergleichbar gutes Geld wird einem hier schmackhaftes, aber brasilianisches Huhn serviert. Für den Gast noch schwieriger wird es, wenn die Restaurants die Deklaration auf einem Plakat anbringen. Diese sind manchmal schwieriger zu finden als im Sommer ein Platz in der Gartenwirtschaft.

Bei «Mr. Wong» in der Steinenvorstadt etwa hängt die Deklaration am Durchgang zur Küche – ein unscheinbares A4-Papier. Noch dezenter ist die Fleischdeklaration bei «Kohlmanns», obwohl das Restaurant nicht wie der Fast-Food-Asiate sein Fleisch aus Thailand bezieht, sondern aus der Schweiz.

Die Nachlässigkeiten bei der Fleischdeklaration ausschliesslich der Profitgier der Wirte anzukreiden, greift zu kurz. Der Konsument achtet, wenn er auswärts isst, mehr auf sein Portemonnaie als auf die Qualität. Spätestens wenn der Nachwuchs nach dem Nuggets-Teller schreit, blenden wir das ökologische Gewissen aus. Würde das Kindermenü allerdings 20 Franken kosten, wäre das Quengeln noch lange zu hören.

Für die Anbieter bleibt deshalb der Preis das wichtigste Kriterium. Und da hat das Schweizer Poulet gegen die ausländische Konkurrenz keine Chance. Ausserdem haben Schweizer Hühner – wie McDonald’s begründet – zu kleine Brüste.

 

Helfen Sie mit!

Nerven Sie fehlende, untransparente Fleischdeklarationen? Achten Sie beim nächsten Restaurantbesuch darauf und melden Sie uns Ihre Erfahrungen:

> Name des Betriebs
> Fleischdeklaration vorhan den, wenn ja, als Plakat, auf der Karte oder wird die Herkunft nur auf Nachfrage mitgeteilt?
> Herkunft des Geflügels
> Preis

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Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 03.08.12

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